E-Book, Deutsch, 246 Seiten
Mende Der Universalismus der Menschenrechte
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-8463-5557-2
Verlag: UTB
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 246 Seiten
ISBN: 978-3-8463-5557-2
Verlag: UTB
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
PD Dr. Janne Mende ist Forschungsgruppenleiterin am Max-Planck-Institut f. Ausländisches Öffentliches Recht und Völkerrecht. Sie lehrt und forscht zu Menschenrechten und dem globalen Regieren.
Autoren/Hrsg.
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Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
1 Menschenrechte und Universalismus
1.1 Das internationale Menschenrechtsregime
1.1.1 Völkerrechtliche Kernelemente des internationalen Menschenrechtsregimes
1.1.2 Weitere Elemente des internationalen Menschenrechtsregimes
1.1.3 Instrumente der Durchsetzung von Menschenrechten
1.1.4 Unteilbarkeit der Menschenrechte
1.1.5 Menschenrechte und staatliche Souveränität
1.1.6 Rechtliche, politische und moralische Dimensionen der Menschenrechte
1.1.7 Transnationalisierung des Rechts
1.1.8 Menschenrechte als Regime
1.2 Der Universalismus der Menschenrechte
1.2.1 Die Doppelläufigkeit des menschenrechtlichen Universalismus
1.2.2 Formen des Universalismus
Vermittlung als Grundlage des vermittelten Universalismus
2 Der Vorwurf „Menschenrechte sind westlich“. Die postkoloniale Kritik am westlichen Universalismus von Menschenrechten
2.1 Postkoloniale Perspektiven
2.2 Westliche und nicht-westliche Elemente im Menschenrechtsregime
2.2.1 Die Idee der Menschenrechte
2.2.2 Die Institutionalisierung der Menschenrechte
2.2.3 Die Anwendung der Menschenrechte
Das Element des pluralen Universalismus
Das Element des machtsensiblen Universalismus
Das Element des partikular vermittelten Universalismus
2.3 Konklusion
3 Der Vorwurf „Es gibt keinen Universalismus“. Die kulturrelativistische Kritik am abstrakten Universalismus von Menschenrechten
3.1 Der frühe Kulturrelativismus
3.2 Der frühe Kulturrelativismus und die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
3.3 Kritiken und Ausdifferenzierungen des Kulturrelativismus Die Praxis der weiblichen Genitalexzision
3.4.1 Die Praxis
3.4.2 Einseitiger Kulturrelativismus
3.4.3 Einseitiger Universalismus
3.4.4 Die weibliche Genitalexzision im Kontext
3.4.5 Der freie Wille und Menschenrechte
Das Element des kulturrelativistisch vermittelten Universalismus
3.5 Konklusion
4 Der Vorwurf „Menschenrechte bedrohen Kulturen“. Die kollektivrechtliche Kritik am individualistischen Universalismus von Menschenrechten
4.1 Gruppenrechte als Minderheitenrechte
4.2 Liberalismus und Kommunitarismus
4.2.1 Charles Taylors differenzierter Kommunitarismus
4.2.2 Will Kymlickas gruppendifferenzierender Liberalismus
4.2.3 Susan Moller Okins feministischer Liberalismus
4.2.4 Kollektive Menschenrechte im Rahmen von Liberalismus und Kommunitarismus
4.3 Indigene Menschenrechte
4.3.1 Die Entwicklung indigener Menschenrechte
4.3.2 Indigenität als Ressource für Gruppen
4.3.3 Indigenität als Imperativ für Individuen
4.3.4 Kollektive und individuelle Menschenrechte
Das Element des gesellschaftlich vermittelten Universalismus
Das Element des kulturreflexiven Universalismus
Das Element des Mehrebenen-Universalismus
4.4 Konklusion
5 Der Vorwurf „Menschenrechte sind für Männer“. Die feministische Kritik am Partikularismus von Menschenrechten
5.1 Feminismus
5.2 FrauenMenschenrechte
5.3 Der Partikularismus der öffentlichen Menschenrechte
Das Element des privat und öffentlich vermittelten Universalismus
5.4 Der Partikularismus postkolonialer, kulturrelativistischer und kollektivrechtlicher Kritiken am Menschenrechtsregime
Das Element des normativen und offenen Universalismus
5.5 Konklusion
6 Der vermittelte Universalismus der Menschenrechte
6.1 Die moralische Dimension der Menschenrechte
6.1.1 Die Rolle der Moral in Menschenrechtsdiskussionen
6.1.2 Zwei Formen von Kritik
Das Element des moralisch vermittelten Universalismus
6.2 Normative Bezugspunkte
6.2.1 Menschenwürde
6.2.2 Leiden
6.2.3 Gesellschaftlich vermittelte Freiheit
6.3 Konklusion
Literaturverzeichnis
Register
Einleitung
Menschenrechte sind universell. Doch was bedeutet das? Der Anspruch auf Universalismus bildet eine fundamentale Grundlage für die Verwirklichung von Menschenrechten für alle, „ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Anschauung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand“ (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Artikel 2).
