E-Book, Deutsch, 143 Seiten, Format (B × H): 148 mm x 210 mm, Gewicht: 230 g
Keiner Thea von Harbou. Die Frau, die METROPOLIS schrieb
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-939988-34-2
Verlag: MEDIA Net-Edition
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Texte & Interviews
E-Book, Deutsch, 143 Seiten, Format (B × H): 148 mm x 210 mm, Gewicht: 230 g
ISBN: 978-3-939988-34-2
Verlag: MEDIA Net-Edition
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Die Drehbuchautorin, Schriftstellerin, Theater-Schauspielerin und Regisseurin Thea von Harbou (1888-1954) hat einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung des deutschen Films ausgeübt; ihre Drehbücher waren von Anfang an mit den – aus heutiger Sicht – bekanntesten Regisseuren der Zeit wie Joe May, F.W. Murnau, Fritz Lang, Hans Steinhoff, Gustav Ucicky, Veit Harlan und Rolf Hansen verknüpft. Viele der diesen Regisseuren heute zugesprochenen 'filmischen Errungenschaften' in Bezug auf Kameratechnik, Architektur, Licht/Schatten etc. entstammten auch ihrer Fantasie.
Wahrgenommen wird sie aber heute – wenn überhaupt – vornehmlich nur noch als die ideologisch und künstlerisch fragwürdige Ehefrau von Fritz Lang, wird zumindest im Zusammenhang mit den gemeinsamen Filmen wie z.B. METROPOLIS (1927), SPIONE (1928), FRAU IM MOND (1929) und M – MÖRDER UNTER UNS (1931) als Drehbuchautorin mit erwähnt, oder sie wird einfach nur, aufgrund ihrer engagierten Mitarbeit am deutschen Film der Jahre 1933-1945, als ‚Nazisse‘ etikettiert.
Das Buch beinhaltet u.a. Interviews mit Zeitzeugen, die Thea von Harbou persönlich, sowohl privat als auch beruflich, erlebt haben: z.B. mit dem ehemaligen Kritiker des Berliner Film-Kurier Hans Feld, mit Conrad von Molo, dem (Mit-)Cutter des Films DAS TESTAMENT DES DR. MABUSE, mit dem Drehbuchautor Felix Lützkendorf, ihrer Büromitarbeiterin Michaela Sarma, geb. Purzner, mit Vinajak Tendulkar, dem Neffen ihrer ‚großen Liebe‘ Ayi Tendulkar, und mit ihrer letzten Sekretärin Elfriede Nagel, geb. Saring.
Außerdem findet der Leser, neben einem Essay zu Leben, Werk und Bedeutung von Thea von Harbou, Beiträge, die – teilweise – neue Sichtweisen auf ihre Biografie werfen: von ihrer Cousine Anne-Marie Durand-Wever, ihrer Sekretärin Hilde Guttmann, dem Regisseur Arthur Maria Rabenalt, dem Indien-Kenner Lothar Günther über ihre Beziehungen zu Indien und von dem Herausgeber des Buches über ihre unbekannte Lebens- und Arbeitssituation in den Jahren 1945-1949.
