E-Book, Deutsch, 260 Seiten, eBook
Passoth Technik und Gesellschaft
1. Auflage 2008
ISBN: 978-3-531-90844-1
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Sozialwissenschaftliche Techniktheorien und die Transformationen der Moderne
E-Book, Deutsch, 260 Seiten, eBook
ISBN: 978-3-531-90844-1
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Jan-Hendrik Passoth rekonstruiert die Entwicklung sozialwissenschaftlicher Techniktheorien von der frühen Moderne bis zur Gegenwart. Ziel ist es, eine Verfestigung von zwei Erklärungsmustern zu untersuchen, die sich während der Entwicklung gebildet hat. Diese Erklärungsmuster unterscheiden sich im Kern darin, dass sie entweder der Technik oder der Gesellschaft ein besonderes Gewicht einräumen. Die Varianten der Erklärungsmuster ändern sich mit den Veränderungen der modernen Technik und Gesellschaft. Der Umgang mit den Herausforderungen der Moderne hat auch zu einer Dichotomie in Bezug auf Begriffe und Grundannahmen geführt. In Auseinandersetzung mit drei zeitgenössischen Alternativen formuliert der Autor zudem Grundfragen einer sozialwissenschaftlichen Techniktheorie, die die Trennung von Technizismus und Kulturalismus zu vermeiden versucht.
Jan-Hendrik Passoth ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter (Post-Doc, Medien- und Techniksoziologie) an der Universität Bielefeld.
Zielgruppe
Research
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;Inhalt;7
2;Vorwort;11
3;1 Einleitung;13
3.1;1.1 Technik, Moderne und die Sozialwissenschaften;13
3.2;1.2 Die zwei Kulturen und der Science War;21
3.3;1.3 Technik-, Sozial- und Gesellschaftstheorie;24
4;2 Rekonstruktionen von Theoriegeschichte: Methodische Vorbemerkungen;31
4.1;2.1 Realismus und Pragmatismus;31
4.2;2.2 Fünf Herausforderungen;32
4.3;2.3 Möglichkeiten einer pragmatistisch-realistischen Position;36
5;3 Methodische Konsequenzen: Problembezüge, Historizitäten und Entwicklungen;41
5.1;3.1 Problembezüge: Das Feld sozialwissenschaftlicher Techniktheorien;43
5.2;3.2 Historizitäten: Die Entwicklung von Technik und Gesellschaft und die Transformationen der Moderne;52
5.3;3.3 Entwicklungen: Progressionen und Degressionen;63
5.4;3.4 Eine Arbeitsheuristik;64
6;4 Kunstfertige List und instrumentelles Denken: Antike und frühe Neuzeit;69
6.1;4.1 Technische Kunst zur Überwindung menschlicher Grenzen;69
6.2;4.2 Spielzeuge, Waffen und Bauwerke;71
6.3;4.3 Instrumentalismus und außerweltliche Zwecksetzung;74
6.4;4.4 Handwerk, Kraftmaschine und Gottesfurcht;76
6.5;4.5 Vom technischen Tun zum technischen Mittel;78
7;5 Befreiung und Rationalisierung: Einrichtung und Krise einer frühen bürgerlichen Moderne;81
7.1;5.1 Befreiung, Ordnung und die Einrichtung einer bürgerlichen Moderne;81
7.2;5.2 Planung, Rationalisierung und die Krise der bürgerlichen Moderne;92
7.3;5.3 Grenzen einer Befreiung durch Technik;100
8;6 Organisierung, Technisierung, Planung: Die fragile Stabilität der organisierten Moderne;103
8.1;6.1 Organisierung, Massengesellschaft und die Schließung der Moderne;103
8.2;6.2 Technisierung, Normierung und die Stabilisierung der Moderne;116
8.3;6.3 Sachgesetzlichkeiten, politische Planung und die Krise der organisierten Moderne;134
8.4;6.4 Organisierung, Technisierung und Planung;153
9;7 Veralltäglichung und Vernetzung: Nach der zweiten Krise der Moderne;157
9.1;7.1 Medien, Computer und neue Wissenschaftstechnik;160
9.2;7.2 Institutionelle Differenzen und die neuen Medien;166
9.3;7.3 Sachbezug und Sozialkonstruktivismus;180
9.4;7.4 Entstehung, Folgen und Gebrauch von Technik;196
10;8 Verwickelte Entwicklungen: Moderne, moderne Technik und sozialwissenschaftliche Techniktheorien;199
10.1;8.1 Antike und früh-neuzeitliche Wurzeln sozialwissenschaftlicher Techniktheorien;199
10.2;8.2 Trennung und Gegenüberstellung von Technik und Gesellschaft in der frühen bürgerlichen Moderne;200
10.3;8.3 Bifurkation von Technizismus und Kulturalismus in der organisierten Moderne;203
10.4;8.4 Unvereinbarkeiten nach der zweiten Krise der Moderne;210
10.5;8.5 Ergebnisse der theoriegeschichtlichen Rekonstruktion;212
11;9 Einige mögliche Alternativen;219
11.1;9.1 Aktor-Netzwerk-Theorie: Menschliche und nicht-menschliche Aktanten;219
11.2;9.2 Pragmatistisch-interaktionistische Technikforschung: Soziale Welten und technische Grenzarbeit;225
11.3;9.3 Systemtheorie: Techniktheorie als Gesellschaftstheorie;232
11.4;9.4 Ausblick: Umrisse einer pragmatistisch-realistischen Techniktheorie;239
12;Literatur;245
Rekonstruktionen von Theoriegeschichte: Methodische Vorbemerkungen.- Methodische Konsequenzen: Problembezüge, Historizitäten und Entwicklungen.- Kunstfertige List und instrumentelles Denken: Antike und frühe Neuzeit.- Befreiung und Rationalisierung: Einrichtung und Krise einer frühen bürgerlichen Moderne.- Organisierung, Technisierung, Planung: Die fragile Stabilität der organisierten Moderne.- Veralltäglichung und Vernetzung: Nach der zweiten Krise der Moderne.- Verwickelte Entwicklungen: Moderne, moderne Technik und sozialwissenschaftliche Techniktheorien.- Einige mögliche Alternativen.
