E-Book, Englisch, Deutsch, Band 262, 329 Seiten, Gewicht: 10 g
Ausgewählte Kleine Schriften
E-Book, Englisch, Deutsch, Band 262, 329 Seiten, Gewicht: 10 g
Reihe: Beiträge zur AltertumskundeISSN
ISBN: 978-3-11-021050-7
Verlag: De Gruyter
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Zielgruppe
Wissenschaftler, Bibliotheken, Institute / Academics, Libraries, Institutes
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
Weitere Infos & Material
E.Pöhlmann: 1. Lyrische Variationen. Anakreontische Motive bei Eduard Mörike; 2. Parodia; 3. Die zwei Musen des Vergil. Zum Vergilmosaik in Hadrumetum; 4. Der Schreiber als Lehrer in der klassischen Zeit Griechenlands; 5. Lukrez als Quelle griechischer Kulturentstehungslehre; 6. Philodem, De musica 1969-1989; 7. Musiktheorie in spätantiken Sammelhandschriften; 8. Die Wanderbühne der Techniten; 9. Ipse conteret caput tuum (Genesis 3,15). Kreuz und Schlange in J. S. Bachs Johannespassion; 10. Gattungen musikalischen Fachschrifttums im Altertum; 11. Dichterweihe und Gattungswahl; 12. Besprechung von Oliver Taplin, Comic Angels and Other Approaches to Greek Drama through Vase-Paintings; 13. Die Topographie der Troas in der Ilias: Fiktion oder Realität; 14. Griechische Musik 1989-1992; 15. Das "Griechische Wunder" und die Tragödie; 16. Große Form - Kleine Form in der antiken Dichtung; 17. Codex Hersfeldensis und Codex Aesinas. Zu Tacitus’ Agricola. In memoriam Rudolf Till; 18. Euripides und die Monodie; 19. Parodien der Euripideischen Monodie bei Aristophanes; 20. Besprechung von L. Prauscello, Singing Alexandria
10. Gattungen musikalischen Fachschrifttums im Altertum (S. 117-118)
In seinem Dialog Ion (536e – 537e) läßt Platon den Sokrates nach t´wmai fragen, die Homer beherrsche, nicht aber der Rhapsode Ion, wählt dafür als Beispiel die ,Kunst der Zügelführung‘, die Bmiowe¸a, und belegt dies durch ein Beispiel, das Ion auswendig kann (Ilias 23, 335 –340): Nestor gibt seinem Sohn Antilochos Ratschläge, wie er die Wendesäule beim Wagenrennen umfahren muß. Das Beispiel ist gut gewählt.
Es entstammt einem längerem Zusammenhang (23, 313 –345), der sich wie eine Partie aus einem Lehrgedicht peq· Rppij/r liest: Lehrer- und Schülerrolle sind mit Vater und Sohn gattungsüblich besetzt, Nestor empfiehlt dem Antilochos seine Lehren und verbürgt sich für den Erfolg seiner Belehrungen (23, 313 f., 345 f.), Exempla aus anderen Bereichen wollen den Wagenlenker für die rechte l/tir gewinnen (315 f.), der Mißerfolg des Unbelehrten (319 –321) wird wirkungsvoll mit dem Erfolg des gelehrigen Schülers verglichen, die eigentlichen Belehrungen sind als Appell an den Schüler formuliert (334 –343). Vergleichbares kann man auch bei Hesiod, Xenophanes, Empedokles, Parmenides lesen.1 Wie man aus diesem Beispiel erschließen kann, gehört das Lehrgedicht zu den ältesten Literaturformen.
Im sechsten Jahrhundert gibt das Lehrgedicht einige seiner Gattungsmerkmale an die seit Anaximander2 konkurrierende Gattung der wissenschaftlichen Fachprosa ab, wie die Titelsätze des Alkmaion oder Hekataios erkennen lassen.3 Im übrigen ist wegen der fragmentarischen Überlieferung der frühen Prosa ein Urteil über Form und Struktur frühen Fachschrifttums schwer möglich. Erst gegen Ende des 5. Jh. liegen mit den ältesten Schriften aus dem Corpus Hippocraticum4 vollständige prosaische Fachschriften vor. Manfred Fuhrmann ist es gelungen, diese Lücke mit seiner Untersuchung über das systematische Lehrbuch teilweise zu schließen.5
Beginnend mit der Rhetorik an Alexander des Anaximenes (2. Hälfte 4. Jh. vor Chr.) und endend mit den Institutiones des Gaius (2. Jh. nach Chr.) hat er aus einer Kette von Fachschriften aus verschiedenen Disziplinen einen festumrissenen Typus von Lehrbuch erschlossen, der sich durch einen hohen Grad von Systematisierung der Darstellung auszeichnet. Im idealtypischen Fall beginnt eine solche t´wmg mit einer Definition ihres Gegenstandes (bqisl¹r).
Im Fall der Einführung in die Harmonik des Kleoneides (2.–3. Jh.) lautet diese: „Harmonik ist die theoretische und praktische Wissenschaft von der Natur des Harmonischen“. Sodann werden deren einzelne Teile (eUdg, Qd´ai, l´qg) aufgezählt und ihrerseits definiert. Im Fall des Kleoneides sind dies sieben: „Ihre Teile sind sieben, nmlich ,Vom Ton‘, ,Vom Intervall‘, ,Vom Tongeschlecht‘, ,Vom Tonsystem‘, ,Von der Tonart‘, ,Von der Modulation‘, ,Von der Melodiebildung‘.6 Setzt sich die Unterteilung weiter fort, so wendet sich die Darstellung dem ersten Unterbegriff zu, definiert diesen und unterteilt ihn wiederum in seine Teile.
Die Verfahren der Unterteilung (dia¸qesir) kann sich fortsetzen, sodaß regelrechte Begriffspyramiden entstehen. Ist die dia¸qesir an ihr Ende gekommen, dann wird die unterste Klasse der l´qg definiert und behandelt. Danach steigt die Untersuchung in der Begriffspyramide wieder auf und setzt beim nächsthöheren Unterbegriff wieder ein. Zu den Definitionen kann unterstützend das Verfahren der diavoq² hinzutreten: parallelgeordnete, bereits definierte Begriffe werden einander gegenübergestellt und auf ihre spezifischen Unterschiede untersucht.