E-Book, Deutsch, 364 Seiten
Lembcke Tsundoku
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7578-8485-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ich lass das mal so stehen
E-Book, Deutsch, 364 Seiten
ISBN: 978-3-7578-8485-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Vorsicht, bissige Texte! Vor Querlesen wird gewarnt! Ein Quodli-Beet spontan und doch reiterativ aufkeimender zarter Pflänzchen, aus Ranken- wie Sumpfgewächsen, Frühblühern, Mehrjährigen -und reichlich Unkraut. Plauder- wie ernsthafte, mäandrierend und abschweifend die großen und die kleinen Begriffe, Grotesken wie Petitessen einkreisende Gedanken zur Gegenwart, in der sich -zumindest in der Beschreibung- das Ernsthafte gern unter einem cumulus satiricus verbirgt. Eine impressionistische Tour d´Horizon zwischen wahr, wahrscheinlich und Wahrnehmung - kontagiös, mühsam durchaus und mit Wechselwirkungen, die sich aus sorgfältigem Lesen ergeben. Labyrinthische Sätze mit dem Sinn des Leichtsinns, dem man zutraut, veritable Schlaglöcher zu decouvrieren oder auch zu karikieren. Feinsinniges wie Grobsinniges, Kreuzzüge gegen Banalität und intellektuelle Korruption. Nicht durchweg ein "Börne(r)" kontemporärer Glossen, gern aber Reminiszenz.
Bernhard Lembcke kam über seine Erlebnisse als Chefarzt und Professor für Innere Medizin zum Schreiben. Im ersten Werk (Aeskulaps Rhapsodie, 2016) ging es entsprechend um ärztliche Begegnungen, besondere Situationen im Kontext von Medizin und Gesellschaft. Seine weiteren Bücher, -Tsundoku - Ich lass das mal so stehen (2022) ist das achte- beinhalteten hingegen zunehmend gesellschaftliche Fragen, Sichtweisen und grundsätzliche Überlegungen zu Entwicklungen einer Gegenwart, in der Mainstream, Moderne und Substanz nicht immer kongruent erscheinen. Der ärztlich-analytische Blick erscheint dabei hilfreich, Diagnosen und Therapieansätze überlässt der Autor aber den Lesenden.
Autoren/Hrsg.
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Lesebuch eines Schreibenden
Bücher sind Vorrats- und Speisekammer der Bildung. Auswahl und Anschaffung unterliegen der Verantwortung des Nutzers, zudem verhindern sie Überflutung respektive Überfüllung. Ein faszinierendes Buch meiner frühen Jugend war Meyers Konversationslexikon®. Es gab wohl nichts, auf das dieses eine, sehr alte, in grobes Leinen gebundene und bereits väterlicherseits etwas abgegriffene Buch aus den Anfangsjahren des 20. Jahrhunderts keine Antwort parat hatte. Entsprechend wurde es vielfach benutzt, anders als vielleicht hernach ein repräsentativer Brockhaus® mit seinen dekorativen Bänden und seinem Anspruch an umfassendes Wissen. Aber so etwas überwiegend Repräsentatives besaßen wir nicht. Heute schätze ich die neuen Möglichkeiten der Information durch die IT im Alltag außerordentlich und nutze sie durchaus, ganz gewiss auch mehr, als früher Meyers Konversationslexikon. Aber die Halbwertszeit des einst mit der haptischen Begleitung eines Buches erworbenen Wissens erscheint mir deutlich länger, als die der eher flüchtigen Eindrücke auf der Oberfläche von iPad® oder PC. Könnte es sein, -nur so ein oberflächlicher Gedanke- dass diese Oberfläche heißt, weil sie Wissen oberflächlich in oberflächliches, nur temporäres „Wissen“ transformiert? Schließlich wußte schon Goethe „Denn was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen.