E-Book, Deutsch, 68 Seiten
Praxistipps für Lehrkräfte
E-Book, Deutsch, 68 Seiten
Reihe: Inklusiver Unterricht kompakt
ISBN: 978-3-497-61295-6
Verlag: Ernst Reinhardt Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Zielgruppe
LehrerInnen an Regelschulen (Primar- und Sekundarstufe) ohne sonderpädagogische Vorkenntnisse
Autoren/Hrsg.
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2 Sonderpädagogische Unterstützungssysteme im Rahmen der Inklusion In diesem Kapitel werden die inhaltlichen und konzeptionellen Schwerpunkte der sonderpädagogischen Unterstützungssysteme (z. B. Förderzentren, Mobile Dienste) beschrieben und wesentliche Aspekte der Kooperationsprozesse skizziert. Ergänzend werden die mit der Sehbeeinträchtigung oder Blindheit verbundenen spezifischen Lernfelder und ihre Umsetzungsmöglichkeiten im Rahmen der inklusiven Schule beschrieben. 2.1 Organisationsformen Unterschiede In den verschiedenen deutschsprachigen Ländern gibt es unterschiedliche Organisationsformen in Bezug auf die Beschulung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Sehbeeinträchtigung oder Blindheit. Das Spektrum reicht von spezifischen Schulen bzw. Förderzentren, die vorrangig ein eigenes stationäres Unterrichtsangebot für diese Personengruppe vorhalten und erst dabei sind, Formen der Unterstützung im Rahmen von Inklusion zu entwickeln, bis hin zu Einrichtungen, die seit vielen Jahren intensiv im Rahmen der Inklusion an Regelschulen tätig sind. 2.2 Übergeordnete Zielsetzung Im Rahmen der schulischen Inklusion ist es die Aufgabe der Unterstützungssysteme, eine umfassende Teilhabe der SchülerInnen mit Blindheit oder Sehbehinderung an den Bildungs- und Erziehungsprozessen zu gewährleisten, um ein hohes Maß an Partizipation und selbstständiger Lebensgestaltung zu ermöglichen. Schwerpunkte des Arbeitsauftrages sind entsprechend folgende Aspekte: ¦individuelle Diagnostik der Lernausgangslage der jeweiligen SchülerInnen im Bereich der visuellen Wahrnehmung oder der Wahrnehmungsorganisation unter den Bedingungen von Blindheit ¦Unterstützung und Beratung des familiären und sozialen Umfeldes, z. B. in Bezug auf: • konkrete Erschwernisse im Lebens- und Schulalltag • mögliche Besonderheiten in der Entwicklung ¦individuelle Förderung der SchülerInnen, z. B. in Bezug auf: • die Nutzung von Hilfsmitteln • das Erlernen alternativer Schriftsysteme (z. B. Braille) • das Erlernen spezifischer Fähigkeiten zur Förderung der Selbstständigkeit ¦Unterstützung und Beratung der inklusiven Schule, z. B. in Bezug auf: • die Gestaltung der Rahmenbedingungen • die Anschaffung notwendiger Lehr- / Lern- und Hilfsmittel ¦Unterstützung und Beratung der unterrichtenden Lehrkräfte, z. B. in Bezug auf: • die Möglichkeiten methodisch-didaktischer Modifikationen • die Umsetzung notwendiger individueller Fördermaßnahmen • die möglichen Formen des Nachteilsausgleichs ¦Kooperation mit außerschulischen Einrichtungen, z. B. mit: • psychosozialen Diensten • medizinischen Institutionen • Behörden • Krankenkassen • Selbsthilfeverbänden 2.3 Konzeption Für die Umsetzung des skizzierten Arbeitsauftrags erscheinen drei Schwerpunkte von zentraler Bedeutung: Unterstützung vor Ort 1 Die Unterstützung und Beratung der SchülerInnen und ihrer Lehrkräfte und weiteren Bezugspersonen (z. B. Eltern) vor Ort. Dies kann als Kern der sonderpädagogischen Unterstützung begriffen werden. Angebot von Fortbildungen 2 Viele Förderzentren bzw. Mobile Dienste bieten ergänzend zentrale Fortbildungen für die KooperationspartnerInnen (z. B. Lehrkräfte, Schulbegleitungen) an. Die Zielsetzung liegt zum einen auf einer Sensibilisierung für die besonderen pädagogischen Bedürfnisse der SchülerInnen, zum anderen auf dem Aspekt eines Kompetenztransfers. Angebot von Kursen 3 Häufig werden zudem spezifische Fördermaßnahmen bzw. Kurse für die SchülerInnen mit Blindheit oder Sehbeeinträchtigung angeboten. Die Organisationsform dieser Angebote stellt sich sehr unterschiedlich dar und reicht von eintägigen Veranstaltungen am Wochenende bis zu mehrtägigen Angeboten innerhalb der Schulzeit oder in den Ferien. Die Zielsetzung liegt zum einen in der Ergänzung und Vertiefung des Bildungs- und Erziehungsangebotes vor Ort in Bezug auf spezifische Bildungsinhalte (z. B. Unterstützung der Entwicklung sozialer