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E-Book, Deutsch, 320 Seiten

Reichholf Flussnatur

Ein faszinierender Lebensraum im Wandel

E-Book, Deutsch, 320 Seiten

ISBN: 978-3-96238-819-5
Verlag: oekom verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



»Flüssen wieder mehr Raum geben, lautet das Gebot der Stunde. Das schützt vor Überflutungen und füllt das Grundwasser wieder auf.« Josef H. Reichholf

Ob lang anhaltende Trockenheit oder Starkregen: In den Flüssen drücken sich extreme Wetterereignisse oft unmittelbar aus. Dürren und Fluten sind jedoch nicht allein Folgen des Klimawandels: Weil über Jahrzehnte Auwälder gerodet, Feuchtgebiete trockengelegt, Zuflüsse begradigt und Flächen versiegelt wurden, wird die Wasserführung der Flüsse immer extremer. Die gute Nachricht: Wenn wir unsere Flüsse wieder frei(er) fließen lassen, werden sie wahre Naturwunder. Wir können ihnen Trink- und Brauchwasser entnehmen. Leben entwickelt sich in ihnen in üppiger Fülle.

Josef H. Reichholf nimmt uns mit hinaus zu verschiedenen Flüssen Mitteleuropas. Er berichtet von erfolgreichen Renaturierungen, von Stauseen, die sich zu Vogelparadiesen entwickelt haben, und er bringt uns die Natur der Flüsse mit ihrer Schönheit und vielen besonderen Bewohnern nahe. Wir brauchen naturnahe Flüsse mehr denn je.
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Teil I Der Fluss – eine Kurzcharakteristik   Flüsse und ihre Landschaften
Der Fluss hat keine Definition nötig, möchte man meinen. Jedes Fließgewässer, vom Bach bis zum Strom, vom Rinnsal bis zum Kanal, ist sichtbar. Allenfalls stellt sich die Frage nach der Größe. Weil die längsten Flüsse nicht auch die wasserreichsten sein müssen. Und weil ihre Wasserführung bekanntlich stark schwanken kann. Aber ganz so einfach ist es nicht, wenn wir ein Fließgewässer genauer charakterisieren oder in einer bestimmten Weise nutzen wollen. Nur eine grobe Annäherung bildet die kartografische Darstellung. Ihr lässt sich entnehmen, am besten von der Mündung aus, also an seinem »Ende« beginnend, wie lang der Fluss ungefähr ist. Denn die entfernteste Quelle wird üblicherweise als Anfang gewertet. Wo sie liegt, weiß man erst nach sehr gründlicher geografischer Erforschung aller Quellflüsse, deren es mehrere oder viele geben kann. Flüsse entspringen in einem großen Raum. Die Hauptquellflüsse können weit auseinander liegen und sich vielleicht erst in einem Bereich vereinen, der schon zum Mittellauf gehört. In nicht wenigen Fällen stellt sich durchaus ernsthaft die Frage, ob ein etwas kürzerer Quellfluss als Hauptfluss gewertet werden soll, wenn dieser (viel) mehr Wasser als der längere führt und damit die weitere Flussdynamik bestimmt. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Donau. Als ihre Quellflüsschen gelten, durchaus zu Recht, die Brigach und die Breg im Schwarzwald. Doch zur jungen Donau vereint, versickern sie bei Donaueschingen und speisen eigentlich Flüsschen, die zum Bodensee hin entwässern. Was sich nach der Donauversickerung erneut als Donau formiert, ist nun, auf den Zusammenfluss mit dem Inn in Passau bezogen, kürzer als dieser. Zudem bringt der Inn in der Abflussbilanz des Jahres, insbesondere bei starkem Hochwasser, deutlich mehr Wasser. Daher kommt es immer wieder zu den schweren Rückstauüberflutungen der Dreiflüssestadt (weil in Passau auch die Ilz mündet, die aus dem Bayerischen Wald zur Donau fließt). Der mächtigere Inn drückt die Donau gegen das Nordufer und behindert mit seinem meistens auch noch beträchtlich kälteren Wasser ihren weiteren Abfluss. Somit müsste entweder die Donau »Inn« heißen oder dieser Donau genannt werden, nachdem der ungleich längere Teil ab der Mündung in das Schwarze Meer seit alten Zeiten den Namen »Donau« trägt. Rein formal könnte man sich auf die