“ (Faust I, Vers 1966f, 1808). Sicher, Wissen hat per se in der Auffassung Vieler, gerade auch der Wissenschaft (zu Recht) eine kurze Halbwertszeit, aber die Befähigung, sich tagtäglich auf neue Erkenntnisse einzulassen, diese zu reflektieren und zu nutzen wurde geradezu zum Sinnbild der Moderne. Egal, ob wir das nun können oder nicht. Ein Sinnbild des Unsinns. Heute ebenso wie -Überraschung!- früher. Befunde wie Erkenntnisse sind per se noch kein Wissen. Das Wissen resultiert aus der angemessenen Einordnung der neuen „Fakten“ oder auch Gedanken und gedanklich „durchdachter“ (nicht: angedachter) Hypothesen in den Lauf der Zeit, in das Raster der Logik und unserer Plausibilität. Insoweit hat Wissen auch etwas mit Vorstellungen und Vorstellbarkeit zu tun. Das vermag einerseits Wissen zu generieren und zu festigen, gleichzeitig ist es andererseits -ähnlich einer Legierung mit Anteilen unedlen Metalls- die Ursache für seine Korrosion. Was weder an der Notwendigkeit noch der Stabilität einer solchen Legierung etwas ändert. Könnte auch für eine Regierung gelten, oder? Meine Bücher beschreiben sowohl Ursachen ohne Wirkung wie auch Wirkungen, ohne Ursachen zu erkennen bzw. womöglich akzeptieren zu wollen. Ein Beleg dafür, dass sich Kritik und Faszination nicht ausschließen, etwas, das in einer digital entmenschlichten, will sagen: versachlichten Welt nicht mehr vorkommt. Ich will nicht auf Schönheit, Anmut, Kunst oder Kunstwerke verzichten, nur weil deren Urheber womöglich ein Mistkerl irgendeines Geschlechts, ein Rassist oder auch „nur“ ein fehltretend menschlich Fehlender gewesen ist. Aber ich will die Freiheit für (m)eine kulturelle Befähigung, Eindrücke und Werke von Webfehlern der Person oder Persönlichkeit zu trennen, trennen zu können. Anders, als es die „mono“-„kulturelle“ Abrissbirne der Cancel culture vorsieht (la fraternité ou la mort), die ich als eine Abrissbirne von Kultur an sich betrachte. Allerdings hat auch eine solche Freiheit Grenzen. Aber wir leben schon in einer Zeit, in der Abwägung etwas mit Wagen zu tun hat, sogar als ein Wagnis daherkommt. Wenn Angela Merkel mit dem weißrussischen Machthaber als ihr Lösungsbemühen für eine humanitäre Katastrophe telefoniert, verletzt sie den Konsens nahezu aller verbündeten Staaten, diese Person diplomatisch zu isolieren, nachdem diese nach internationaler (vermutlich sehr valider) Einschätzung die letzte Wahl verloren hatte. Aber sie tut etwas, sie macht das, was in ihrer Macht steht. Für Menschen, gegen eine Katastrophe. Auch gegen eine Konvention. Vielleicht geht sie damit einem Kalkül auf den Leim, aber ganz ohne Zweifel wird sie genau das mitbedacht haben. Und deshalb ist Kritik an einer solchen persönlichen Entscheidung vielleicht verständlich, aber dennoch nicht akzeptabel. Auch dann, wenn am Ende kein Erfolg erkennbar gewesen ist. Als Arzt weiß ich nur zu genau, wie desaströs sich ein Defizit an Information, an Details aus der Vorgeschichte eines Patienten, das Fehlen oder die unkorrekte Wahrnehmung einzelner Puzzleteile für Diagnose und Therapie auswirken können. Und weil dazu in der Politik auch Vertrauliches wie auch „Deals“, aber auch „nur“ Fragen und Antworten unter dem Radar der öffentlichen Verlautbarung gehören, -das nennt sich meistens Diplomatie-, können „wir“ das nicht beurteilen. So wird dann Schweigen zu Gold. Aber wir haben ja noch unsere Gedanken. Gedankenrisotto. Bunte Ingredienzen, mit einem Schuss guten Weins geduldig und unermüdlich gerührt. Eine Beilage, gewiss, aber