Waltari / Ludden In diesem Zeichen
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-86346-254-3
Verlag: Kuebler
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection
Elf Briefe des Marcus vom Frühjahr des Jahres 30 n.Chr. um die Kreuzigung und Auferstehung Jesu
E-Book, Deutsch, Band 6, 440 Seiten
Reihe: Mika Waltaris historische Romane
ISBN: 978-3-86346-254-3
Verlag: Kuebler
Format: PDF
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Der wohlhabende und gebildete römische Patrizier Marcus Mezentius Manilianus kommt auf seiner Reise durch den Osten des Römischen Reiches über Alexandria nach Jerusalem, wo er im Frühling des Jahres 30 nach christlicher Zeitrechnung eintrifft, am gleichen Tag, an dem dort ein gewisser Jesus aus Nazareth gekreuzigt wird. In einer Reihe von Briefen, die er an seine ehemalige Geliebte Tullia in Rom richtet, versucht Marcus, sich über diesen Jesus klar zu werden: Wer war dieser 'König der Juden', und worin besteht sein Geheimnis? Zu diesem Zweck sucht Marcus auch den Kontakt zu den Jüngern des Gekreuzigten. ? In diesem packenden historischen Roman schildert Waltari seine Sicht von der Entstehung des Christentums. Der Bogen spannt sich von der Kreuzigung und Auferstehung Jesu bis hin zu den Ereignissen um Pfingsten. 'In diesem Zeichen' bildet den Auftakt zu einer Trilogie: In dem folgenden Doppelroman 'Minutus der Römer' stehen dann Marcus' Sohn Minutus und sein Enkel Julius im Mittelpunkt.
Mika Waltari (1908 -1979) gehörte zu den produktivsten finnischen Autoren des 20. Jahrhunderts. Er ist in seiner finnischen Heimat nach wie vor äußerst populär und hat dort den Status eines modernen Klassikers. Sein Werk umfasst rund hundert Titel, darunter Romane, Erzählungen, Theaterstücke, Reiseberichte, Drehbücher und Hörspiele. Im Ausland wurde er besonders durch seine historischen Romane bekannt, denen oftmals der Sprung auf die Bestsellerlisten gelang (Sinuhe der Ägypter, Michael der Finne, Michael Hakim, Johannes Angelos, Turms der Unsterbliche, Minutus der Römer und andere). Sie zeichnen sich sämtlich durch sorgfältige Recherche aus schildern auf packende Weise menschliche Schicksale in verschiedenen Epochen.
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I Marcus Mezentius grüßt Tullia In meinem vorigen Brief, Tullia, schrieb ich dir von den Reisen, die mich den Strom Ägyptens entlang führten. Bis zum Einbruch der Herbststürme habe ich vergebens auf dich gewartet und bin dann den Winter über in Alexandria geblieben. Die Liebessehnsucht machte mich kindisch; kein noch so reicher Kaufmann und kein noch so neugieriger Bummler hätte bei jeder Einfahrt von Seglern aus Ostia oder Brundisium eifriger zum Hafen eilen können. Solange noch Schiffe verkehrten, habe ich mich Tag für Tag am Hafen herumgetrieben, sodass ich schließlich mit meinen Fragen den Wächtern, Zöllnern und Hafenbeamten lästig fiel. Sicherlich ist dabei mein Wissen bereichert worden, und ich habe vielerlei über ferne Länder erfahren. Aber wer lange vergebens auf das Meer hinausgeblickt hat, dem beginnen schließlich die Augen zu tränen; als das letzte Schiff eingelaufen war, musste ich mir gestehen, dass du wortbrüchig geworden bist. Es ist jetzt ein Jahr her, Tullia, seit wir uns das letzte Mal sahen; und nun stellt sich heraus, dass du mich damals mit falschen Beteuerungen und Zusagen dazu gebracht hast, Rom zu verlassen. Ich war von Bitterkeit erfüllt, als ich dir jenen Brief schrieb, worin ich dir für immer Lebewohl sagte und die Absicht kundtat, nach Indien – dort herrschen in fremdartigen Städten noch heute griechische Könige, Abkömmlinge der Heerführer Alexanders – auszuwandern. Doch schon neige ich zur Annahme, dass es mir mit dem, was ich schrieb, kaum Ernst gewesen sein mag; ich konnte einfach den Gedanken nicht ertragen, dich, Tullia, niemals mehr wiedersehen zu sollen. Ein Mann, der