zweite Lösung einigen, weil dauernd durchströmte Flusslänge und Wassermenge für den Inn als Donau sprechen. Quellen Jeder Fluss beginnt mit mindestens einer Quelle. Die meisten Fließgewässer speist Wasser aus mehreren bis vielen Quellen. Sie können sehr unterschiedlich aussehen. Man gliedert sie in fünf Haupttypen: Sturz- oder Sprudelquellen (Rheokrenen) kommen am häufigsten vor, weil die meisten Flüsse im Bergland entspringen. Aus Spalten oder Nischen im Hang sprudelt das Wasser hervor und bildet gleich nach dieser Quellöffnung einen Bach. Gemächlicher tritt es aus Tümpelquellen (Limnokrenen) aus, dem zweiten, im Tiefland recht häufigen Quelltyp. Oft ist dies ein mehr oder weniger rundlicher »Topf«, in dem das Wasser aus dem Boden sprudelt und dabei Sand zu kleinen Fontänen aufwirft. Wie Kochblasen kann das aussehen. Solche Tümpelquellen liegen häufig an kleinen Geländestufen. Sie zeigen an, dass darunter eine das Grundwasser stauende Schicht liegt, die oft von dicht gelagertem Ton gebildet wird. In Limnokrenen tritt in aller Regel die oberste Grundwasserschicht zutage. Daher kann, abhängig von Menge und jahreszeitlicher Verteilung der Niederschläge, ihre Schüttung rasch zu- oder langsam abnehmen. Den dritten verbreiteten Quelltyp bilden Sümpfe (Helokrenen), aus denen Wasser sickert, das sich zu Bächlein sammelt. Moore liefern meistens solche Quellbäche. Ihr Wasser ist im Sommer wärmer und im Winter kälter als das der Sturz- und Tümpelquellen, deren Temperatur der Jahresdurchschnittstemperatur der Landschaft ziemlich genau entspricht. Die beiden anderen Quelltypen gibt es selten. So kann ein Fluss als Ausfluss eines Sees beginnen, dem, zumal im Gebirge, von allen Seiten Schmelzwasser zuströmt, ohne in dauerhafte Bächlein gefasst zu sein. In solchen Fällen fängt der Fluss bereits ziemlich kräftig an, wie der »junge« Inn beim Verlassen des Lunghinsees im Schweizer Oberengadin. Am eindrucksvollsten sind aber große Quelltöpfe, unser letzter Quelltyp, über die Flüsse, von unterirdischen Flüssen gespeist, zutage treten. Sehenswertes Musterbeispiel dafür ist der »Blautopf« bei Blaubeuren an der oberen Donau mit der beachtlichen Wasserschüttung von 2.280 Litern pro Sekunde. Da sich solche Quelltöpfe in den Berg hinein fortsetzen, hat man sie für »grundlos« gehalten und mystifiziert. Feinste Kalkteilchen, die im Wasser solcher Quelltöpfe enthalten sind und von langen unterirdischen Wegen zeugen, verursachen je nach Einfall des Lichts einen grünlichen bis bläulichen Schimmer. Der kleine Fluss, der aus dem Blautopf kommt, wird daher seit alten Zeiten »die Blau« genannt. Quelltöpfe gibt es insbesondere in Karstgebieten. Die mit technischen Hilfsmitteln möglich gewordene Höhlenforschung kilometerweit hinein in die »Unterwelt« zeigte, dass unterirdische Flüsse verbreitet vorkommen. Im Bergland aus Kalkstein entspringende, kräftig sprudelnde Rheokrenen können daher längere Ursprünge im Fels haben. Verschiedene Tierarten, sogar Wirbeltiere wie der Grottenolm, passten sich dem Leben in unterirdischen Gewässern an, weil mit dem von oben einsickernden Wasser Nahrung auch in diese eingetragen wird. Doch das sah man in alten Zeiten anders. Im Schweizer Engadin, wo er hoch in den Bergen im Lunghinsee entspringt, trägt der Inn noch fast unverändert den alten keltischen Namen En. Daher heißt das Tal »En-gadin«, was »Garten des Inn« bedeutet. Die Römer hatten die alte Benennung En übernommen und mit Aenus lateinisiert. Das hieß »der Schäumende« und passte zu ihrer Sicht dieses größten und wasserreichsten Flusses der Alpen, weil sich darin das Kernproblem ausdrückte. Dieser wilde Fluss war den Römern insbesondere in den Sommermonaten sicherlich unheimlich. Sein Schäumen, das schon bei mittlerem Hochwasser wie kaltes Kochen aussah, machte den Inn als