nichts, was sich verstecken müsste, ebenso wenig etwas, das Anlass zum Zerfleischen gäbe, ohne gleich als vegan verdächtigt zu werden. Fehler ex post sind nicht zugleich auch Fehler ex ante. Wie bedeutsam das sein kann, zeigt die aktuelle Diskussion um die Russland-Politik früherer Regierungen und ihrer Vertreter. So halte ich mich mit entsprechenden Einschätzungen, Kritik oder Vorwürfen dezidiert zurück, steht mir doch ein Urteil dazu gar nicht zu und reflektorische Äußerungen auf Zuruf respektive Stichworte wären a) banal und b) ein Grund, sich zu schämen. Das lässt manche Zeilen diffus, unkonkret (damit aber auch balancierter) erscheinen. Manches, gewiss, erscheint als Mäkelei, manches ist Kritik und wieder anderes reklamiert oder rezitiert den Gestus des Leviten-Lesens. Ein Lesen, das allerdings die lesende Auseinandersetzung mit dem vollständigen Text voraussetzt, um sich nicht in einzelnen Maschen der Nuancierung zu verheddern. Also gerade nicht das Dreschen mit dem (…auch: der) Schlagzeilen-Flegel, das sich als „Über“schrift über der Schrift wähnt. Unter den vier Kunstauffassungen, die der Literaturwissenschaftler M.H. Abrams in seiner Schrift „The mirror and the lamp“ (Oxford, 1953) unterscheidet (mimetische, pragmatische, expressive und objektive Literatur), um das wechselseitige Spannungsfeld zwischen Urheber, Werk und Recipienten/Lesern zu charakterisieren, gehören meine Bücher zweifellos in die Schnittmenge von pragmatischer und expressiver Literaturauffassung. „Allwissend bin ich nicht, doch vieles ist mir bewusst“ (Mephisto). Und Widerstand ohne Verstand ist mir wieder zuwider. Goethes bürgerliche Gespräche an Ostern (1801) tauchen antizipativ bereits stark in die biedermeierliche Gedankenwelt ein, die sich speziell in Deutschland so großer Beliebtheit und Perfektion erfreut (hat). Sehnsucht im Kokon vergangener Tage: „Nichts bessres weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen / Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei, / wenn hinten, weit in der Türkei, / die Völker aufeinander schlagen. / Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus / Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten; / Dann kehrt man abends froh nach Haus / Und segnet Fried und Friedenszeiten.“ „Ach ja Herr Nachbar, ja, so laß ichs auch geschehn: / Sie mögen sich die Köpfe spalten, / mag alles durcheinandergehn: / Doch nur zu Hause bleibs beim alten!“ Hatten wir einst dieses perfekte Schneckenhaus, einen idealen Rückzugsort, so folgen uns wie Nacktschnecken inzwischen Schleimspuren der Globalisierung. „Erst wenn die Ebbe kommt, sieht man, wer keine Badehose anhat“ (Warren Buffet). Entsprechend lebt der Traum vom Caravaning und die Verkaufszahlen für derartige Schneckenhäuser boomen. Privatheit und Mobilität. Eine Lebensauffassung und Idealwelt, in der die Gesellschaft als bodenständige Gemeinschaft, die Übernahme von Verantwortung in der und für die Gesellschaft wie auch der „angestammte“ Platz kaum noch ihren Platz finden. Nur temporäre Parkplätze. So wurde aus dem Osterspaziergang in die naszierend erwachende Gegenwart der „nur-kurz-weg“-Kurztrip, dem Hier & Jetzt per Jet entfliehend. Einst der forsch ausladende Schritt und befreites Durchatmen, jetzt das Einpferchen durch eine ökonomisch-imperativ verknappte Sitzbreite, auch in die Luftverschmutzung Ökologiefeindlich verklappten CO2s. Fortschritt bedeutet entsprechend, zu schreiten und nicht,...