Schwerhoff | Der Bauernkrieg | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 724 Seiten

Schwerhoff Der Bauernkrieg

Eine wilde Handlung

E-Book, Deutsch, 724 Seiten

ISBN: 978-3-406-82181-3
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der Bauernkrieg von 1525 gilt als die größte Erhebung in Europa vor der Französischen Revolution. Er wurde als Aufstand für die Einheit der Deutschen, frühbürgerliche Revolution und Revolution des gemeinen Mannes gedeutet. Gerd Schwerhoff hat die Quellen neu gelesen und beschreibt anschaulich, was vor 500 Jahren geschah. Wer künftig über den Bauernkrieg mitreden will, wird an dieser fesselnden Darstellung nicht vorbeikommen.

Herbst 1524: Befeuert durch die Botschaft der Reformatoren beginnt im deutschen Südwesten ein Aufstand, der im Frühjahr 1525 fast den ganzen Süden des Reiches erfasst hat. Überall organisieren sich die Bauern und die mit ihnen sympathisierenden Stadtbewohner in großen «Haufen». Sie zerstören Klöster, brennen Burgen nieder und zwingen Herren, Grafen und sogar Fürsten in ihre «brüderliche Vereinigung». Fast überall fordern sie die Beseitigung der Kirche als weltlicher Machtfaktor. Die Herrschenden sind zunächst uneins, aber dann läuft die militärische Maschinerie des mächtigen Schwäbischen Bundes an ... Die Bauern verlieren entscheidende Schlachten, viele werden gnadenlos massakriert, aber einigen Herrschenden dämmert auch, dass pure Repression zu wenig ist. Zeitgenossen haben die Ereignisse als «wilde Handlung» wahrgenommen. Gerd Schwerhoff versteht es meisterhaft, den ganz unterschiedlichen Schauplätzen gerecht zu werden und ein neues farbiges Gesamtbild zu zeichnen. Die mit weitreichenden Deutungen übertünchten Ereignisse erscheinen so in ganz neuem Licht.
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Einleitung
Eine wilde Handlung Eine wilde Handlung» drohe ihnen vonseiten ihrer Bauern, so schrieben die adligen Brüder von Schellenberg Ende September 1524 aus Hüfingen, am südöstlichen Schwarzwaldsaum gelegen. Wenn man nichts dagegen unternehme, werde sich der Aufstand im ganzen Land ausbreiten.[1] Als «wild» qualifizierten die Junker hier zum einen die bevorstehenden Unruhen, die konspirativen Vorbereitungen und die befürchteten Ausschreitungen, zum anderen aber auch die Bauernakteure selbst: Ungebildet, ungebärdig und ungehorsam, verstünden diese «Wilden» nicht, dass die Herrschaftsordnung, gegen die sie sich auflehnen, von Gott aufgerichtet ist und überdies einer «vernünftigen» Hierarchie der Stände entspricht.[2] Wenn ich mir das Diktum der Adligen als Titel für ein Buch über den Bauernkrieg ausleihe, dann keineswegs in diesem abwertenden Sinn. Mir scheint «wild» eine überaus passende Charakterisierung zu sein für die komplexe, hochdynamische Abfolge von Interaktionen und Kommunikationen, die in der Zusammenschau als das historische Ereignis «Bauernkrieg» bezeichnet wird. Häufig erschien sie den Akteuren selbst unüberschaubar und unkalkulierbar. Warum beschäftigt sich das vorliegende Buch mit diesem Ereignis von 1525? Haben sich nicht bereits Generationen von Forschenden am Bauernkrieg abgearbeitet? Wird er nicht längst «zu den fundamentalen Ereignissen» der deutschen Geschichte gezählt, gleich, ob man ihn mit Leopold von Ranke als «größtes Naturereignis des deutschen Staates» begreift oder mit Friedrich Engels als den «großartigste(n) Revolutionsversuch des deutschen Volkes»?