Pfab | Kompetent beraten in der Sozialen Arbeit | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 194 Seiten

Pfab Kompetent beraten in der Sozialen Arbeit

Bausteine für eine gute Beratungsbeziehung
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-497-61309-0
Verlag: Ernst Reinhardt Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Bausteine für eine gute Beratungsbeziehung

E-Book, Deutsch, 194 Seiten

ISBN: 978-3-497-61309-0
Verlag: Ernst Reinhardt Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Im Rahmen professioneller Beratung in den sozialen Diensten wird oft die Beziehung zum Knackpunkt. KlientInnen treten fordernd auf oder erhoffen sich von der BeraterIn die Lösung aller Probleme, BeraterInnen sind mit unerwarteten eigenen Emotionen konfrontiert oder stehen unter Zeitdruck - all das wirkt sich auf die Beziehungsebene aus und beeinflusst den Beratungsprozess. Die kommunikative Beziehung zum Klienten will professionell gestaltet werden. Das ist anspruchsvoll, denn es spielen viele Gesichtspunkte eine Rolle: der institutionelle Kontext, der kulturelle Rahmen, Emotionen, die Begegnung von ExpertInnen und Laien und der Einsatz von Medien. Das Buch bietet praktische Handlungsorientierungen, Warnung vor Fallstricken und viele wertvolle Tipps für die Umsetzung in der Praxis.

Prof. Dr. Werner Pfab, Dipl.-Psych., Kommunikationswissenschaftler, Fulda, ist Professor i.R. für Theorie und Praxis sozialer Kommunikation.
Pfab Kompetent beraten in der Sozialen Arbeit jetzt bestellen!

Zielgruppe


SozialarbeiterInnen und andere BeraterInnen, die in Einrichtungen der Sozialen Dienste tätig sind (Sozialamt, Erziehungs-beratung, Integrationsberatung etc.)


Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


2„Dafür werden Sie doch bezahlt!“ – Beratung als Arbeitsbeziehung

Die Beratungen, die Thema dieses Buches sind, finden in Institutionen statt. Für eine der Beratungsbeteiligten, die Beraterin, ist Beratung Teil ihrer Tätigkeit, die sie im Rahmen ihres Beschäftigungsverhältnisses innerhalb dieser Institution zu erbringen hat. Beraten ist ihre Arbeit. Sie wird für sie durch die Institution honoriert, durch sie ist ihre Beratungstätigkeit mit Verpflichtungen versehen, die sie gegenüber ihrem Arbeitgeber einerseits (z. B. Loyalität) und ihren Klienten andererseits (z. B. Freundlichkeit) hat. Sie erfolgt unter institutionell vorgegebenen Bedingungen, unter Einsatz von Ressourcen, auf die sie zurückgreifen kann (Gesetze, Verordnungen, Datenquellen, Geräte), und vollzieht sich in Rahmen, die ihrer Tätigkeit Grenzen stecken (z. B. Zuständigkeiten, feste Arbeitszeiten) (Abb. 1).

Abb. 1: Die Position der Beraterin zwischen Institution und Klient

2.1Beratungsgeschichten, die das Leben schreibt: Der aufdringliche Klient

„Ich hatte da mal einen Fall, das war schon ein starkes Stück. Der Klient kam rein, ein Häufchen Elend, leise Stimme, Hundeblick, total hilflos insgesamt. Mich regt sowas schon auf; das ist doch ein Mann! Das Gespräch war dann mühsam, zu jeder Lösungsidee musste ich ihn tragen. Aber zum Schluss blieb mir die Spucke weg: „Können Sie mir nicht Ihre Handynummer geben. Wenns mir wieder schlecht geht, dass ich Sie anrufen kann. Sie sollen sich doch um mich kümmern.“ Ja wo sind wir denn hier?! Ich bin doch nicht seine Therapeutin – aber die machen das ja auch nicht. Habs natürlich abgelehnt. Der ist dann geknickt rausgeschlichen. Und ich saß da mit schlechtem Gewissen.“

