PALMÖL WIRKT
Der Effekt auf die Biodiversität
Ölpalmen sind tropische Pflanzen mit einem Wachstums- und Produktionsoptimum in den Regionen der Welt, die natürlicherweise mit Regenwäldern bedeckt sind. Ölpalmen gehören also in diese Ökosysteme, wenn auch ursprünglich wohl nur in Afrika und natürlich nicht in Form gigantischer Monokulturen, die keinen Platz für die riesige Vielfalt des Lebens dieser Regionen lassen. In dieser extremen Form hat ihr Anbau bedenkliche Folgen für die Biodiversität.
WAS IST BIODIVERSITÄT?
Biodiversität bezeichnet die Vielfalt des Lebens auf unserem Planeten. Dazu gehören die genetische Vielfalt innerhalb einer Art, die Vielfalt von Tier- und Pflanzenarten sowie die Vielfalt von Ökosystemen und ihren Dienstleistungen. Biodiversität ist also weit mehr als die Summe aller Arten. Der Einfachheit halber spricht man oft nur von Artenvielfalt. Das ist aber weder wissenschaftlich korrekt noch wird es der Bedeutung biologischer Vielfalt für uns gerecht. Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen sind nicht nur die Grundlage unseres Lebens, sondern auch die Basis allen wirtschaftlichen Handelns.
In den tropischen Regenwäldern findet sich der weltweit höchste Grad an Biodiversität. Obwohl die tropischen Regenwälder heute etwa 5 % der Landfläche der Erde ausmachen (ursprünglich 12 %) beherbergen sie mindestens 50 % aller lebenden Tier- und Pflanzenarten – nach Schätzung mancher Experten sogar bis zu 90 %. Geschätzte 40 bis 75 % aller Tier- und Pflanzenarten kommen ausschließlich in Regenwäldern vor. Verschwinden diese Lebensräume, verlieren wir diese Arten ebenfalls unwiederbringlich.
Die tropische Vielfalt des Lebens basiert dabei nicht auf fruchtbaren Böden, denn gerade in den Tropen sind diese arm an Nährstoffen. Vielmehr befinden sich die meisten Nährstoffe in einem permanenten Kreislauf von Wachsen und Vergehen. Werden Regenwälder zerstört, bricht dieser Kreislauf zusammen. Ertragreiche Landwirtschaft mit Monokulturen ist dann nur über wenige Jahre möglich, bis die Böden völlig ausgelaugt sind. Während sich der landwirtschaftliche Raubbau an der Natur also immer neue Flächen sucht, bleiben zerstörte Gebiete zurück. Der Verlust an Biodiversität ist unumkehrbar; und auch die Fähigkeit, große Mengen CO2 zu speichern und immer wieder fruchtbare Böden zu generieren, haben nur natürliche Wälder.
Die Rodung von Regenwäldern für den Ölpalmenanbau zerstört jedoch nicht nur die Biodiversität und setzt CO2 frei. Regenwälder generieren eine Vielzahl weiterer sogenannter Ökosystemdienstleistungen, also ganz verschiedenen Nutzen, den wir aus ihnen ziehen. Zu diesen Leistungen gehören die Bereitstellung von Rohstoffen, die Reinerhaltung der Luft, die Regulation des globalen Klimas, der globalen Wasserhaushalte und der Niederschlagsregime. Tropische Regenwälder beherbergen zudem immer noch eine Vielzahl an bislang unbekannten Tier- und Pflanzenarten, darunter vermutlich auch solche, die Grundlage neuer Medikamente, Nahrungsmittel, Werkstoffe oder anderer für uns wertvoller Materialien werden können. Zudem sind Regenwälder die Heimat vieler Millionen Menschen, darunter kleiner vom Aussterben bedrohter und auf sie unmittelbar angewiesener Völker. Werden Regenwälder weiterhin so massiv gerodet, wird dies auch massive Auswirkungen auf das globale Klima und vor allem auf die Handlungsoptionen zukünftiger Generationen haben. Welche ökologischen, sozialen und ökonomischen Effekte das haben wird, können wir heute nur begrenzt abschätzen, aber alle Szenarien, die von einer weiteren Zerstörung der Regenwälder ausgehen, zeichnen ein düsteres Bild.
WIE VIELE ARTEN GIBT ES?
So einfach diese Frage klingt, sie ist vermutlich das größte verbliebene Rätsel der Biologie und steht für eine der größten Wissenslücken in den Naturwissenschaften generell. Bis heute wurden geschätzte 1.737.248 Tier- und Pflanzenarten beschrieben.
1 Schätzen müssen Wissenschaftler diese Zahl deshalb, weil es keine zentrale Datenbank zur Erfassung aller wissenschaftlich beschriebenen Tier- und Pflanzenarten gibt. Noch größer ist die Unsicherheit darüber, wie viele Arten es wohl insgesamt auf unserem Planeten gibt. Hochrechnungen schwanken zwischen knapp 9 und gut 13 Millionen Arten. Mindestens zwei Drittel aller Arten, mit denen wir unsere Erde teilen, sind also noch unbeschrieben. Selbst bei relativ gut bekannten Gruppen wie etwa den Säugetieren klafft noch eine Lücke: Nach neuesten Forschungsergebnissen harren noch 5 % der Säugetierarten ihrer wissenschaftlichen Beschreibung.