[3] Liegen nicht zahlreiche Überblicksdarstellungen vor, zuletzt jene, die im Umkreis des Bauernkriegsjubiläums von 1975 geschrieben wurden?[4] Nun, die bisher vorliegenden Darstellungen bieten zwar eine Fülle von Fakten, manchmal spannend rekonstruiert und bisweilen phantasievoll ausgeschmückt, manchmal trocken aneinandergereiht.[5] Keine organisiert jedoch das überreichlich vorhandene Wissen so, dass der Bauernkrieg als ein regional übergreifendes und zeitlich konzentriertes Ereignis plastisch vor den Augen der Leser entfaltet wird, als ein Geschehen, das zur gleichen Zeit fast das gesamte Reich südlich einer Linie vom Pfälzer Wald im Westen über den Odenwald, den Spessart und die Rhön bis hinauf nach Thüringen und bis hinunter nach Salzburg und Tirol inklusive des italienischsprachigen Hochstifts Trient erfasste. Über die einzelnen regionalen Arenen sind wir, soweit es die Quellen erlauben, hervorragend informiert. Eine wirkliche Gesamtschau dagegen fehlt. Nun wäre es ungerecht und falsch, der bisherigen Forschung zu unterstellen, sie hätte nicht nach dem Übergreifenden und Verbindenden des Bauernkriegs gesucht. Nur fand sie es eben nicht auf der Ereignisebene, sondern sie grub gleichsam tiefer und wurde bei den gemeinsamen Antriebskräften fündig. Im Mittelpunkt neuerer Arbeiten zum Bauernkrieg standen meist dessen ökonomische, politische, rechtliche und nicht zuletzt religiöse Ursachen. Eng damit verbunden waren die Analyse der bäuerlichen Beschwerdeartikel, aus denen plastisch zu entnehmen war, wo die Untertanen der Schuh drückte und was sie zu verbessern oder abzuschaffen hofften, sowie das Studium einiger Programmschriften. Entlang dieser leitenden Gesichtspunkte ging die Forschung lange, meist bis heute, daran, die Frage nach dem grundlegenden Charakter des Bauernkriegs zu beantworten. Die bekannteste Antwort gab 1975 Peter Blickle, der wichtigste deutsche Bauernkriegsforscher der vorigen Generation, mit seinem Schlagwort von der «Revolution des gemeinen Mannes».[6] Noch heute gelten seine Arbeiten als wegweisend. Dieser Ansatz schien im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts ebenso logisch wie überfällig. Gegen die alte historistische Zentrierung auf die großen Männer, die Geschichte machen, sollte eine sozial- bzw. gesellschaftsgeschichtliche Betrachtung die übergreifenden Strukturen und Prozesse als geschichtsmächtige Kräfte zur Geltung bringen. Ereignisse wurden eher als Oberflächenphänomene behandelt, die auf verborgene Tiefenstrukturen verweisen – und eben die galt es nun freizulegen.[7] Auf diese Weise wurde versucht, das «wilde» Ereignis Bauernkrieg strukturanalytisch zu zähmen. Allerdings wollte es nicht recht gelingen, die Situation prägnant auf den Punkt zu bringen. Als ein guter Kandidat erschien zeitweilig der Begriff «Krise», aber über die Natur der Krise – «Krise des Feudalismus» oder «soziale Systemkrise» – konnte ebenso wenig Einvernehmen erzielt werden wie über die Sinnhaftigkeit von Krisendiagnosen überhaupt.