E-Book, Deutsch, Band 89, 228 Seiten
Reihe: Praxis Film
Dokumentarfilme finanzieren und verwerten
E-Book, Deutsch, Band 89, 228 Seiten
Reihe: Praxis Film
ISBN: 978-3-7445-0795-0
Verlag: Herbert von Halem Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Geisteswissenschaften Theater- und Filmwissenschaft | Andere Darstellende Künste Filmwissenschaft, Fernsehen, Radio Filmtheorie, Filmanalyse
- Geisteswissenschaften Theater- und Filmwissenschaft | Andere Darstellende Künste Filmwissenschaft, Fernsehen, Radio Filmgattungen, Filmgenre
- Geisteswissenschaften Theater- und Filmwissenschaft | Andere Darstellende Künste Filmwissenschaft, Fernsehen, Radio Filmproduktion, Filmtechnik
Weitere Infos & Material
B1 KLASSISCHE FINANZIERUNG
Fernsehsender als Auftraggeber & Koproduzent Filmförderung in Deutschland Europäische Filmförderung Alternative Wege der Filmfinanzierung Die klassischen Strukturen der Finanzierung von Dokumentarfilmen sind langsam gewachsen und bis heute auf dem deutschen Markt etabliert. Neben dem Fernsehen als Hauptverwerter und -abnehmer nonfiktionaler Programme hat die Filmförderung eine immense Bedeutung für die Filmindustrie in Deutschland. In der Regel kommt es bei der Finanzierung von langen Kinodokumentarfilmen zur Kombination unterschiedlicher Geldgeber. Der Regisseur Thomas Schadt nennt folgendes Beispiel seines Films Herr W und Herr W: „Das Gesamtbudget von 250.000 Euro war zuletzt auf drei Sender (SWR, NDR und WDR) und auf drei Filmförderanstalten (BMI, Kuratorium junger deutscher Film und Filmboard Berlin-Brandenburg) verteilt. Ich hatte am Ende sechs Auftraggeber mit vier völlig unterschiedlichen Verträgen.“18 Das komplizierte, langwierige und teilweise nur schwer zu durchschauende System der Dokumentarfilmfinanzierung innerhalb der klassischen Förderstrukturen soll deshalb in diesem Kapitel vorgestellt werden. Eins haben das Fernsehen als Auftraggeber und Filmförderung gemeinsam: In Gremien, Ausschüssen und Redaktionen beschließen Entscheidungsträger darüber, ob ein Film realisiert wird oder nicht. Fernsehsender als Auftraggeber & Koproduzent Schon seit der Gründung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland gehören dokumentarische Programme zum Fernsehalltag. Konnten anfänglich festangestellte Regisseure in der Sicherheit ihres monatlichen Salärs anspruchsvolle, lange Dokumentarfilme innerhalb der Senderstrukturen herstellen, wandelten sich mit der Zeit die Strukturen des Fernsehens, so dass dokumentarische Programme heute fast ausschließlich von externen Produzenten hergestellt werden. Der Markt Wie eine HRM-Studie herausfand,19 stellten im Jahr 2003 insgesamt 820 Produzenten dokumentarische Programme im Wert von rund 510 Mio. Euro her, wovon rund die Hälfte für Dokumentationen und Reportagen verwendet wurde.20 Die Produzenten-Studie 2012 geht von 900 sogenannten klassischen Produzenten aus, wovon ein Drittel (300) ihren Schwerpunkt in der Kinofilmproduktion haben und zwei Drittel (600) vornehmlich fürs Fernsehen produzieren. Überraschenderweise kommt es hier nur selten zu Überschneidungen. Die Fernsehproduzenten generieren nur 4 Prozent ihres Umsatzes mit Kinoproduktionen. Umgekehrt liegt der Wert bei 9 Prozent. Doch der Markt der Produzenten, die für diese Inhalte verantwortlich sind, ist hinsichtlich Personalstärke, Auftragsvolumen und Umsatz sehr heterogen: „Dabei erwirtschaften die 25 größten Nonfiction-Anbieter allein 56 Prozent des gesamten Umsatzes. Rund zwei Drittel der Produzenten sind Kleinunternehmen, deren Umsatz pro Jahr deutlich unter 500.000 € liegt. Auf diese Kleinproduzenten entfallen 10 Prozent des gesamten Marktumsatzes.“21 Die kleinen Firmen – in den meisten Fällen sogenannte ‚Rucksackproduzenten’ – bewältigen in der Regel nicht mehr als ein bis drei Produktionen und haben auf dem Markt eine geschwächte Position, da sie selten bei der Vergabe von Aufträgen mit höheren Budgets berücksichtigt werden. Immer häufiger bekommen große Produktionsfirmen, oft auch Tochterunternehmen der Fernsehsender, die Aufträge zugesprochen. Konkrete Zahlen der Fernsehbeteiligung/Intransparenz Die Schieflage bezüglich Auftragsvolumen und Unternehmensgröße wird durch die Intransparenz der Fernsehsender verstärkt: Versucht ein Produzent herauszufinden, mit welchem Budget er bei der Arbeit für eine bestimmte Redaktion rechnen kann, beginnen die Schwierigkeiten. Schon bei der Erarbeitung der ersten Sendeplatzbeschreibung für dokumentarische Formate im deutschen Fernsehen im Jahr 1999 hatten die Autoren Probleme mit der Auskunftsbereitschaft der Sender: „Grenzen waren der Arbeit andererseits durch die Auskunftsbereitschaft der befragten Redaktionen gesetzt: Erkundungen nach dem jeweiligen Produktionsbudget bzw. nach den Produktionsetats für einen bestimmten Sendeplatz wurden – von wenigen Ausnahmen abgesehen – gar nicht oder nur so ungenau beantwortet, dass eine Wiedergabe an dieser Stelle nicht sinnvoll erscheint.