2.2Beratung – eine Arbeitsbeziehung

Zwar leuchtet eine Bestimmung von Beraten als Arbeit unmittelbar ein; eine solche Bestimmung wirft allerdings gewichtige Fragen auf, wenn man von einem üblichen Verständnis von Arbeit im Sinne der Herstellung eines Gutes ausgeht. Dies sei kurz anhand der Frage der Qualität illustriert: Die Vorstellung von Produktqualität entstammt dem Bereich der industriellen Fertigung und hat sich dort in Gestalt von Qualitätsstandards, -management und -kontrolle etc. entfaltet. Überträgt man diese Vorstellung nun auf die Beratungsarbeit, stellen sich knifflige Fragen: Was genau ist das Produkt einer Beratung? Geht man von dem Verständnis von Beratung als Hilfe zur Selbsthilfe aus, wäre das „Produkt“ der Beratungsarbeit irgendwo im Inneren des Klienten angesiedelt, etwa in kognitiv-emotionalen Veränderungen in ihm. Wie aber soll die Güte solcher Veränderungen kontrolliert werden können? Ferner: In der industriellen Fertigung hat der Arbeiter weitgehend Kontrolle über den Herstellungsprozess seines Produkts. In der Beratung jedoch ist der Herstellungsprozess wesentlich vom Klienten mit beeinflusst. Ist das „Produkt“ eines Beratungsgesprächs von minderer Qualität, wenn sein Herstellungsprozess durch „störendes“ Verhalten des Klienten beeinflusst wurde? Kann die Beraterin für eine solche mangelnde Qualität zur Rechenschaft gezogen werden? Und was, wenn das Produkt eines Beratungsgesprächs, z. B. in der Schuldnerberatung die Verabredung eines zukünftig veränderten Konsumverhaltens des Klienten, „seinen Dienst versagt“ und bald darauf nicht mehr „funktioniert“ – kann der Klient dann reklamieren?

Offensichtlich bedarf es einer anderen Vorstellung von Arbeit, damit die Beraterin ein angemessenes Verständnis ihrer Tätigkeit entwickeln kann.

Eine solche Vorstellung ist das Deutungsmuster von Arbeit als „Dienstleistung“.

2.2.1Beratung als „Dienstleistung“ – ein machtvolles Deutungsmuster

Im Diskurs um Beratung im sozialen Bereich spielt der Begriff der „personenbezogenen sozialen Dienstleistung“ eine gewichtige Rolle. Der Begriff wird vielfach als selbstverständlich zur Charakterisierung der Beziehung zwischen Beraterin und Klient eingesetzt. Das ist erstaunlich, denn immerhin entstammt der Begriff der Dienstleistung der Terminologie der Volks- und Betriebswirtschaft, also nicht gerade der Kerndisziplin zur Betrachtung kommunikativer Verhältnisse. Hinzu kommt, dass der Begriff negativ definiert ist: Er ist dadurch bestimmt, was Dienstleistung nicht ist.

„In der klassischen volkswirtschaftlichen Unterscheidung der Wirtschaftsbereiche wurde zwischen einem ursprünglichen oder primären Sektor (Land- und Forstwirtschaft, Viehzucht und Fischerei) und sekundärem Sektor (produzierendes und verarbeitendes Gewerbe) […] unterschieden. Der „tertiäre Sektor“ wurde als „Restkategorie“ ergänzt, in die alle übrigen bezahlten Tätigkeiten fallen […]. Man kann skeptisch sein, ob sich für den heterogenen „Restsektor“ der „Dienstleistungen“ allgemeine Gemeinsamkeiten finden lassen, durch welche sie sich als von „Sachleistungen“ eindeutig unterscheiden lassen.“ (Greif 2015, 53 ff.).