Zielgruppe
An Filmgeschichte Interessierte. Wissenschaftler. Kultur. Geschichte. Medienwissenschaftler
Weitere Infos & Material
Meine Cousine Thea3
Anne-Marie Durand-Wever Anne-Marie Durand-Wever (30.10.1889–14.9.1970) war eine Pionierin der Sexualaufklärung und Empfängnisregelung: 1952 wurde die Frauenärztin Mitbegründerin von Pro Familia. Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg setzte sie sich für eine frühzeitige Aufklärung von Mädchen ein. Geboren wurde sie als Diplomatentochter in Paris. Durand-Wever wuchs in Chicago auf, wo sie das College besuchte. In Marburg, Straßburg und München studierte sie Medizin. 1916 heiratete sie den deutschen Architekten Wilhelm Durand. Sie arbeitete zuerst als Assistenzärztin an der Münchner Uni-Klinik und eröffnete 1927 in Berlin ihre eigene Praxis. Thea von Harbous künstlerische und schriftstellerische Verdienste mögen Berufenere schildern, ich möchte heute von dem Menschen Thea von Harbou erzählen. Wir lernten uns in Berlin kennen im Winter 1904/05 anlässlich eines Familientreffens. Ihr Vater war einer von den 84 Vettern und Cousinen ersten Grades meiner Mutter. Die Harbous entstammten dem dänischen Uradel und waren zum Teil in Schleswig-Holstein ansässig gewesen. Theas und mein Großvater waren Brüder, die 1866 auf preußischer Seite gegen ihre dänischen Brüder gekämpft hatten. So waren sie beide in deutsche Staatsdienste getreten. Theas Vater war Forstmeister im Sächsischen und sie selbst von Erzieherinnen erzogen worden. Sie war nur 1/2 Jahr älter als ich, aber als wir uns kennen lernten, war sie bereits eine junge Dame, während ich ein richtiger Backfisch – heute sagt man ‚Teenager‘ – war, und noch zur Schule ging. Sie spielte Geige, und was mir besonders imponierte, sie dichtete, und zwar nicht etwa Liebesgedichte, wie das ihrem Entwicklungsstadium entsprochen hätte, sondern solche, die sogar kunstverständigen Erwachsenen Eindruck machten. Sie imponierte mir maßlos, aber trotzdem schlossen wir eine Freundschaft, die durch ein langes Leben gehalten hat. Ich musste zurück nach USA, wo mein Vater das Deutsche Reich vertrat, hörte dann aber, dass Thea Schauspielerin geworden und am berühmten Meininger Theater als Jungfrau von Orleans aufgetreten war. Entsetzen in der ganzen Familie Harbou. Der Chef der Familie versuchte ihr zu untersagen, den Namen Harbou auf der Bühne zu führen, nur meine Mutter, die durch ihr Auslandsleben einen weiteren Horizont hatte, trat gegen diesen Familienbeschluss auf, sie wusste durch ihre Tochter von den Selbstständigkeitsbestrebungen der jungen Frauengeneration und hatte nicht nur Verständnis, sondern auch Bewunderung für ihre Nichte. So gehörten wir zu den wenigen aus Theas weiterer Verwandtschaft, mit denen sie nicht jeden Kontakt abbrach. Ein enges Verhältnis verband sie mit ihrem Bruder Horst und dessen Familie. Thea wurde während ihrer schauspielerischen Laufbahn ständig von Mutter und Großmutter, einer französischen Marquise, begleitet, wo immer sie sich in der Öffentlichkeit zeigte. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg veröffentlichte sie ihr erstes Buch Der Krieg und die Frauen, das während des Krieges eine ungeheure Verbreitung hatte und ihren Namen in ganz Deutschland bekannt machte. Sie hat sehr bald die Schauspielerei aufgegeben, um sich ausschließlich einer schriftstellerischen Tätigkeit zu widmen. Ich traf sie erst wieder 1917 in Nürnberg, wo ihr Mann, der Schauspieler Rudolf Klein-Rogge, als Charakterdarsteller am Theater beschäftigt war. Wir lebten in München, und ich erwartete mein erstes Kind; da mein Mann, der damals Schloss St. Wolfgang umbaute, fast dauernd abwesend war, und ich meine Assistententätigkeit hatte abbrechen müssen, lud mich Thea ein, ein paar Wochen ihr Gast zu sein. So war ich denn etwa sechs Wochen bei ihr in Nürnberg, um dort in Ruhe meine Doktor-Arbeit zu vollenden. Der Haushalt war ganz auf die schauspielerische Tätigkeit Klein-Rogges eingestellt. Das Leben begann eigentlich erst, wenn er aus dem Theater zurückkam. Dann wurde gegessen, was es gerade gab – es war ja Krieg, einen Abend Gänsebraten, am nächsten vielleicht nur Kakao und trockenes Brot, und nachher wurde bis weit in den neuen Tag hinein Skat gespielt oder gemauschelt. Es gab immer Gäste: Emil Jannings und der damals allmächtige Theateragent Frankfurter sind mir besonders in Erinnerung. Aber außerdem war immer jemand da, dem Thea gerade half. Sie war unglaublich gütig und freigebig. Ich erlebte einmal, dass der Briefträger ein großes Honorar von 2.000 Mark bar auf den Tisch legte. Thea ging einkaufen und brachte jedem Hausgenossen etwas mit und Blumen, Unmengen von Blumen! Abends gab es gleich zwei Gänse und Wein, und es wurde fröhlich gefeiert. Am übernächsten Tag kam sie und meinte: „‘Muschilein‘, kannst Du mir 100 Mark pumpen?