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E-Book, Deutsch, 160 Seiten

Metzger Bauen für Demenz

E-Book, Deutsch, 160 Seiten

ISBN: 978-3-86859-931-2
Verlag: De Gruyter
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Im Zuge des demografischen Wandels ist die Architektur heute und in der Zukunft mehr denn je gefordert, die Gestaltung von Wohnsituationen für alternde Menschen und vor allem solche mit Demenz neu zu denken. Mit zunehmendem Alter sind wir mehr denn je auf eine räumliche Umgebung angewiesen, die uns nicht nur positiv beeinflusst, sondern vor allem in unseren Alltagsaktivitäten unterstützt und altersbedingte Beeinträchtigungen ausgleicht. Im Zentrum neuer Anforderungen steht eine multisensorische Architektur: Farb und Lichtgestaltung, Klangdesign, sinnlich erfahrbare Materialien und Oberflächen sowie haptisch attraktive Formen ermöglichen erst eine Raumatmosphäre, in der Bewohner sich wohlfühlen. Diese bietet Sicherheit und Orientierung und fördert motorische und kognitive Fähigkeiten. Bauen für Demenz wurde als ein Leitfaden für eine zeitgemäße und würdevolle Architektur entwickelt, die Menschen mit Demenz gerecht wird und sie als inklusiven Teil der Gesellschaft versteht.
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Architektur neu denken Dieses Buch ist das Ergebnis einer Suche nach einem neuen Denken von Architektur. Es geht um Bauwerke und die durch sie angelegten Räume der Bewegung. Nicht nur, aber vor allem für eine alternde Gesellschaft. Die Recherchen zum Thema haben mein Denken über das Leben im Alter und die in dieser Lebensphase zunehmend notwendig werdenden körperlichen Tätigkeiten und Bewegungen drastisch verändert. Denken in Architektur bedeutet ein Sich-einrichten-Können in einer Umgebung mit bergenden Räumen, um im leiblichen Wohnen zu Hause zu sein.1 Die hier zum Tragen kommende Metaphorik ist in wesentlichen Teilen einer Phänomenologie des Körpers verpflichtet und überträgt diese auf die Architektur. In Erweiterung bestehender Entwürfe wird Bewegung als zentrales Motiv eingeführt. Zunächst aber werden Geborgenheit und Wohnen als Einheit gedacht. Es wird im Verlauf aufgezeigt, dass altersgerechte Formen des Wohnens anfangs nur einen unwesentlich höheren finanziellen Aufwand erfordern, der berechtigt ist. Gute Architektur erhält nicht nur im Alter die Gesundheit. Sie rechnet sich in allen Bereichen, immer vorausgesetzt, dass Bewegung durch die Anlage des Gebäudes in dessen Innen- wie Außenbereichen gefördert wird und die Motivation über lange Zeiträume erhalten bleibt. Auf der Suche nach einem Haus des Altenwohnens in Vals, Graubünden, dem Ort, der in der Welt der Architekten durch Peter Zumthors Felsentherme bekannt ist, wurde meiner Frage nach dem Altenhaus nur mit Kopfschütteln begegnet. Die Menschen im Ort bleiben bis zu ihrem Lebensende in ihren Häusern mit den Nutzgärten. Ein in den 1990er Jahren errichtetes Haus für die Alten steht fast leer. Es besteht kein Bedarf. Das Bild der Alten in Vals begleitet mich, es deutet Grundlagen guten Wohnens an, die in Ansätzen und mit Modifikationen auch in urbanen Regionen realisierbar sind. Phänomene Mein Plädoyer gilt einem radikalen Wandel, einem grundlegend neuen Verständnis des Altenwohnens, das aktuell noch dazu angelegt ist, Bewegung im Haus und dessen Umgebung eher zu verhindern anstatt zu fördern. Es benennt dramatische Fehler der Vergangenheit, die bis heute fortwirken