Transportweg durch die Weiten ihrer Provinzen Raetien und Noricum bis in den »fernen Osten« ihres Weltreichs weit weniger geeignet als die geradezu verlässlich ruhig strömende Donau. Zwischen ihrem Stützpunkt Passau (Castra batava vindelicorum) und dem Innübergang beim heutigen Rosenheim verzichteten sie auf die Anlage größerer und wichtiger Lager am Inn. Das Donautal hielten sie für viel geeigneter. Was absolut gerechtfertigt war. Denn es ist das Leittal, zu dem die Flüsse strömen, die östlich des Rheins die Alpen nord- oder nordostwärts verlassen. Die Donau nimmt diese auf, seit viel längeren Zeiten, in denen der Inn in seiner etwa gegenwärtigen Form noch nicht existierte. Er ist ein Spätprodukt der letzten Eiszeit; Abkömmling und Abfluss des großen Inngletschers, der sich von der Schweiz her durch Tirol ostwärts geschoben und bei Kufstein den Durchbruch durch die Nordalpenkette geschafft hatte. Späteiszeitlich bildete sich dort am Alpenrand ein großer See, der im heutigen Rosenheimer Becken lag. Der Inn füllte mit seiner Geschiebefracht den See auf, entwässerte ihn und wurde nacheiszeitlich in den Jahrtausenden der großen Schmelze der west- und zentralalpinen Gletscher zum bei Weitem mächtigsten Alpenfluss. Die Ur-Donau floss hingegen während der Kalt- wie auch der Warmzeiten des Eiszeitalters und formte ein weit größeres Tal, als es der junge Inn zustande brachte. Die Römer lagen also richtig mit ihrer Ansicht, dass die Donau vom Schwarzwald her kommt und der Inn ein Nebenfluss ist, obwohl er sicher auch zu ihrer Zeit der wasserreichere Fluss war. Flussgeschichte Seit mehr als dreitausend Jahren wird den Flüssen zur Bewässerung von Feldern Wasser abgezweigt. Kanäle wurden gebaut, Verbindungen geschaffen und neue Flussmündungen gegraben. Allein an Europas Flüssen gibt es über eine Million Querbauwerke, die stauen oder Wasser umleiten. Zweifellos sind dies gewaltige Eingriffe in das Regime der Fließgewässer. Am drastischsten zu sehen ist dies am Schrumpfen von Aralsee und Kaspischem Meer. Der Aralsee droht ganz zu verschwinden, große Teile des Kaspischen Meeres wohl auch und damit die letzten Reste eines erdgeschichtlichen Nebenmeeres, der Para-Tethys. Änderungen des regionalen Klimas und des Wasserhaushaltes sind die Folgen. Umgekehrt wirkten sich Änderungen des Klimas auch ganz ohne Zutun der Menschen auf Flüsse im Naturzustand aus. So waren vor zehntausend Jahren Elbe und Themse noch Nebenflüsse des Rheins, der dort in den Atlantik mündete, wo jetzt die Kanalenge zwischen England und Frankreich liegt. In den Meeresboden ist seine schlank trichterförmige Mündungsbucht eingegraben. Damals existierte die Nordsee noch nicht. Die Themse floss weiter durch deren heutigen Südwestteil und vereinte sich mit dem Rhein. Kurz davor hatte dieser bereits Wasser von Elbe und Weser erhalten. Jetzt getrennte, ganz eigenständige Flüsse gehörten also vor erdgeschichtlich verhältnismäßig kurzer Zeit zu einem Flusssystem zusammen. Der nacheiszeitliche, in zwei großen Schüben erfolgte Anstieg des Meeresspiegels schuf die Nordsee und trennte die Flüsse, die davor über Doggerland geflossen waren, so genannt wegen der untermeerischen Doggerbank unserer Zeit. Das ist auch der Grund dafür, dass sich die Arten von Fischen und anderen Wassertieren in diesen ehemaligen Zuflüssen des Ur-Rheins kaum voneinander...


Reichholf, Josef H.
Josef H. Reichholf ist einem breiten Publikum als Autor zahlreicher Sachbücher bekannt, darunter mehrerer Bestseller. An der TU München lehrte er 30 Jahre Gewässerökologie und Naturschutz. Jahrzehntelang führte er Forschungen an Inn und Isar durch. Er gehört zu den 40 prominentesten Naturwissenschaftlern Deutschlands (Cicero-Ranking) und erhielt zahlreiche Auszeichnungen.


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