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E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Reihe: zur Einführung

Kreuzer Augustinus zur Einführung

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Reihe: zur Einführung

ISBN: 978-3-96060-051-0
Verlag: Junius Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Augustinus (354-430) ist eine zentrale Instanz der europäischen Geistesgeschichte und der christlichen Adaption antiker Philosophie. Seine Erbsünden-, Prädestinations- und Gnadenlehre ist kulturgeschichtlich wirkmächtig geworden – in philosophischer Hinsicht ist sie ein Skandalon. Diesen dunklen Zug im Denken Augustins lässt die Einführung von Johann Kreuzer nicht außer Acht, stellt aber jene Analysen in den Mittelpunkt, die sich in den Hauptwerken "Confessiones", "De trinitate" und "De civitate dei" erarbeitet finden. So wird deutlich, welche Gedankenmotive Augustins Werk zum produktiven Ort der Unruhe in der Geschichte europäischen Denkens haben werden lassen. Nicht zuletzt seine Einsicht in die Unwiederbringlichkeit gelebter Existenz macht ihn zum Gesprächspartner der Gegenwart.
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1. Einleitung
Eine Einführung in Augustinus ist die Einführung in ein widerspruchsvolles Denken. Sein Werk enthält eine in sich antagonistische Vielfalt an Denkmotiven, in der sich zugleich die Ursprünge des europäischen Denkens spiegeln. Eine Einführung in dieses Werk stellt insofern eine Einführung in die Geschichte – und in die ›innere‹, vielleicht verdrängte, vielleicht ängstigende oder auch nur gleichgültig bleibende ›Fremde‹ – dieses Denkens dar. Dabei handelt es sich nicht um den Blick in einen fernen Spiegel entrückter Ideengeschichte. Es geht vielmehr um eine Einladung zur Auseinandersetzung mit Fragestellungen, die unser Denken bis heute prägen. Die Widersprüchlichkeiten, von denen Augustins Werk gekennzeichnet ist, lassen sich nicht um eines monolithischen ›Gesamtbildes‹ willen glätten. Sie zeigen die Verschiedenheit der Ausgangspunkte ›christlichen‹ Denkens in der Epochenzäsur des Endes von Antike.1 Sein Werk dokumentiert in originärer Weise einen sowohl bewusstseinsgeschichtlichen wie soziokulturellen Übergangsprozess.2 Augustin hat diesen Transformationsprozess entscheidend mitgeprägt.3 Zugleich ist sein Werk in gewisser Hinsicht der Ausdruck des Nicht-Gelingens und Nicht-gelingen-Könnens einer ›Synthese‹ der dabei in Frage stehenden Denkmodelle und Denkalternativen. Etwas über die Verwerfungen wie Disharmonien und gleichsam Sollbruchstellen in den Ursprüngen des europäischen Denkens und seiner Geschichte zu erfahren dürfte deshalb nicht der geringste Nutzen einer Einführung in Augustinus und sein Werk sein. Dabei geht es nicht um eine die historischen Differenzen überspringende ›Aktualisierung‹, sondern um die Aktualität von Themen und Fragestellungen, die Augustinus quer zu den üblich gewordenen Epocheneinteilungen stehen lassen. Auf sie, auf die Impulse, die von seinem Denken ausgehen und oft im direkten Widerspruch zu Dogmen stehen, die mit seinem Namen verbunden und traditionsmächtig geworden sind, wird sich die folgende Einführung konzentrieren.4 Problemstellungen und Fragen, die immer noch reizen, gilt es vor manchen Antworten – ›Denkverboten‹ – zu schützen. Eine Einführung in Augustinus ist insofern eine Einführung in eine bestimmte Art, Augustinus zu lesen. Nötig ist ein Perspektivismus der Deutung. Ihm soll die Einzelinterpretation ausgewählter Texte entsprechen. Das zweite Kapitel (»Ausgangspunkte«), in dem die Frühschriften (bis 396) thematisch sind, beschreibt die anfänglichen Einflüsse. Neben dem Studium der Rhetorik (d.h. antiker ›ästhetischer‹ Theorie) sind dies in erster Linie die Stoa, der Manichäismus und der Neuplatonismus, insbesondere Plotins. Die Frühschriften zeigen eine Verschmelzung dieser Motive: ›innerweltliche Skepsis, manichäischer Dualismus, Denken der Transzendenz‹. Der erste Schritt über diese Endpunkte antiken Denkens hinaus ist in philosophischer Hinsicht ein Skandalon, kulturgeschichtlich jedoch nicht nur in Augustins eigener Epoche, sondern auch später – man denke nur an Luther – enorm wirkmächtig geworden. Es handelt sich um den Theoremkomplex der Erbsünden-, Prädestinations- und Gnadenlehre. Insbesondere das Prädestinationstheorem stellt in seiner Rigidität die christliche Fassung eines manichäischen Dualismus dar. Die Verbindung mit dem Mythologem der Erbsünde macht es zum Dokument eines sich radikal verschuldet denkenden Bewusstseins. Als dieses Dokument ist es zu deuten und philosophisch relevant (vgl. Kap. 3 »Erbsünde, Gnade und Prädestination: Augustins Logik der Angst und des Schreckens«). Im Zentrum der folgenden Einführung soll aber nicht dieser ›dunkle‹ Zug in Augustins Denken stehen – so sehr er für die Ablösung vom antiken Paradigma des Glaubens an ein Sich-selbst-Genügen der Vernunft wichtig ist und die Säkularisierung theologischer Denkformen gleichsam von innen heraus