E-Book, Deutsch, 352 Seiten
Witzmann / Müller Akutpsychiatrische Pflege
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-456-76285-2
Verlag: Hogrefe AG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Praxishandbuch für Pflegefachpersonen, Fachpflegende und ANPs
E-Book, Deutsch, 352 Seiten
ISBN: 978-3-456-76285-2
Verlag: Hogrefe AG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das Praxishandbuch zur Akutpsychiatrischen Pflege stellt praxis-orientiert und pflegewissenschaftlich fundiert Pflegekonzepte vor, mit denen der herausfordernde Pflegealltag in der akutpsychiatrischen Versorgung bewältigt werden kann. Die erfahrenen Autor*innen
- beschreiben Grundlagen der psychiatrischen Akutpflege bezüglich ethischer, historischer, klassifikatorischer, organisatorischer, pflegewissenschaftlicher und psychosozialer Aspekte
- bündeln spezifisches Wissen zur akutpsychiatrischen Pflege bezüglich pflegerischer Expertise und Rollen, Pflegewissens-formen, dem Pflegeprozess und den Aufgaben der Pflege im Rahmen der Psychopharmakatherapie
- erläutern zentrale Pflegekonzepte von Achtsamkeit und Aggression, über Angst, Beziehung, Genuss und herausfor-derndem Verhalten bis hin zu Kontrollorientierung, Kommuni-kation, Krisen, Langeweile, Psychoedukation, Recovery, Sexualität, Sinnfindung, Sozialkompetenz und Stimmenhören
- bieten Möglichkeiten, um eigene Haltungen, Rollen und Wertmaßstäbe in der Begleitung akut seelisch erkrankter Menschen zu entwickeln und zu reflektieren
- beschreiben Elemente des Pflegemanagements in der akutpsychiatrischen Pflege bezüglich Stationsmanagement, Teamarbeit sowie ambulanten und konsiliarischen Diensten
- differenzieren Settings und Handlungsfelder psychiatrischer Akutversorgung und stellen diese als Teil des psychiatrischen Versorgungssystems dar mit Gestaltungsmöglichkeiten, innovativen Ansätzen und zukünftigen Entwicklungen.
Zielgruppe
Pflegefachpersonen, psychiatrisch Fachpflegende
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
Weitere Infos & Material
|27|2 Psychiatrische Erkrankungen – Heute
Hanna Batzoni, Monika Brönner und Elisa Kutsch Das folgende Kapitel gibt einen kurzen Überblick über den diagnostischen Prozess bei psychischen Erkrankungen und damit verbundenen wichtigen pflegerischen und medizinischen Werkzeuge wie etwa die Anamnese oder psychopathologische Befunde. Außerdem vermittelt das Kapitel einen Überblick über medizinische und pflegerische Klassifizierungssysteme, welche dazu beitragen auf (inter-)nationaler Ebene eine einheitliche Sprache bzw. Kommunikationsebene zwischen verschiedenen Disziplinen zu schaffen und Diagnosen, Interventionen und Ergebnisse systematisch erfassen zu können. Außerdem wird kurz erläutert, welche Bedeutung und Relevanz Daten und Statistiken im Bereich der Medizin und der Pflege sind und wie die Klassifizierungssysteme hierbei unterstützen. Das Ziel dieser Ausführungen ist es, ein Verständnis dafür zu entwickeln und zu erkennen, warum der Einsatz und die Anwendung der verschiedenen Klassifizierungssysteme, standardisierter Instrumente, Daten und Statistiken einen Mehrwert für die einzelnen Disziplinen in Medizin und Pflege, aber auch für deren gemeinsame Arbeit darstellt. Eine Kurzbeschreibung der Psychopathologie und der Verlauf von psychiatrischen Störungsbildern rundet das Kapitel ab. 2.1 Diagnostik psychischer Erkrankungen
Monika Brönner Der Begriff „Diagnose“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Entscheidung“ bzw. „Urteil“. In der Medizin wird darunter das Erkennen und Benennen einer Krankheit verstanden. Die Diagnostik ist der Weg zur Diagnose oder auch der Untersuchungsgang. Zu den diagnostischen Verfahren gehören insbesondere die Befragung oder Exploration (Anamnese), standardisierte Befragungsinstrumente, körperliche und apparative sowie Labor-Untersuchungen. In der Psychiatrie nimmt die Anamnese einen besonderen Stellenwert ein. 2.2 Psychiatrische Anamnese