Kompetenz unter der Bedingung einer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit). Zum anderen dient das Angebot einer Peergroup, d. h. der unmittelbare Kontakt zu anderen SchülerInnen mit Blindheit oder Sehbeeinträchtigung, der Stärkung der Identitätsentwicklung. Der Aspekt einer sozialen Peergroup gewinnt aufgrund der geringen Prävalenzrate besondere Bedeutung. Während die SchülerInnen in der inklusiven Schule vor Ort in der Regel die einzigen Kinder oder Jugendlichen mit einer Sehschädigung sind, können sie sich im Rahmen entsprechender Kursangebote mit anderen SchülerInnen austauschen, die im Lebens- und Schulalltag vor ähnlichen spezifischen Herausforderungen wie sie selbst stehen. Die Inhalte der Kurse sind daher ein wichtiger Baustein im Rahmen einer individuell akzentuierten inklusiven Bildung und Erziehung. Alle drei Angebote sind als notwendige Ergänzung zur inklusiven schulischen Bildung und Erziehung vor Ort zu verstehen. 2.4 Kooperation mit der inklusiven Schule vor Ort: Aufgaben und Rollenverständnis subsidiäres Verständnis von Sonderpädagogik Konzeptionelle Grundlage der Arbeitsweise sonderpädagogischer Unterstützungssysteme im Förderschwerpunkt Sehen ist ein subsidiäres Verständnis von Sonderpädagogik. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet dies, dass z. B. eine Schülerin mit Förderbedarf Sehen in erster Linie als Schülerin bzw. als Kind, Jugendliche oder junge Erwachsene der besuchten Schule zu begreifen ist. Sie hat die gleichen grundlegenden Bedürfnisse nach pädagogischer Unterstützung in ihren Lernprozessen, nach „gutem Unterricht“, nach Erfolgserlebnissen und sozialer Anerkennung bzw. Einbindung wie alle anderen SchülerInnen ihrer Klasse auch. Rollenverständnis Sonderpädagogische Unterstützungssysteme im Rahmen der Inklusion begreifen ihre Rolle vor diesem Hintergrund als eine die allgemeine Pädagogik unterstützende und beratende Rolle. Ihre wesentlichen Tätigkeiten lassen sich in diesem Verständnis verkürzt in vier Schwerpunkte zusammenfassen: Unterstützen, Beraten, Fördern und Unterrichten. mögliche Besonderheiten Zwar geht es bei allen Schwerpunkten im Kern um den Abbau von Barrieren auf allen Ebenen (Rahmenbedingungen, Methodik und Didaktik, Nachteilsausgleich, individuelle Förderung). Aber: Die jeweils nur individuell zu bestimmende konkrete Ausgangslage kann sich in einer ganz unterschiedlichen Gestaltung bzw. Gewichtung der Tätigkeiten niederschlagen. Beispiele ¦Bei einem Schüler, der infolge einer fortschreitenden Erkrankung im Rahmen der Primarstufe plötzlich erblindet, könnten sehr stark Aspekte der individuellen Förderung (z. B. Vermittlung von Brailleschrift, Nutzung von Hilfsmitteln) oder des Unterrichtens (z. B. Team-Teaching) im Vordergrund stehen. ¦Bei einem Schüler mit Sehbehinderung auf der Sekundarstufe, der im Lauf seiner Schulzeit eine hohe Selbstkompetenz im Umgang mit Hilfsmitteln entwickelt hat, würde es dagegen vor allem um angemessene methodisch-didaktische Modifikationen des Unterrichts gehen. Hier würden entsprechend eher beratende Tätigkeiten im Vordergrund stehen. Abgesehen von diesen offensichtlichen, die SchülerInnen unmittelbar betreffenden Aspekten, spielen in der Gestaltung der Kooperation aber auch ganz andere Faktoren eine Rolle, wie z. B. die Fragen, ¦ob weitere sonderpädagogische Lehrkräfte anderer Förderschwerpunkte in der Klasse tätig sind oder nicht, ¦ob zur individuellen Unterstützung von dem oder der SchülerIn eine Unterrichtsbegleitung bzw. Assistenzkraft eingesetzt ist oder nicht, ¦und – nicht zuletzt – ob die „Chemie“ zwischen den Beteiligten stimmt oder eher problematisch erscheint. 2.5 Spezifische Bildungsinhalte SchülerInnen mit Blindheit oder Sehbehinderung, die zielgleich inklusiv beschult werden, haben unter Berücksichtigung möglicher Nachteilsausgleiche (Kap. 3) die curricularen Vorgaben der besuchten Schule zu erfüllen. Aufgrund der Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bestehen darüber hinaus jedoch spezifische Lernfelder bzw. Lernbedürfnisse, die sich direkt oder indirekt aus der Einschränkung oder dem Fehlen des Sehvermögens ergeben. Es reicht daher nicht aus, wenn SchülerInnen mit Sehbeeinträchtigung oder Blindheit im Rahmen der inklusiven Schule die jeweiligen fachspezifischen Kompetenzen in...