Einerseits gelten Menschenrechte als universell anerkannt und etabliert. Zumindest formal gibt es einen internationalen Konsens darüber, dass Menschenrechte eine normative Zielvorstellung bilden (Günther 2009: 262, s.a. Lohmann et al. 2005, Deitelhoff 2009a, Heupel/Zürn 2017 u.v.a.).
Andererseits bildet der Universalismus der Menschenrechte immer wieder den Gegenstand von Kritik und Kontroversen. Diese Kontroversen begannen bereits Mitte der 1940er Jahre, als die Vereinten Nationen die Grundpfeiler für das heutige internationale Menschenrechtsregime errichteten. Aktuelle gesellschaftliche und politische Entwicklungen, das Erstarken populistischer Bewegungen, der Rückbezug auf die eigene staatliche Souveränität, Protektionismus und die Hinterfragung multilateraler Zusammenarbeit in internationalen Organisationen (Hooghe et al. 2018, Zürn 2018) stellen den Universalismus der Menschenrechte erneut in Frage.
Angesichts dieses Widerspruchs zwischen dem Universalismus der Menschenrechte und der anhaltenden Kritik daran geht das Buch folgenden Leitfragen nach:
-
Warum gibt es eine vehemente Kritik am Universalismus der Menschenrechte?
-
Inwiefern ist der Universalismus (dennoch) zentral für Menschenrechte?
Daran anschließend rückt die Frage in den Vordergrund, um welchen Universalismus der Menschenrechte es sich handelt – und um welche Kritiken. Sowohl Stimmen, die Menschenrechte als solche in Frage stellen, als auch Perspektiven, die Menschenrechte verbessern wollen, hinterfragen deren Anspruch auf Universalismus. „Worum es heute geht, ist nicht der Universalismus der Menschenrechte, sondern unser Verständnis des Universalismus“ (Brock 1996: 12). Daher werden in diesem Buch sowohl die Kritiken als auch der Universalismus selbst in ihren unterschiedlichen Formen diskutiert:
-
Welche Formen und Effekte weisen die Kritiken am Universalismus auf?
-
Welche Formen und Effekte weist der Universalismus der Menschenrechte auf?
Das Buch diskutiert vier ebenso prägnante wie dominierende Kritiken, die auf die Begrenzungen und den Partikularismus aufmerksam machen, die dem Universalismus selbst innewohnen:
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Postkoloniale Kritik am westlichen Universalismus von Menschenrechten
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Kulturrelativistische Kritik am abstrakten Universalismus von Menschenrechten
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Kollektivrechtliche Kritik am individualistischen Universalismus von Menschenrechten
-
Feministische Kritik am Androzentrismus von Menschenrechten
Die feministische Kritik verweist darüber hinaus auf die partikularistischen Grenzen der anderen Kritiklinien. Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, dass die vier Kritiken nicht unverbunden nebeneinanderstehen, sondern sich an zahlreichen Stellen überkreuzen. Deutlich wird auch, dass es in Kritiken am Universalismus der Menschenrechte nicht ausschließlich um partikulare Perspektiven geht, die universalistische Ansprüche zurückweisen. Vielmehr können dem Universalismus der Menschenrechte auch andere, beispielsweise religiös, kulturell oder (geo-)politisch begründete Universalismen entgegengestellt werden. Nicht alle dieser Kritikformen können im Rahmen dieses Buches behandelt werden. Allerdings sind die vier ausgewählten Kritiklinien repräsentativ für Menschenrechtsdiskussionen und tauchen in diesen und vergleichbaren Formen auch in anderen Feldern auf.
Insgesamt besitzt jede der vier im Buch diskutierten Kritiklinien das Potenzial, die Idee der Menschenrechte sowohl zu stärken als auch zu schwächen. Entscheidend sind die jeweiligen Ausprägungen und Grundannahmen. Dieses Buch konzentriert sich auf diejenigen Perspektiven, welche den Universalismus der Menschenrechte nicht grundsätzlich hinterfragen und die menschenrechtlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte nicht einfach rückgängig machen, sondern voranbringen wollen.