initiiert. Im Zentrum dieser Einführung sollen jene Analysen und Einsichten stehen, die sich in den Hauptwerken erarbeitet finden – in den Confessiones (Kap. 4): dem am stärksten rezipierten, De trinitate (Kap. 5): dem theoretisch bedeutsamsten, und De civitate dei (Kap. 6): dem Grundlagentext geschichtsphilosophischer Reflexion und deshalb vielleicht wirkmächtigsten Werk. Mit den Confessiones versucht Augustin, die ca. 396 konzipierte Gnadenlehre literarisch umzusetzen. Das Bekenntnis des Glaubens setzt sich aus dem Bekenntnis der Schuld und dem Bekenntnis des Dankes zusammen (vgl. Kap. 4.1). In diesem Doppelbekenntnis artikulieren sich die ›Nacht‹- und die ›Tagseite‹ des Erinnerungsvermögens. Die Transzendenz der Erfahrung göttlicher Sinnevidenz, die Augustin aus dem Platonismus und von Plotin übernimmt, wird mit der Erinnerung und der Annahme der Endlichkeit faktischen Daseins verbunden (vgl. Kap. 4.2). Dabei kommt die – wie fragil auch immer – sich bildende Identität des Bewusstseins als Geschichte eines individuum ineffabile in epochal neuer Weise zur Sprache. Gotteserkenntnis heißt Erkenntnis und Selbstgegenwärtigkeit des Erinnerungsvermögens. Dass uns am Grund ästhetischer Erfahrung – der »pulchritudo tam antiqua et nova« (Conf. X.27.38) – bewusst wird, was Erinnern heißt und was es als ›Kraft des Lebens im sterblich lebenden Menschen‹ bedeutet, stellt Augustin in den Confessiones in singulärer Weise dar. Der ›Grund liebender Erinnerung‹ ist der Augenblick der Ewigkeit in der Zeit.5 Aus der Bestimmung dieses Augenblicks der Ewigkeit in der Zeit resultiert Augustins – seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts vielfältig rezipierte – Antwort auf seine Frage nach der Zeit (vgl. Kap. 4.3). De trinitate, Augustins theoretisches Hauptwerk, ist der Versuch einer rationalen Rekonstruktion des Theologumenons der Trinität. Die spekulative Erläuterung dieses innersten Kerns christlichen Glaubens bildet eine Konstante in seinem Werk (vgl. Kap. 5.1). Augustin macht hier den Grundgedanken der Fleischwerdung des göttlichen Logos in philosophischer Hinsicht fruchtbar. Insbesondere in den Büchern IX, X und XI von De trinitate führt das zu einer Theorie des tätigen und sich in seiner Endlichkeit begreifenden Geistes (vgl. Kap. 5.2). Zu den Innovationen, die Augustin hier formuliert, zählt die Einsicht in die ›Relationalität‹ und ›Intentionalität‹ unserer Bewusstseinsakte sowie die ›Sprachlichkeit‹, d.h. Sprachgebundenheit des Geistes (vgl. Kap. 5.3). Die Lehre vom ›inneren Wort‹ (De trin. XV) wird zur Grundlage einer das Sprachdenken bis in die Neuzeit bestimmenden ›Logosmetaphysik‹. An De civitate dei wird wie an den Confessiones die Heterogenität der Denkmotive und Denkmodelle deutlich, die Augustins Werk repräsentiert. Die Apologie einer christlichen ›civitas‹ (vgl. Kap. 6.1) führt auf einen in sich mehrdeutigen Dualismus der Geschichtsbetrachtung (vgl. Kap. 6.2). Im Dualismus der beiden ›civitates‹ in De civitate dei kehrt zum einen der manichäische Dualismus von Augustins Jugendzeit wieder. Zum anderen aber folgt aus diesem Dualismus – sofern aus ihm nicht ein überzeitliches Modell eines Verlaufs von Geschichte gefolgert wird – sozusagen der methodische Imperativ der Kritik profaner, d.h. realer Geschichte. Das Gleiche gilt für die Auffassungsweise ihres ›Endes‹. Dieses Ende, der ›siebte Tag‹, lässt sich konventionell eschatologisch verstehen: als ein Heilsgeschehen, das nach dieser Welt und Geschichte auf diese folgt. Die populär-platonische Trennung zwischen der sinnlichen und einer geistigen Welt wird dabei in ein zeitliches (heilsgeschichtliches) Abfolgemodell ›Diesseits – Jenseits‹ projiziert. Der ›siebte Tag‹ lässt sich aber auch als innerweltliches Eschaton verstehen: als Aufhebung der Aporie des Geschichtlichen, die sich in der Sphäre von Geschichte selbst – das gedachte Futurum des Endes der Geschichte vorwegnehmend – erfüllt (vgl. Kap. 6.3). Im abschließenden siebten Kapitel (»Stichworte zur Fortwirkung«) geht es weder um die Geschichte eines ›Augustinismus‹ noch um Systematisierungen seiner Lehre.6 Hingewiesen werden soll vielmehr auf Einsichten und Theoreme, die Augustins Werk zum produktiven Ort der Unruhe in der Geschichte des europäischen Denkens haben werden lassen und bis heute, wenn man so will, ›reizen‹. Zunächst ist dies seine Betonung des Vorrangs der ratio. Auf dieses methodische Postulat der Rationalität etwa wird sich Anselm von Canterbury mit der Formel »fides quaerens intellectum« berufen. Zweitens hat der Kern von Augustins Trinitätslehre, der Grundgedanke der trinitarischen Vermittlung von göttlicher und menschlicher Natur, das weitere Denken bestimmt. Dies betrifft nicht nur die Selbstreflexion des sich in seiner Endlichkeit begreifenden Geistes, sondern ebenso das Insgesamt einer als...


Johann Kreuzer ist Professor für Geschichte der Philosophie an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.


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