E-Book, Deutsch, 203 Seiten
Wie viele Götter sind im Himmel? Religiöse Differenzwahrnehmung im Kindesalter
1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-8309-7391-1
Verlag: Waxmann Verlag GmbH
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
E-Book, Deutsch, 203 Seiten
ISBN: 978-3-8309-7391-1
Verlag: Waxmann Verlag GmbH
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Im Zentrum dieses Bandes steht die Frage, wie Kinder religiöse Unterschiede wahrnehmen. Der Schwerpunkt liegt bei Kindern in Kindertagesstätten. Gefragt wird nach der Situation, in der Kinder häufig erstmals in dauerhafter Form mit anderen Kindern zusammen sind, die andere kulturelle und religiöse Hintergründe aufweisen als sie selbst. Bislang haben die empirische Forschung ebenso wie die Bildungs- und Sozialpolitik diesen Aspekt im Aufwachsen der Kinder fast durchweg ausgespart. Angesichts einer zunehmend multireligiösen Gesellschaft kann es nicht mehr einleuchten, die Fragen einer interreligiösen Bildung und damit auch der religiösen Differenzwahrnehmung im Kindesalter auszublenden.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;Inhalt;6
2;Mein Gott – Dein Gott, kein Gott? Religionen in Kitas erleben;8
3;Zur Einleitung;10
4;Teil 1: Interreligiöse Differenzwahrnehmung im Kindesalter – Befunde, Diskussionen, Perspektiven;14
4.1;Interkulturelle und interreligiöse Bildung in Kindertagesstätten;16
4.1.1;Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt im Überblick;16
4.1.2;1. Hintergründe: Interreligiöse Bildung in Kindertagesstätten als übergangene Herausforderung;16
4.1.3;2. Das Pilotprojekt;18
4.1.4;3. Das Gesamtprojekt: Kinder, Kindertagesstätten, Eltern und Erzieherinnen;20
4.1.5;4. Ausblick;22
4.2;Religiöse Differenzwahrnehmung im Kindesalter;24
4.2.1;Befunde aus der empirischen Untersuchung im Überblick;24
4.2.2;1. Zur Fragestellung;24
4.2.3;2. Design und Untersuchungsmethode;27
4.2.4;3. Ausgewählte Befunde im Überblick;29
4.2.5;4. Zusammenfassung;37
4.2.6;5. Pädagogische und religionspädagogische Herausforderungen;38
4.3;Religiöse und kulturelle Unterschiedlichkeit als pädagogische Herausforderung im Elementarbereich. Eine jüdische Perspektive;40
4.3.1;1. Zur Ausgangslage: Jüdisches Leben in Deutschland;40
4.3.2;2. Über den Zusammenhang von jüdischer und interreligiöser/ interkultureller Pädagogik;41
4.3.3;3. Interkulturelle Erziehung in einer jüdischen Kindertagesstätte;42
4.3.4;4. Abschließende Bemerkungen über interreligiöse/kulturelle pädagogische Zugänge und Handlungsformen;47
4.4;Religiöse Differenzwahrnehmung im Kindesalter;52
4.4.1;Eine islamische Perspektive;52
4.5;Die Erfahrung religiöser Differenz in der Kindertagesstätte – ein Kommentar aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive;62
4.5.1;1. Religiöse Differenzerfahrung (k)ein Thema für die Erziehungswissenschaft?;62
4.5.2;2. Aspekte der erziehungswissenschaftlichen Diskussion um frühkindliche Bildung;64
4.5.3;3. Interreligiosität und Interkulturalität als sozial konstituierte Bereiche;73
4.5.4;4. Schlussbemerkung;76
4.6;Children’s Faith – a Matter of Morality?;78
4.6.1;Ethical Perspectives on Faith and Culture, Examples From Norwegian Case Studies 1. Introduction;78
4.6.2;2. Conceptual and Methodological Challenges Concerning Children’s Faith;79
4.6.3;3. Faith and “Childhood Teaching” (Case 1);82
4.6.4;4. Children’s Faith is Existential Trust;83
4.6.5;5. Faith and Morality Interrelated or Mixed;85
4.6.6;6. Links Between Faith and Morality in Kindergarten (case 2);87
4.6.7;7. Concluding Theses;89
4.7;Der Andere – fast so wie ich? Der Unterschied zwischen dem Ich und dem Anderen aus der Sicht von Kindergartenkindern;90
4.7.1;1. Narrative Identitätsentwicklung und die Rolle des Anderen;91
4.7.2;2. Nussbaum und die kognitive Struktur der Emotionen;97
4.7.3;3. Verhofstadt-Denève und die Position des Anderen und des Ichs;98
4.7.4;4. Untersuchung;98
4.7.5;5. Empfehlung;104