1 Einleitung (S. 13)
1.1 Technik, Moderne und die Sozialwissenschaften
Es ist ein Kennzeichen der Moderne, dass uns Technik auf Schritt und Tritt begleitet. Unser Alltag und unser Arbeitsleben sind bis in die feinsten Verästelungen technisiert. Unser Morgen beginnt mit den schrillen Tönen des Radioweckers, die Körperpflege mit elektrischem Rasierapparat und heißem Wasser aus dem Durchlauferhitzer geht uns ebenso leicht von der Hand wie das Lesen der Nachrichten in den Onlineausgaben der Tageszeitungen und der Genuss des ersten Morgenkaffees aus der vollautomatischen Kaffeemaschine.
Mit modernen Massentransportmitteln oder mit dem eigenen Auto fahren wir durch elektrisch erleuchtete Straßen. Ob Massenproduktion oder Mass-Customization, ob moderne Logistik oder Verwaltung von Akten, ob EDV-gestützter Bürobetrieb mit EMail, Telefon und Videokonferenz oder der Traum vom papierlosen Büro: Am Arbeitsplatz bestimmt Technik längst die meisten Abläufe.
Große Bereiche naturwissenschaftlicher Forschung – man denke nur an das Human-Genome- Project – sind ohne Labor- und Automationstechnologie unmöglich. Elektronischer Handel und die zahlreichen Veränderungen in Produktion, Absatz und Dienstleistung, die mit Automation und elektronischer Ablaufsteuerung einhergingen, haben das Tempo wirtschaftlicher Aktivitäten ins kaum Ermessliche gesteigert.
Wählerstimmen werden automatisiert gezählt, Televoting ist auf dem Vormarsch, und die Herstellung politischer Öffentlichkeiten gestaltet sich durch den Einfluss elektronischer Medien deutlich anders als zu Zeiten des Buches und der Zeitung. Dass in einer Analyse der Moderne die Berücksichtigung von Technik, ihrer Einbindnung in und ihrer Auswirkungen auf das Alltagsleben und alle gesellschaftlichen Teilbereiche kaum auszusparen ist, scheint kaum in Frage zu stehen.
Deshalb – so sollte man eigentlich denken – kann sozialwissenschaftliche Forschung, welche diese Moderne in den Blick nimmt, nicht die Augen davor verschließen, welche Veränderungen die „technische Aufrüstung der modernen Gesellschaft mit sich bringt, dass sie zu analysieren sucht, wie eben diese moderne Gesellschaft, die politischen und ökonomischen Verhältnisse, die rechtlichen Bedingungen, die Praxis des wissenschaftlichen Arbeitens, die institutionel- len Pattern und die kulturellen Deutungsmuster die Entwicklung und Nutzung der modernen Technik geprägt haben und formen.
In der sozialwissenschaftlichen Forschung im Allgemeinen und der soziologischen Theorie im Besonderen aber führt die Technik ein merkwürdiges Schattendasein. Technik als Bestandteil der modernen Gesellschaft kommt in moderner Sozial- und Gesellschaftstheorie explizit nur am Rande vor. Und erst seit den 1970er-Jahren kommt Technik im Rahmen zeitdiagnostischer Arbeiten als spezifisches und riskantes Phänomen der Moderne, Spät- oder Postmoderne in den Blick.
Dabei gibt es – ein wenig abseits von den Debatten um die zentralen Probleme der Sozial- und Gesellschaftstheorie – schon seit den Anfängen institutionalisierter Sozialwissenschaften eine lange Reihe von Versuchen, die Zusammenhänge von Technik und moderner Gesellschaft zu verstehen.
Bei näherem Hinsehen wird sogar deutlich, dass es eine lange Entwicklung sozialwissenschaftlicher Techniktheorie gibt, an die Arbeiten zur Theorie der Moderne meist implizit und nur selten explizit anschließen: Sei es, indem sie deren Erklärungsmuster wiederholen oder bestreiten, sei es, indem sie sich nur auf einzelne Autoren dieser Debatten beziehen.
Und nicht nur sozialwissenschaftliche Texte, auch die öffentliche Diskussion über den Segen und die Gefahren moderner Technik ist ganz deutlich von Argumenten geprägt, die in dieser Theorietradition seit über einem Jahrhundert verhandelt werden.Ziel dieses Buches ist die Rekonstruktion einiger der Entwicklungen, die dieses große und diffuse Feld unterschiedlicher Theorien in den letzten 150 Jahren durchgemacht hat, sowie die Explikation der zentralen Prämissen und Schlüsse.