Um den Universalismus der Menschenrechte anschließend an die Kritiklinien in einer produktiven Variante weiterzuentwickeln und zu stärken, schlägt das Buch das Konzept eines vermittelten Universalismus vor, der in der Lage ist, einen Umgang mit widersprüchlichen Konstellationen zu finden. Geprägt ist das Konzept des vermittelten Universalismus somit von dem Vorhaben, Universalismus-kritische Perspektiven in ihrer produktiven Variante einzubeziehen. Vermittlung bezeichnet den Anspruch, mögliche Widersprüche nicht lediglich auf die eine oder andere Seite hin aufzulösen, sondern die produktiven Aspekte der verschiedenen Seiten herauszuarbeiten, um ihre Stärken zu bewahren, und gleichzeitig problematische Aspekte auf allen Seiten zu identifizieren.
Aus der Diskussion der Kritiken und ihrer Einbettung in weiterführende Auseinandersetzungen und Theorieströmungen entwickelt das Buch elf Elemente, die den vermittelten Universalismus der Menschenrechte kennzeichnen:
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Vermittlung als Grundlage des vermittelten Universalismus
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Pluraler Universalismus
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Machtsensibler Universalismus
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Partikular vermittelter Universalismus
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Kulturrelativistisch vermittelter Universalismus
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Gesellschaftlich vermittelter Universalismus
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Kulturreflexiver Universalismus
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Mehrebenen-Universalismus
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Privat und öffentlich vermittelter Universalismus
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Normativer und offener Universalismus
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Moralisch vermittelter Universalismus
Die Kritiken am Universalismus der Menschenrechte können in einer produktiven Lesart also helfen, den Universalismus der Menschenrechte so zu entwickeln, dass er seinen eigenen Ansprüchen genügen kann: dass Menschenrechte universell sind. Diesem Anspruch zu genügen ist weder automatisch gegeben noch einfach zu erreichen. Es bedarf der Reflexion auf eigene Vorannahmen und Setzungen, auf Widersprüche und auf die auch in universellen Ansprüchen produzierten Ein- und Ausschlussmechanismen.
Hilfreich dafür ist eine disziplinär offene Perspektive, die das Konzept eines vermittelten Universalismus grundiert. Dieses Buch ist in der Politikwissenschaft verortet und verbindet die politikwissenschaftliche Subdisziplin der Politischen Theorie mit den Internationalen Beziehungen im Rahmen einer Internationalen Politischen Theorie (vgl. Mende 2015b: 208). Diese politikwissenschaftliche Verortung wird erweitert und ergänzt durch ethnologische, völkerrechtliche und soziologische Perspektiven, die das Buch in einen allgemeineren sozialwissenschaftlichen Rahmen einbetten.
Das Buch verfolgt zwei Ziele. Zum einen bietet es eine Einführung in das Menschenrechtsregime, dessen Kritiken und die jeweils zugrundeliegenden Debatten und Denkschulen. Zum anderen entwickelt das Buch aus den Debatten heraus einen eigenen Beitrag: Das Konzept des vermittelten Universalismus und dessen elf Elemente bieten einen Anknüpfungs- und Diskussionspunkt für aktuelle und weiterführende Perspektiven auf die Möglichkeiten und Grenzen des Universalismus der Menschenrechte.
Das Buch entwickelt seine Argumentation in sechs Kapiteln:
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bietet eine Einführung in die Menschenrechte und stellt die wesentlichen Bezugspunkte des internationalen Menschenrechtsregimes mit seinen völkerrechtlichen, politischen, moralischen und normativen Dimensionen vor. Der Überblick über die Idee der Unteilbarkeit der Menschenrechte, das Verhältnis von Menschenrechten und staatlicher Souveränität, die Analyseperspektiven und die Konturen des Menschenrechtsregimes vermitteln ein Bild von der Pluralität und Heterogenität dessen, was im Begriff der Menschenrechte zusammengezogen wird. Schließlich bietet Kapitel 1 auch eine Einführung in den Universalismus der Menschenrechte: dessen Doppelläufigkeit, dessen Formen und dessen Vermittlung. Die an dieser Stelle vorgestellte logische Struktur der Vermittlung bildet die Grundlage, um die im Weiteren entwickelten Elemente des vermittelten Universalismus zu greifen.
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diskutiert postkoloniale Kritiken am westlichen Universalismus der Menschenrechte. Es erläutert den Anspruch...