und das Wohnen im Alter zu großen Teilen bestimmen. Es zeigt aber auch Alternativen auf: Architektur wird als potenzieller Bewegungsraum betrachtet, der kommunikative und motorische Anregungen zu bieten vermag. Damit entspräche Architektur dem biologischen Plan des Menschen, dessen Organismus in allen Lebensphasen nur durch regelmäßige Wechsel von Bewegung und Ruhe sein stabiles Gleichgewicht erhält – was ein gesundes Leben in allen Phasen und vor allem im Alter überhaupt erst möglich macht. Veränderungen in Richtung eines altersgerechten Wohnens bei einer frühen Planung von neuen Gebäuden machen die Beteiligung sämtlicher Gruppen nötig. Es gilt, Bewegung der Menschen im Gebäude nicht nur als selbstverständlichen Bestandteil zu integrieren, sondern zum Zentrum der Planung zu machen.2 Stimulierende Wege für die Bewohner und kurze Wege für die Pflegekräfte bilden Anforderungen, die frühzeitig bei der Planung berücksichtigt werden sollten. Architektur mit guten Raumplänen und sensorisch wirksamen Materialien werden unweigerlich im Bereich der Altenpflege zum Schlüssel für ein würdiges Wohnen im Alter. Bewohner, pflegende Menschen und Angehörige profitieren gleichermaßen davon.3 Details der Möblierung und Ausstattung werden unter dem Aspekt der Ergonomie und sensorischen Qualität ebenso behandelt wie die funktionalen Elemente von Tür- und Fenstergriffen, Schaltern, Armaturen im Badezimmer sowie Handläufen. Ein weiterer Bereich gilt der Haustechnik und deren Möglichkeit einer individuellen Belüftung und Klimatisierung. Der Versorgung mit für das Alter angemessenen Lichtquellen gilt das Interesse genauso wie der Ausstattung mit Medien und der Einbringung von Schallschutzmaßnahmen. Wärmezonen und absorbierende Flächen werden ebenso berücksichtigt wie Attraktionen, die Bewegung anregen – idealerweise mit dem Wechsel der Jahreszeiten verbunden. Ebenso wichtig wie Details sind die Beschaffenheit der Topografie, das vorherrschende Binnenklima sowie die Standorte der Häuser. Zentren sind zu bevorzugen, Gebäudekomplexe außerhalb von Städten müssen in Strukturen örtlichen Lebens eingebettet sein, Randlagen sind möglichst zu meiden, die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr wird vorausgesetzt.4 Was in den Niederlanden bereits als Raumkonzept für besonders anregende Räume aus der Installationskunst und den Stimulanzien des Cannabiskonsums5 in die Altenpflege übernommen wurde, kann aufgegriffen, weiterentwickelt und um historische Ansätze erweitert werden, wenn es um überdachte Wandelgänge und sensorische Attraktionen von Kurorten geht. Ortsverschiebungen, Translokationen sind nicht nur in der Kunst des späten 20. Jahrhunderts als Verfahren bekannt, nein, bereits viel früher wurden Orte simuliert, die es so nicht wirklich geben konnte. Ich erinnere mich daran, dass meine Großeltern in den 1950er Jahren ihre Spaziergänge am Waldrand in einer besonderen Meeresluft machten – nicht nur an der Küste der Nordsee, sondern auch in Bad Orb in einem Gradierwerk. Salzhaltig mineralisierte Luft rieselt dort in langen Gängen an Schwarzreisig herunter, verdunstet und kühlt. Eine ähnlich frisch-belebende Atmosphäre wie eine Meeresbrise entsteht auf dem Gelände, das wie ein Plateau mit alten Laubbäumen im Kurpark angelegt ist. Das Gradierwerk im Naturpark Spessart des Main-Kinzig-Kreises hat Gesundheit und Wohlbefinden meiner Großeltern gefördert. Die Anlage, im Jahr 1806 