Kutzmutz / Porombka Erst lesen. Dann schreiben
1. Auflage 2009
ISBN: 978-3-641-01688-3
Verlag: Luchterhand Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
22 Autoren und ihre Lehrmeister -
E-Book, Deutsch, 272 Seiten
ISBN: 978-3-641-01688-3
Verlag: Luchterhand Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Autoren wie Daniel Kehlmann, Robert Gernhard, Marcel Beyer oder Ulrike Draesner und Hanns-Josef Ortheil erläutern im Detail, wie sie sich Vorbilder gesucht und an den Texten dieser Autoren schreiben erlernt haben. Damit geben eine große Anzahl namhafter Schriftsteller in diesem Band Einblick in den intimen Vorgang, wie ihre Werke entstehen. Daraus können nicht nur diejenigen lernen, die mit dem Schreiben selber ernst machen wollen. Diese Selbstauskünfte geben auch den Lesern, die an den Autoren dieses Bandes interessiert sind, welche alle zu den wichtigen der heute schreibenden Schriftstellern gehören, überraschende und äußerst informative Einblicke in ihre Werke.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;Inhalt;6
2;Vorwort;10
3;Zweimal zwei nicht vier;15
3.1;I.;16
3.2;II.;16
3.3;III.;18
3.4;IV.;19
3.5;V.;20
3.6;VI.;20
3.7;VII.;21
3.8;Aufgabe;23
4;Für wahre Leser und erweiterte Autoren;24
4.1;Lesen / Schreiben;24
4.2;Notieren;27
4.3;Projektmanagement;32
4.4;Aufgabe;36
5;Wie man eine Münze wirft und wieder fängt;37
5.1;I. Ein Anfang im Nebel;37
5.2;II. Dickens’ Kunst der Anfänge und Räume;39
5.3;III. Dickens’ Gestalten;45
5.4;Aufgabe 1;49
5.5;Aufgabe 2;51
6;Sinne;52
6.1;I. Bilder;53
6.2;II. Übergänge;56
6.3;III. Bild und Übergang: Übersetzung;61
6.4;Aufgabe 1;64
6.5;Aufgabe 2;64
7;Standbilder eines Chronisten;65
7.1;Aufgabe;76
8;Besuche in der Unterwelt;77
8.1;Aufgabe;87
9;Der magische Realist;88
9.1;Aufgabe;99
10;Auf der Hallelujawiese;100
10.1;Aufgabe;108
11;Das dunkle Reich des Wahnsinns;109
11.1;Aufgabe;118
12;Planlos zum Ziel;120
12.1;Aufgabe;129
13;Schreiben. Spielen. Springen;131
13.1;Aufgabe;139
14;Die Prosa meines Vaters;142
14.1;I.;142
14.2;II.;147
14.3;III.;149
14.4;IV.;153
14.5;Aufgabe:;154
15;Das Zittern der Bilder;155
15.1;Aufgabe;166
16;Der andere Process;167
16.1;I.;167
16.2;II.;169
16.3;III.;175
16.4;Aufgabe;178
17;Autoren sind Ablehner;179
17.1;Aufgabe;182
18;Unendlicher Abschied;184
18.1;Aufgabe;193
19;Sätze bilden;196
19.1;Aufgabe;204
20;Einzelheiten;206
20.1;I.;206
20.2;II.;208
20.3;III.;211
20.4;IV.;212
20.5;Aufgabe;213
21;Mein Bienenjahr lesen;215
21.1;Aufgabe;232
22;Ich sehe, also bin ich;234
22.1;Aufgabe;244
23;Ein Gang durchs Schreibc245
23.1;I. Geniales Sitzfleisch und erster Satz;247
23.2;II. Von der Gestalt und Zahl der Figuren und ihren Räumen;248
23.3;III. Warnung vorm Stillstand: Idyllen und Klischees;250
23.4;IV. Was ist der Konflikt?;251
23.5;V. Tempo, Tempo!;252
23.6;VI. Der Walfänger an der Bergspitze: über Zufälle;253
23.7;VII. Originalität und Niveau;254
23.8;VIII. Von der Schreibblockade bis zur heilsamen Pause;255
23.9;Aufgabe;256
24;Von XY lernen, heiflt …?;258
24.1;Aufgabe;264