[8] Das vorliegende Buch möchte den Wert von Analysen zu Ursachen und Zielen des Bauernkriegs keineswegs bestreiten und wird sie auch nicht überflüssig machen. Aber die Akzente sollen im Folgenden doch anders gesetzt werden. Von den Ursachen wird vergleichsweise wenig die Rede sein. Zumindest implizit gingen viele Darstellungen davon aus, dass herrschaftliche Belastung und Ausbeutung ab einem gewissen Punkt mit einer inhärenten Logik in Widerstand und Rebellion mündeten. Dabei ging der Zirkelschluss in der Regel vom Ereignis zurück zu den sozioökonomischen Ursachen, deren Wirkmächtigkeit ja durch den folgenden Aufruhr beglaubigt wurde. Ein solch mechanistisches Verständnis greift, scheint mir, entschieden zu kurz. Hier soll primär von den Ereignissen her auf die Ursachen geschaut werden, so dass sich ganz andere Perspektiven öffnen. Vergleichbares gilt für die Ziele der Aufständischen: Bislang wurden sie aus den vielfältigen Beschwerden der jeweiligen Bauerngruppen abgeleitet; eine prominente Rolle spielten die wenigen Programmschriften, und hinzu traten schließlich noch verstreute Aussagen einzelner Bauernführer. Daraus wurde versucht, mehr oder minder konsistente Programmpakete zu rekonstruieren, wobei einige eher als gemäßigt, andere als radikal oder gar revolutionär eingeordnet wurden. Zeitliche und räumliche Verortung der jeweiligen Verlautbarungen wurden dabei oft zu wenig in Betracht gezogen. Hier sollen nun die Ziele der Bauern im jeweiligen räumlichen und zeitlichen Kontext aus ihren Äußerungen und aus ihren Handlungen erschlossen werden. Damit sind wir beim Ziel dieses Buches: die Ereignisgeschichte des Bauernkriegs zu rekonstruieren. Den Vorwurf der Faktenhuberei muss ein solches Unternehmen heute nicht mehr fürchten. Dass es gilt, «den Akteuren (zu) folgen», hat der Soziologe Bruno Latour seiner Zunft schon vor geraumer Zeit ins Stammbuch geschrieben.[9] Auch ins Zentrum der Geschichtswissenschaft ist das Ereignis, jene «komplexe Sequenz von Handlungen verschiedener Akteure und Akteursgruppen», zurückgekehrt.[10] Gefragt sind Ansätze, die in ihren Analysen nicht große abstrakte Entitäten (die Bauern, die Herrschenden, den Adel oder die Ständegesellschaft) auftreten lassen, sondern die der sozialen Praxis konkreter Menschen(gruppen) in ihren alltäglichen Handlungsroutinen und außeralltäglichen Verhaltensoptionen nachspüren und dabei erkunden, wie sich deren Wahrnehmungen und Entscheidungen zu größeren Mustern – und vielleicht zu so etwas wie Strukturen – zusammenfügen.[11] Die folgende Darstellung schlägt Kapital aus dieser Rehabilitierung des historischen Ereignisses in der Geschichtswissenschaft. Auf diese Weise ist, so meine feste Überzeugung, ein angemesseneres Verständnis des Bauernkriegs zu gewinnen. Die bisherige Bauernkriegsforschung hat die räumliche wie die zeitliche Dimension ihres Ereignisses nicht wirklich befriedigend in den Griff bekommen. Die räumliche Zersplitterung des Alten Reiches wird zwar gewöhnlich zum Gliederungsprinzip der Darstellungen gemacht («Der Bauernkrieg in xy»), aber doch selbst nicht weiter analytisch problematisiert.[12] Den Bewegungen der Akteure, der Bauern ebenso wie der Herren, gilt zu wenig Aufmerksamkeit. Dabei sei direkt zugestanden, dass deren Beobachtung vom häuslichen Schreibtisch aus heutzutage mit Google Maps & Co. sehr viel einfacher ist als für frühere Forschergenerationen. Schwieriger noch stand es bislang um die zeitliche Dimension. Dass alles Geschehen und alle Äußerungen im Bauernkrieg mit einem zeitlichen Index versehen sind, wurde allzu oft ignoriert.[13] Das möchte die vorliegende Studie...


GERD SCHWERHOFF ist Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Technischen Universität Dresden.


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