Kessl und Otto (2011) zufolge entstand die Idee, Soziale Arbeit als Dienstleistung zu begreifen, in den 1970er Jahren. Die Idee ist zu verstehen aus dem Impuls, die bis dato vorherrschende fürsorgerische Vorstellung Sozialer Arbeit als nicht mehr zeitgemäß zu kritisieren und durch ein alternatives Konzept zu ersetzen. Die Idee folgte einem „Modernisierungs- und Innovationsinteresse“ (Kessl / Otto 2011, 394) der Sozialen Arbeit. Der Impuls mobilisierte die „Verheißungen der Dienstleistungsgesellschaft“, die der Soziologe Peter Gross bereits in den 1980er Jahren charakterisiert hat als „[…] gesellschaftliche(n) Fortschritt, mit einer humanen Form der Erwerbstätigkeit, mit einer neuen Zwischenmenschlichkeit“ (Gross, zitiert nach Kessl / Otto 2011, 394). Der erwartete Innovationsschub käme, so die Dienstleistungsprotagonisten, zustande, wenn die Rolle der „Konsumenten“ gestärkt würde. Diese Konsumentenorientierung wurde der „zentrale Fortschritts- und Emanzipationsmarker“ (Kessl / Otto 2011, 399). Neben einem solchen Innovationsschub wurde von den Vertretern der Dienstleistungsvorstellung die Auflösung hierarchischer Verhältnisse zwischen Sozialarbeiter und Nutzer und die Umgestaltung der Beziehung zu einem Anbieter-Kunden-Verhältnis erwartet sowie eine Rückstufung sozialpädagogischer Expertise zugunsten von Klientenbedürfnissen und -interessen (Kessl / Otto 2011, 394 ff.).

Als zentrale Merkmale von Dienstleistungen wurden ausgemacht (nach Greif 2015, 56 ff.):

¦Körperlosigkeit des Gegenstandes,

„[d]as heisst, dass reine Dienstleistungen nicht betrachtet, berührt, festgehalten oder gelagert werden können – sie haben keine physische Erscheinung.“ (Schneider / White, zitiert nach Greif 2015, 56)

¦Untrennbarkeit von Herstellung und Verbrauch (uno-actu-Prinzip); die Herstellung setzt die Präsenz des Kunden voraus und erfolgt gleichsam im Inneren des Kunden

¦Heterogenität der Prozesse – aufgrund der Personenbezogenheit der Dienstleistung folgt aus der Unterschiedlichkeit der Personen (Konsumenten) auch eine Vielfalt der Dienstleistungsverläufe

Die Vorstellung, Soziale Arbeit als Dienstleistung zu begreifen, kann mittlerweile als etabliert gelten. Dass sie sich durchgesetzt hat, hat womöglich nicht so sehr mit der Überzeugungskraft dieses Deutungsmusters von Arbeit zu tun, sondern eher mit der Passfähigkeit zu allgemeinen gesellschaftlichen Tendenzen, die durch Individualisierung und Vorstellungen von Autonomie und Mitsprachansprüchen gekennzeichnet sind. Die Gängigkeit der Vorstellung ist in diesem Sinne vielleicht eher dem Zeitgeist geschuldet als der argumentativen Stichhaltigkeit oder der realen Angemessenheit, wie im Folgenden gezeigt wird.

2.2.2Dienstleistung – ein fragwürdiges Deutungsmuster für Beratung

Die politischen und professionstheoretischen Implikationen dieses Dienstleistungsdiskurses tangieren auch das professionelle Selbstverständnis der Beraterin. Sie stellt sich die Frage: „Bin ich eine Dienstleisterin?“. Für ihre Haltung zum Thema Dienstleistung sei auf folgendes hingewiesen:

Man muss dem Dienstleistungsdiskurs mit großem Nachdruck eine massive Interaktionsvergessenheit vorwerfen. Der Soziologe Peter Gross, einer der „Väter“ des Dienstleistungsdiskurses in Deutschland, hatte noch darauf hingewiesen, dass für den Begriff der Dienstleistung ursprünglich dessen prozessualer Charakter bestimmend gewesen war, dieser jedoch dadurch, dass der Begriff in die Fänge der Wirtschaftswissenschaften geriet, deren Logik entsprechend primär als „Gut“, also unter Produktgesichtspunkten behandelt wurde. „Die Dienstleistung, auch die uno-actu-Leistung, verliert mit ihrer Erhebung zum wirtschaftlichen Gut und der Gleichstellung mit materiellen Gütern sozusagen ihren interaktiven Charakter“...


Prof. Dr. Werner Pfab, Dipl.-Psych., Kommunikationswissenschaftler, Fulda, ist Professor i.R. für Theorie und Praxis sozialer Kommunikation.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.