4.8;Interreligiöse Bildung – bildungstheoretische Perspektiven;106
4.8.1;1. Interreligiöse Bildung und Selbstwerdung im Kindesalter;107
4.8.2;2. Dimensionen interreligiöser Bildung: Konzeptualisierung für Empirie und Praxis;111
4.8.3;3. Bildungspolitische Fragen zwischen Gesellschaft, Trägerstrukturen und Elternrecht;114
4.8.4;4. Interreligiöse Bildung und die Praxis in Kindertagesstätten;117
4.8.5;Teil 2: Die Tübinger Studie;120
5;Teil 2:Die Tübinger Studie;120
5.1;Religiöse Differenzwahrnehmung im Kindesalter;122
5.1.1;Eine qualitativ-empirische Untersuchung mit Kindern im Alter zwischen 4 und 6 Jahren;122
5.1.2;1. Theoretische Hintergründe in Psychologie, Pädagogik und Religionspädagogik – Zum Stand der Forschung;123
5.1.3;2. Zielsetzung der Untersuchung;140
5.1.4;3. Vorgehensweise und Untersuchungsmethoden;142
5.1.5;4. Ergebnisse;151
5.1.6;5. Diskussion;187
5.1.7;6. Pädagogische Implikationen;192
6;Anhang;196
6.1;Interviewleitfäden;196
6.2;Autorinnen und Autoren;202
Der Andere – fast so wie ich? Der Unterschied zwischen dem Ich und dem Anderen aus der Sicht von Kindergartenkindern (S. 89-90)
Lernen, mit dem Anderen umzugehen, ist eine wichtige Eigenschaft bei der Entwicklung von Kindern, die in Gemeinschaften aufwachsen, die durch Pluralität gekennzeichnet sind. Die Begegnung mit dem Anderen erzeugt verschiedene Emotionen – von offener Neugier bis hin zu abwehrender Angst. Die Annäherung des Anderen ist je nach Alter des Kindes von der Suche nach Übereinstimmungen und dem Entdecken der Unterschiede gekennzeichnet.
Die philosophische Sicht der kognitiven Struktur von Emotionen der Philosophin Martha Nussbaum hat gemeinsam mit der phänomenologisch-dialektischen Sicht der Entwicklungspsychologin Leni Verhofstadt-Denève zu einem Untersuchungskonzept geführt, bei dem Untersucher und Kind (als Mituntersucher/Co-Researcher) die Begegnung mit dem Anderen repräsentieren und erkunden.
Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass für Kleinkinder die Ausstrahlung des Anderen eine wichtige Voraussetzung ist, um eigene Anstrengungen zur Vertiefung des Kontaktes zu zeigen. Bei Kontakten zu dem Anderen greifen sie dann auf frühere Erfahrungen zurück (soziales Kapital) und bei gemeinsamen Spielaktivitäten sind ihnen für die Aufrechterhaltung des Kontaktes zu dem Anderen Übereinstimmungen wichtig. Die Untersuchungsmethode bietet eine interessante Perspektive für Unterrichtsaktivitäten, um zu lernen, mit dem Anderen umzugehen.
Im vorliegenden Beitrag zeige ich zunächst anhand eines konkreten Beispiels auf, was es für das Kind bedeutet, dem Anderen zu begegnen. Als Ausgangspunkt bediene ich mich der Theorie der narrativen Identitätsentwicklung1 und der Position des „signifi kanten Anderen“ in der Identität einer Person2 sowie der Empfi ndungen, die die Begegnung mit dem Anderen erzeugen kann.
Im Weiteren beschreibe ich das Untersuchungsziel sowie die Vorgehensweise und zeige einige unserer Untersuchungsergebnisse auf. Abschließend nehme ich Bezug auf die Ergebnisse und nenne einige konkrete Vorschläge für die Unterweisung im Umgang mit dem Anderen, das bedeutet: Lernen, zusammen zu leben.
Jochem: ein konkretes Beispiel Im niederländischen Bildungssystem muss jedes Kind ab vier Jahren die Gruppe 1 der Grundschule besuchen.
Die Gruppen 1 und 2 sind die Vorschulgruppen, was dem deutschen Kindergarten entspricht. In den vergangenen Jahren ist es üblich geworden, dass Kinder im Monat vor ihrem vierten Geburtstag einen Tag lang ihre künftigen Lehrer und Klassen besuchen. Jochem, ein Junge, der gerade vier Jahre alt geworden ist, war also einen Tag in der Schule zu Besuch: Jochem freut sich auf morgen, denn dann geht er in eine echte Schule! Er hat zusammen mit seiner Mutter die Tage gezählt und freut sich riesig auf diesen Tag. An der Hand seiner Mutter läuft Jochem mit seiner Lieblingsdecke in der Hand fröhlich und voller Vertrauen in seine neue Klasse.