“22 In der Aktualisierung aus dem Jahr 2006 heißt es dazu: „Zum Budget wurden in den seltensten Fällen konkrete Angaben gemacht. Die Bemerkungen reichten von ‚durchschnittlich’ über ‚flexibel’ bis zu ‚sind dem Haushaltsplan zu entnehmen’ oder ‚darüber dürfen wir nicht sprechen.’“23 Offenbar haben die Sender kein Interesse an einem transparenten Umgang mit dem jährlichen Produktionsvolumen ihrer Sendeplätze. Wäre solch eine Geheimhaltung bei den privaten Sendern aufgrund bestehender Konkurrenzsituation noch nachvollziehbar, erscheint dieses Verhalten bei den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten aufgrund der Herkunft der finanziellen Mittel ihres Haushalts vollkommen unangemessen. Gleichzeitig verwehrt es Produzenten die Orientierung für Planung und Budgetierung. Abgesehen davon, dass der lange Dokumentarfilm bei den privaten Sendern kaum eine Rolle spielt, werden non-fiktionale Programme dort fast ausschließlich von ausgewählten Firmen (z.B. az-media, Dctp usw.) produziert oder fertige Inhalte angekauft. Koproduktion, Ankauf & Auftragsproduktion Doch wie kommt der lange abendfüllende Dokumentarfilm heute ins Fernsehen? Hierfür gibt es drei unterschiedliche Wege, die im Folgenden vorgestellt werden: Koproduktion, Ankauf und Auftragsproduktion. Koproduktion: Im Zuge einer Koproduktion wird der Film durch die finanzielle Beteiligung des Fernsehens und häufig auch mit Geldern von mindestens einer Filmförderung produziert. Da Autoren bzw. Regisseure oftmals nicht über die notwendigen Kontakte zu den Redakteuren verfügen und auch das finanzielle Risiko in der Regel nicht allein tragen können, wenden sie sich im Normalfall an einen Produzenten. Die Produktionsfirma kümmert sich daraufhin um die Kontaktaufnahme zu Redaktionen, Entwicklung des Themenvorschlags und übernimmt die Verhandlungen. Die Produzenten unterbreiten hierfür den Fernsehredakteuren ihre Themenvorschläge mit einem Exposé, teilweise unterstützt durch erste filmische Eindrücke wie beispielsweise Rohmaterial oder einem Trailer. Die Redaktion entscheidet dann darüber, ob der Stoff in ihr Programm passt und ob er bereits einen gewissen Grad der Entwicklung erreicht hat, der eine Realisierung nahelegt. Diese Kriterien sind je nach Sendeplatz und Redaktion unterschiedlich. Kommt es zur Zusammenarbeit und folglich zum Vertragsabschluss, kauft der Sender durch seinen Finanzierungsanteil das Senderecht nach der Kinoauswertung. Dadurch kommt es im Prinzip zu einem Vorabverkauf der Lizenzen durch den Produzenten. Sollten mehrere Sender an der Koproduktion beteiligt sein, erhält derjenige Sender das Recht zur Fernsehpremiere, der mit dem höchsten Betrag beteiligt war. Eine Enklave für den langen, künstlerischen Dokumentarfilm im öffentlich-rechtlichen Rundfunk bietet der Sendeplatz Kino-Zeit im WDR, der von der Redakteurin Jutta Krug jährlich mit 24 langen Produktionen gefüllt wird. Hierfür werden zu 95 Prozent Koproduktionen mit WDR-Anteilen von 30.000 – 100.000 Euro unterstützt. Einen gewissen Freiraum bietet außerdem der Sendeplatz Das kleine Fernsehspiel des ZDF. An Dokumentarfilmen beteiligt sich das ZDF in der Regel mit einem Anteil von ca. 90.000 Euro – 100.000 Euro.24 Im Oktober 2010 untersuchte Jörg Langer im Auftrag der AG DOK wie hoch die Mitfinanzierungsrate des ZDF an den verhandelten dokumentarischen Sendeplätzen der Sender ZDF, ARTE und 3sat ausfällt und wie hoch der Anteil der 100%igen Vollfinanzierung in diesem Bereich liegt: Während kürzere dokumentarische Formate, wie beispielsweise 37 Grad vom ZDF, üblicherweise vollfinanziert werden, wird bei längeren Formaten wie dem Grand Format bei ARTE vom ZDF lediglich eine Mitfinanzierungsquote von unter 40 Prozent geleistet. Die im Rahmen der Studie befragten Firmen berichteten, dass nur 15 Prozent ihrer 168 Produktionen im analysierten Zeitraum vollfinanziert waren. Der ZDF-Anteil lag hier zwischen 90.000 und 125.000 Euro. Bei Das kleine Fernsehspiel (90 Min) lag der ZDF-Anteil zwischen 90.000 und 110.000 Euro, bei Dokumentarfilmzeit (90 Min) auf 3sat zwischen 12.500 und 70.000 Euro.25 Das bedeutet konkret: Nur noch in den seltensten Fällen werden Kalkulationen von den Sendern zu 100 Prozent bewilligt. Die Sender vergeben neuerdings nur noch 60 bis 70...