das dreißigste Lebensjahr hinter sich hat, darf nicht mehr der Sklave seiner Liebe sein. Ich bin bestimmt ruhiger geworden und die Flammen der Leidenschaft lodern nicht mehr so hoch. In Alexandria hatte meine Unrast mich in zwielichtige Gesellschaft getrieben, und dieses Leben hat meiner Gesundheit sehr zugesetzt. Ich bedaure das nicht; niemand kann den Lauf der Dinge rückgängig oder Getanes ungeschehen machen. Aber da nichts mich befriedigen konnte, weiß ich jetzt umso bestimmter, dass ich dich liebe. Deshalb möchte ich dich daran mahnen, geliebte Tullia, dass eines Tages auch deine blühende Jugendlichkeit welken, Dein glattes Gesicht Runzeln bekommen und der Blick deiner Augen sich trüben wird, dass dir die Haare ergrauen und die Zähne ausfallen werden. Vielleicht wird es dir dann leidtun, deine Liebe dem Ehrgeiz und politischem Einfluss geopfert zu haben. Denn dass du mich liebtest, davon bin ich überzeugt. An deinen Schwüren kann ich nicht zweifeln; sonst würde mir nichts auf dieser Welt jemals mehr etwas bedeuten. Du hast mich geliebt; ob du es aber noch tust, weiß ich nicht. In meinen besseren Augenblicken glaube ich, dass du wirklich nur mir zuliebe – um mich vor Gefahren zu schützen, die mein Eigentum und vielleicht sogar mein Leben bedrohten – mich mit trügerischen Versprechungen bewogen hast, Rom zu verlassen. Ich wäre nie gegangen, wenn du mir nicht geschworen hättest, auch nach Alexandria zu kommen und den Winter dort mit mir zu verbringen. Viele andere hochgestellte Damen sind schon, ohne ihre Ehemänner, für den Winter nach Ägypten gereist und werden es, falls meine Kenntnis der Römerinnen mich nicht ganz täuscht, auch weiterhin so halten. Jetzt, da der Schiffsverkehr wieder aufgenommen wurde, hättest du heimfahren können. Eine Reihe von Monaten aber wären wir beisammen gewesen, Tullia. Stattdessen habe ich mir während dieser Monate Körper und Geist zerrüttet. Eine Zeitlang war ich auf Reisen, bis ich es müde wurde, deinen Namen und meine Liebe auf uralten Denkmalen und Tempelsäulen einzuritzen. Aus lauter Überdruss ließ ich mich sogar in die Isis-Mysterien einweihen; aber offenbar war ich älter und verhärteter als in jener unvergesslichen Nacht zu Baiae, da wir beide, du und ich, uns dem Dionysos weihten. Die damalige Verzückung blieb mir nun versagt. Ich vermochte nicht, diesen Priestern mit ihren kahlgeschorenen Köpfen Glauben zu schenken. Nachher hatte ich bloß die Empfindung, ein sehr belangloses Stückchen Wissen weit überzahlt zu haben. Denke indessen keineswegs, dass ich nur mit Isispriestern und ihren Tempelfrauen Umgang pflegte! Auch mit Schauspielern und Sängern habe ich Bekanntschaften geschlossen und sogar mit Stierkämpfern aus der Arena. Ferner habe ich mir einige alte griechische Theaterstücke angesehen, die es wert wären, dass jemand sie, wenn ihn nach dieser Art Ruhm gelüstet, ins Lateinische übersetzt und für unsere Bühnen bearbeitet. Ich erwähne das alles, um zu zeigen, dass mir die Monate in Ägypten nicht zu lang wurden. Alexandria ist eine Weltstadt – verfeinerter, abgelebter, kräfteverschleißender als Rom. Immerhin habe ich die meiste Zeit im Museion verbracht, in der Bibliothek nahe dem Hafen. Eigentlich handelt es sich um eine Anzahl von Bibliotheken und Forschungseinrichtungen, um eine Gebäudegruppe, die ein ganzes Stadtviertel bildet. Die alten Beamten dort, die noch in der Vergangenheit leben, haben mir darüber geklagt, wie armselig die Büchersammlung jetzt sei; nie mehr könne sie ihren alten Glanz wiedergewinnen, seit Julius Cäsar hier belagert wurde und die ägyptische Flotte im Hafen in Brand schoss. Bei diesen Kämpfen gingen auch einige Bibliotheksgebäude in Flammen auf und mit ihnen an die hunderttausend unersetzliche Bücherrollen mit Werken der alten Schriftsteller. Trotzdem brauchte ich Wochen, ehe ich auch nur die Kataloge benützen lernte und den