25;Leseliste;265
26;Autorinnen und Autoren;267
(S. 87-88)
Der magische Realist Joseph Conrad: Herz der Finsternis [1902] Joseph Conrad gehört zu den Autoren, die mir mein Vater empfohlen hat, deswegen habe ich lange Zeit einen Bogen um ihn gemacht. Seine berühmteste Erzählung Herz der Finsternis – Vorbild für so legendäre Filme wie Apocalypse Now von Francis Ford Coppola – habe ich erst vor wenigen Jahren in New York zur Hand genommen. Aus irgendeinem Grund glaubte ich, dass die Zeit reif sei für diese Geschichte, dass sie jetzt in mein Leben passte. Zum größten Teil habe ich sie in der New Yorker U-Bahn gelesen. Vielleicht tut das etwas zur Sache, vielleicht auch nicht.
Was ihre Entstehung angeht, könnte man lange darüber spekulieren, wie viel der Autor von seiner eigenen verhängnisvollen Kongo-Fahrt in dieser Geschichte verarbeitet hat. Joseph Conrad war Seemann, heuerte schon mit achtzehn Jahren bei der französischen Handelsmarine an und wechselte wenig später in die Dienste der Briten. Fast zwanzig Jahre war er auf den Weltmeeren unterwegs, bevor er sich als Schriftsteller in Südengland niederließ.
Wie so viele Autoren wurde auch er oft auf das Autobiographische reduziert. Hier ist einer zur See gefahren und schreibt Seefahrer- Romane. Hier hat jemand an vielen Expeditionen in die entlegensten Winkel des Kolonialismus teilgenommen und erzählt davon. Man glaubt diesem Mann seine Geschich ten. Aber man vergisst darüber leicht den Schriftsteller Joseph Conrad. Dabei ist schon allein dieser Autor eine Fiktion. Joseph Conrad ist Pole, mit wirklichem Namen Józef Teodor Konrad Nalecz Korzeniowski, Sohn eines verarmten polnischen Landadeligen mit musischen Neigungen, der als Gutsverwalter versagte und aufgrund seiner patriotischen Pamphlete von den Russen in die Verbannung geschickt wurde.
Seine Mutter starb früh an Tuberkulose, sein Vater siechte dahin. Vormund und Mentor wurde sein Onkel, Tadeusz Bobrowski, ein Mann mit festen Grundsätzen und viel Übersicht, der den jungen Józef jedoch nicht halten konnte. Mit siebzehn brach er die Schule ab und verließ das Land, um sich zu erfinden. In das Bild des autobiographischen Abenteuerschriftstellers passt nicht, dass Joseph Conrad in einer Fremdsprache schrieb, die er erst spät – im Alter von fast zwanzig Jahren – zu sprechen gelernt hat. Jedes Wort in einer solchen Sprache ist eine bewusste Entscheidung, das Ergebnis einer Suche und Auswahl.
Nichts ist unbefragte Natur, angeborene, unreflektiert übernommene Rede. Selbstverständlich war Englisch die Verkehrssprache auf den Schiffen, auf denen Conrad arbeitete. Viele seine Erfahrungen hat er in und mit dieser Sprache gemacht. Und möglicherweise hat er irgendwann auch angefangen, in dieser Sprache zu träumen. Doch man darf sich keinen Illusionen darüber hingeben, wie damals auf See gesprochen wurde. Die Währung der Verständigung war eine abgegriffene, sparsame. Sie ähnelte in nichts dem Reichtum und der Tiefe der Beschreibungen, für die Conrad berühmt geworden ist.