errichtet, funktioniert noch heute und zählt, neben dem Panorama der Skyline von Frankfurt am Main, zu den bauhistorisch bedeutendsten Werken in Hessen. Bauen für Demenz ist von der Überzeugung getragen, einen Beitrag zum notwendigen Wandel6 im Verständnis und in der Umsetzung des Altenwohnens zu leisten. Die Argumentation speist sich aus Erfahrungen, die systematisch für raumbildende Verfahren geordnet wurden. Allgemein fördern stimulierende Räume das Wohlbefinden, körperliche wie geistige Aktivität, die in täglich zurückgelegten Strecken und Frequenzen von Interaktionen messbar sind.7 In der Häufigkeit der Kontakte kann oft bereits der mentale Zustand des Menschen empirisch erfasst werden. Der Gang durch die einzelnen Kapitel des Buches verbindet persönliche Erlebnisse im Kontext von Typen der Bewegung, die in Bildern vorgestellt werden. Die kleinen Episoden reichen von der Kindheit bis in die Gegenwart. In manchen Passagen wird dem Leser eine Erzählung geboten, die einer biografischen Perspektive entstammt und Formen des Wohnens sowie Erfahrungen mit Räumen beschreibt. Wohnen, Denken und Sprechen werden als eine Einheit angenommen, Übergänge zwischen Disziplinen erprobt, Forderungen und Konzepte der Demenztherapien aufgegriffen, um in bauliche Kontexte überführt zu werden, die Erinnerungen ansprechen.8 Dabei wird das Denken als Vorgang des Einschreibens und Vertiefens ins Gedächtnis verstanden, dessen Nervenbahnen in den Hirnarealen als vitale Pfade der Kognition nachweisbar sind.9 Das Denken der Gedanken wird mit Wegen des Lebens in prägenden Gebäuden und ihrer Umgebung aus der Literatur aufgegriffen und weiterentwickelt.10 Daher wurde die Gliederung des Buches einer Systematik unterworfen, die mit der Schilderung eines Lebensweges und dessen Räumen beginnt. Ein solches Muster kann sicherlich auf viele Biografien übertragen werden, um individuelle Erfahrungen mit Architektur zu gewinnen. Mag man auch den Gang der Erzählung infrage stellen, die Authentizität der Bilder ist belegt und gesichert. So wie jeder physikalische Körper einen Schwerpunkt hat, so gilt meine Suche dem vergleichbaren Mittelpunkt eines Gebäudes. Das Bild des Herdes als Altar des Hauses kann anschaulich machen, wie sich Räume in Gesetzen der Physik und als Zentrum sinnlichen Erlebens verbinden lassen.11 Die Schilderungen der Kindheit spiegeln ebensolche Erfahrungen zentraler Orte im Haus. Erinnerung lebt in Räumen und besonders in sensorischen Erlebnissen.12 Umgekehrt sollen vernachlässigte Anforderungen an Räume benannt und bestehende schlechte Räume unter Bezugnahme auf Michel Foucault kritisiert und mit den Zwangsmaßnahmen von körperlichen Strafen in Zusammenhang gebracht werden. In diesem Kontext gilt der Frage besondere Aufmerksamkeit, inwieweit die strikt funktionalen Formen und das hoch verdichtete Wohnen im 20. Jahrhundert durch die fehlende, vielleicht sogar vorsätzlich verweigerte Ansprache der Sinne negative Auswirkungen auf den Menschen zeitigen. Die Verdichtung von Räumen steht dem Wunsch nach individuellen Freiräumen entgegen; persönliche Bedürfnisse werden programmatisch geleugnet, wenn Menschen gezwungen werden, sich dem Diktat einer Wohnmaschine13 zu beugen. Die Konsequenzen eines radikalen Funktionalismus des Wohnens14 werden im Hinblick auf das Altenwohnen thematisiert, alternative Möglichkeiten mit Verweisen...


Christoph Metzger

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