Dingen, nach denen ich forschte, auf die Spur kam. Es gibt allein Zehntausende von Rollen mit Anmerkungen zur Ilias, gar nicht zu reden von den in je einem eigenen Gebäude untergebrachten Kommentaren zu Plato und Aristoteles. Darüber hinaus liegen hier zahllose Rollen, die nie in einem Katalog verzeichnet und wahrscheinlich seit ihrer Aufnahme in die Sammlung kaum je von einem Menschen gelesen wurden. Aus naheliegenden politischen Erwägungen gaben die Beamten sich keine besondere Mühe, mir die alten Weissagungen zugänglich zu machen oder auch nur bei der Suche darnach zu helfen. Ich war gezwungen, mich auf Umwegen vorzutasten und das Vertrauen der Bibliothekare durch Geschenke und Bewirtungen zu gewinnen. Diese Leute sind kärglich entlohnt und selber vermögenslos, so wie gewöhnlich die großen Gelehrten und wie jene Männer, die Bücher höher schätzen als ihr Leben, höher als ihr Augenlicht. So gelang es mir schließlich, in verborgenen Winkeln der Bibliothek eine ganze Reihe teils berühmter, teils vergessener Prophezeiungen aufzustöbern. Natürlich wurden zu allen Zeiten und bei allen Völkern gleichartige Vorhersagen gemacht. Sie sind durchwegs dunkel und von ärgerlicher Vieldeutigkeit, wie die Aussprüche eines Orakels. Häufig habe ich, offen gestanden, diesen ganzen Kram beiseitegeschoben und mich in eine griechische Erzählung vertieft, mit ihrem unbeschwerten Geflunker über Reisen und Abenteuer. Und dann fasste mich das Verlangen, jene einander widersprechenden Prophezeiungen auf sich beruhen zu lassen und nach dem Muster dieser Fabeleien selbst ein Buch ganz eigener Erfindung zu verfassen. Aber trotz meiner Abkunft bin ich zu sehr Römer, um irgendetwas frei Erdachtes niederzuschreiben. In der Bibliothek gibt es auch Schriften über die Liebeskunst, bei deren Lektüre unser guter Ovid sich wie ein Waisenknabe vorgekommen wäre. Einige davon sind griechischen Ursprungs, andere stellen Übersetzungen alter ägyptischer Bücher ins Griechische dar, und ich weiß wirklich nicht, welchen der Vorzug gebührt. Aber wenn man ein paar dieser Bücher gelesen hat, bekommt man bald genug von ihnen. Seit den Tagen des göttlichen Augustus werden diese Werke in besonderen Geheimräumen verwahrt, und man darf sie nicht abschreiben. Auch das Lesen ist nur zu Forschungszwecken gestattet. Um jedoch auf die Prophezeiungen zurückzukommen – es gibt da alte und neue. Die alten hat man schon auf Alexander bezogen und jetzt selbstredend auch auf Caesar Augustus, der die Welt befriedet hat. Aus den verschiedenen Deutungen dieser Vorhersagen wird mir immer klarer, dass es für einen Gelehrten keine größere Versuchung gibt als die, solche Sprüche im Licht seiner eigenen Zeit und seiner eigenen Erwartung zu sehen. Trotzdem bin ich von einem überzeugt, und alles, was wir selbst erlebt haben, bestärkt nur diese Überzeugung, die sogar von den Sternen bekräftigt wird: die Welt tritt in eine neue Ära, deren Zeichen sie von allen vergangenen Zeitaltern unterscheiden. Diese Tatsache ist so klar und augenscheinlich, dass Astrologen in Alexandria und Chaldäa, Rhodos und Rom sich darüber einig sind; ihnen allen scheint es natürlich und sinnvoll, mit dem Sternbild der Fische die Geburt eines Weltherrschers in Verbindung zu bringen. Vielleicht ist damit Cäsar Augustus gemeint, der in den Provinzen schon bei Lebzeiten als Gott verehrt wurde. Aber wie ich dir in Rom erzählte, hat mein Pflegevater Marcus Manilius in seinem Werk Astronomica eine Konjunktion von Saturn und Jupiter in den Fischen erwähnt. Bei der Herausgabe seines Buches hat er zwar diesen Hinweis aus politischen Gründen gestrichen; aber auch in Ägypten beziehen die Sterndeuter sich auf diese Konstellation. Allerdings müsste der künftige Weltherrscher, wenn er damals zur Welt gekommen wäre, jetzt siebenunddreißig Jahre alt sein, und inzwischen hätte man sicherlich etwas von ihm gehört. ...