Weniger Unsicherheit besteht leider beim Ausmaß der momentanen Vernichtung von Biodiversität. Experten sind sich einig, dass wir Biodiversität in einem nie dagewesenen Tempo verlieren. Genetische Vielfalt erodiert, weil Populationen immer kleiner werden. Heute lebende Löwen machen nur noch etwa 10 % der Population von vor 100 Jahren aus, heute lebende Blauwale weniger als 1 % ihrer Ursprungspopulation. Auch Artenvielfalt verschwindet, indem Arten komplett aussterben. Das geschieht zurzeit mit einer Rate, die etwa 1.000-mal über der natürlichen Aussterberate liegt. Immer mehr geht es auch kompletten Ökosystemen an den Kragen. Tropische Korallenriffe, Bergregenwälder oder Mangroven stehen ganz oben auf der Liste bedrohter Lebensräume.
Regenwälder sind Allgemeingüter, die in der Regel Staaten, sehr selten einzelnen Personen, lokalen Gemeinschaften oder Unternehmen gehören. Das macht sie anfällig für Übernutzung, weil jeder so viel nimmt, wie er kann – auch aus Angst, dass später nichts mehr da sein könnte, wenn andere zu viel nehmen. Dieses bizarre Phänomen der »tragedy of the commons« (auf Deutsch der »Tragödie der Allmende«) kommt beispielsweise auch bei der Überfischung der Weltmeere zum Tragen.
Von der Existenz von Regenwäldern profitieren wir alle, für ihren Erhalt wird aber niemand zur Kasse gebeten. Als Allgemeingüter werden diese Regenwälder nicht ihrem Nutzen entsprechend in Wert gesetzt, das heißt, die von ihnen erbrachten Ökosystemdienstleistungen werden zwar in Anspruch genommen, nicht aber bezahlt. Wird in armen Ländern Regenwald gerodet, ist bei uns die Empörung groß, wird an unsere Tür geklopft, um große Geldmengen für den Schutz der Wälder zu akquirieren, bleiben unsere Geldbörsen aber eher verschlossen. Hieraus ergibt sich wenig Anreiz für Nationalstaaten, die Regenwälder zum Wohle aller zu erhalten; gleichzeitig steigt ihre Bereitschaft, Regenwälder zugunsten anderer Nutzungsformen zu zerstören, wenn sich daraus direkte staatliche oder privatwirtschaftliche Gewinne generieren lassen.
Abgeholzter Regenwald in der indonesischen Provinz Riau.
Auch wenn ökologische, soziale und langfristig auch wirtschaftliche Aspekte für den Erhalt von Regenwäldern und gegen ihre Vernichtung zugunsten von Ölpalmplantagen (oder anderen Nutzungsformen) sprechen, stehen die kurzfristigen Zeichen schlecht. Zu sehr herrscht ein Ungleichgewicht der Realisierung großer privatwirtschaftlicher Gewinne für Wenige und der Vermeidung großer Kosten für Viele. Selbst wenn andere Flächen wie ehemalige Viehweiden oder anderweitig genutzte Plantagen zur Verfügung stehen, werden zumeist Regenwälder gerodet, um neue Ölpalmplantagen zu errichten. Dies geschieht aus einem einfachen Grund: Der Verkauf des bei der Rodung anfallenden Holzes schlägt privatwirtschaftlich mit bis zu 10.000 US-Dollar pro Hektar zu Buche. Damit ist die Kombination aus Kahlschlag und Ölpalmplantage die lukrativste »Waldnutzungsform« in den Tropen. Hinzu kommt, dass Gewinne durch den Holzeinschlag schon generiert werden, bevor die Ölpalmplantage produktiv wird.
2 So muss kein Unternehmen oder Investor darauf warten, dass Palmöl produziert wird, bevor Gewinne sprudeln. Selbst wenn die Ölpalmplantage nie produktiv, ja vielleicht sogar nie gepflanzt wird, werden Gewinne erzielt. Das finanzielle Risiko ist dadurch minimal, wodurch auch der Antrieb verringert wird, eine gut gemanagte Plantage dauerhaft zu etablieren. Im Ergebnis bedeutet dies, dass immer erst mal gerodet und Holz vermarktet wird, egal, was danach mit der Fläche passiert.
Es ist nicht immer einfach zu bemessen, welcher Regenwaldverlust direkt auf das Konto neu errichteter Ölpalmplantagen geht und in welchen Fällen Ölpalmplantagen anderen Nutzungsformen wie dem Holzeinschlag für die Papierherstellung oder der Weideviehhaltung folgen. Einige wissenschaftliche Studien haben sich aber genau dieses Themas angenommen und sind dabei zu erschreckenden Ergebnissen gekommen. So konnten in Malaysia 87 % der Entwaldung zwischen den Jahren 1985 und 2000 direkt dem Errichten von Ölpalmplantagen zugeschrieben werden.
3 Ölpalmplantagen tragen zudem indirekt zu weiterer Regenwaldzerstörung bei, etwa weil Straßen zu den Plantagen generell den Zugang zu bislang intakten angrenzenden Regenwaldflächen erleichtern und damit ein Einfallstor für den illegalen Holzeinschlag oder die Wilderei öffnen. Wenn Ölpalmplantagen andere landwirtschaftliche Nutzungsformen wie die Produktion von Lebensmitteln verdrängen, weichen diese gegebenenfalls ebenfalls auf noch ungestörte Regenwaldflächen aus. Auch dieser Verdrängungskampf befördert die Zerstörung von intakten Regenwaldgebieten.
Insgesamt sind Ölpalmplantagen mittlerweile die Landwirtschaftsform mit den flächenmäßig größten Zuwachsraten weltweit. Die Anbaufläche beträgt schon heute über 20 Millionen Hektar – Flächen, auf denen eigentlich tropischer Regenwald stehen würde. Landnutzungsänderungen, wie sie die Umwandlung von...