Zur Anamneseerhebung gehören die aktuellen Vorstellungsgründe und Symptome (aktuelle Anamnese), die psychiatrische und somatische Krankheitsvorgeschichte, die Suizidanamnese, die Suchtanamnese, die Medikamentenanamnese, die Familienanamnese (psychische Erkrankungen bei Eltern, Geschwistern), die Sozialanamnese bzw. Biografie, die Fremdanamnese und der psychopathologische Befund. |28|Standardisierte Befragungsinstrumente Testpsychologische Erhebungsinstrumente (Fragebögen) zur Eigen- und Fremdbeurteilung ergänzen die Anamnese. Körperliche, apparative und Laboruntersuchungen Diese Untersuchungen dienen sowohl der Objektivierung organischer psychischer Störungen (z.?B. demenzielle Erkrankungen) als auch dem Ausschluss körperlicher Erkrankungen (z.?B. Hirntumor). Der psychopathologische Befund Unter Psychopathologie versteht man die Lehre von den psychischen Erkrankungen. Der psychopathologische Befund ist das Kernstück der psychiatrischen Anamnese-Erhebung und fasst Symptome und Syndrome zusammen. Dabei wird unterschieden zwischen den Symptomen subjektiver Art (= Beschwerden, z.?B. Schlafstörungen) und objektiver Art (von außen zu erkennen, z.?B. Tremor). Unter Syndromen versteht man charakteristische, miteinander verbundene Muster von Symptomen und Zeichen. Auf Grundlage des psychopathologischen Befundes wird eine (Verdachts-)Diagnose gestellt (Tab. 2-1). Symptom Syndrom Diagnose Niedergeschlagenheit Depressives Syndrom Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode (ICD10: F33.2) Zur (internationalen) Vereinheitlichung der psychiatrischen Diagnostik wurde von der Arbeitsgemeinschaft für Methodik und Dokumentation in der Psychiatrie ein Manual zur Dokumentation psychiatrischer Befunde entwickelt, das sog. AMDP-System (Tab. 2-2). Das AMDP-System besteht aus einem Glossar aus 100 psychopathologischen Einzelsymptomen (gegliedert in verschiedene Bereiche) und aus mehreren Ratingbögen zur standardisierten Erfassung eines Befundes. Zur diagnostischen Einordung existieren die beiden Klassifikationssysteme, die „International Classification of Diseases (ICD)“ der WHO und das „Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM)“ der American Psychiatric Association (APA). Die ICD der WHO ist weltweit anerkannt und dient der Diagnoseklassifikation und Verschlüsselung von Erkrankungen. Am 1. Januar 2022 trat die elfte Version (ICD-11) in Kraft, in deutscher Sprache liegt aktuell lediglich eine Entwurffassung vor. Während einer mindestens fünfjährigen Übergangszeit kann sowohl nach der aktuell bestehenden zehnten Version (ICD-10) als auch nach ICD-11 kodiert werden. Die Systematik der psychischen Störungen ist seit der achten Revision Bestandteil der ICD und in der zehnten Revision im fünften Kapitel unter dem Buchstaben F zu finden (Tab. 2-3). Das nationale DSM der US-amerikanischen Psychiater-Vereinigung wird in der aktuellen fünften Revision vor allem bei wissenschaftlichen Untersuchungen verwendet. Es enthält teilweise genauere und speziellere diagnostische Kriterien als die ICD. Zur diagnostischen Einordnung wird heute in beiden Klassifikationssystemen rein deskriptiv nach Symptomatik, Schweregrad und Verlauf vorgegangen. Grundlage bildet die Operationalisierung, die unabhängig von ätiologischen Vorannahmen mit Ein- und Ausschlusskriterien sowie Kriterienverbindungen für jede Diagnose arbeitet. Weitere Merkmale sind das Prinzip der Multiaxialität und der Komorbidität Multiaxialität: Zusätzlich zur Achse der klinischen Diagnosen bzw. Störungen gibt es weitere Achsen (z.?B. soziale Funktionseinschränkungen), die eine genauere Beurteilung ermöglichen. Komorbidität: Verschiedene psychische Störungen können parallel oder auch überschneidend vorkommen. Bewusstseinsstörungen z.?B. Bewusstseinstrübung Orientierungsstörungen z.?B. zeitliche Orientierungsstörungen Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen z.?B. Konzentrationsstörungen Formale Denkstörungen z.?B. inkohärent/zerfahren Befürchtungen und Zwänge ...