“ Ich muss sie wohl etwas erstaunt angesehen haben und wollte wissen, was sie mit dem vielen Geld gemacht hatte – und da hatte sie fast alles verschenkt an junge Schauspieler, die in Not waren. Ihre Güte und Hilfsbereitschaft waren grenzenlos, wenn sie, was natürlich nicht ausblieb, einmal enttäuscht wurde, so existierte der Betreffende nicht mehr für sie, doch nie ließ sie sich durch eine Enttäuschung davon abhalten, dem nächsten Bittenden wieder reichlich zu helfen. Sie war sehr tierlieb, wenn sie strickend vor ihrer Schreibmaschine saß, so hockte ein großer Angorakater auf ihrer Schulter, und ein Bernhardiner lag zu ihren Füßen. Sie brauchte das Stricken zur Konzentration, hatte sie einen Gedankengang im Kopf erarbeitet, so flog das Strickzeug in die Ecke und sie hämmerte im Blitztempo auf die Tasten. In späteren Jahren, als ihre Gesundheit weniger gut war, arbeitete sie meist im Bett, als Nachfolger des Bernhardiners einen Zwergdackel zu Füßen und den Angorakarer auf der Schulter. Aber gestrickt hat sie bis in ihre letzten Jahre, und wenn es keine Wolle mehr zu kaufen gab, so wurde eine alte Strickerei wieder aufgereppelt. Von Nürnberg zog sie nach Berlin, als Klein-Rogge hier ein Engagement bekam. Hier begann ihre Filmtätigkeit, die sie bis zuletzt nicht losgelassen hat, hier entstanden auch ihre großen Romane. Während ihr Mann seine Rollen lernte, bearbeitete sie mit Fritz Lang ihren Roman Das Indische Grabmal für den Film um. Aus der gemeinsamen Arbeit erwuchs Freundschaft und Liebe und nach ihrer Scheidung von Klein-Rogge eine Ehe. Ihr großer Kinderwunsch erfüllte sich auch in dieser Ehe nicht, und so verschwendete sie ihre Mütterlichkeit und ihre Güte an ihre weitere und nähere Umgebung. Von allen, die mit ihr in Berührung kamen, ist sie geliebt und verehrt worden. Wir zogen um diese Zeit auch nach Berlin, und Thea versuchte, uns den Boden zu ebnen, indem sie uns mit Menschen zusammenbrachte, die uns nützen konnten. So waren wir eines Abends mit dem Internisten Professor Fleischmann bei ihr eingeladen, wir beiden Ehepaare hatten uns in ein abseits gelegenes Zimmer zurückgezogen und angeregt unterhalten. Als wir dann mit Schrecken feststellten, dass es sehr spät geworden war, und uns verabschieden wollten, waren unsere Gastgeber längst zu Bett gegangen – am nächsten Tag, als wir uns entschuldigten, meinte Thea, sie wären beide sehr müde gewesen und es wäre doch zu wichtig gewesen für mich und Fleischmann uns gegenseitig kennen zu lernen. Wir haben einander nicht oft besucht, dazu hatten wir beide zu viel zu tun, aber wir konnten uns auf einander verlassen, sie schickte mir behandlungsbedürftige Schützlinge in die Sprechstunde, und ich wimmelte protektionsheischende Filmbesessene und Autogrammjäger von ihr ab. Als wir 1928 einen überparteilichen Frauenbund zur Reform der Sexualgesetzgebung gründeten, sprach auch sie bei der Gründungsversammlung in den überfüllten ‚Spichernsälen‘ und machte für Propagandazwecke einen eindrucksvollen Film. Während des Krieges sahen wir uns selten, ich war politisch kritischer als die Künstlerin Thea. Nach der Kapitulation war sie ein paar Wochen von den Engländern interniert. Um leben zu können, arbeitete sie dann zuerst auf einem Bau und später in einer Fabrik. Ich sehe sie noch vor mir, wie sie eines Tages in meiner Trümmerwohnung erschien in einem verwaschenen Sommerkleidchen mit Kopftuch und einem großen Rucksack mit gesammeltem Brennholz. Dabei behauptete sie, diese Arbeit sei das größte Erlebnis und bereite ihr eine große Befriedigung, und da sie keinen Verlagsvertrag habe, könne sie endlich einmal so schreiben, wie es ihr ums Herz sei. In den letzten Jahren sah ich Thea nur selten, sie arbeitete wieder intensiv am Film und lag in ihrer freien Zeit meist diktierend im Bett. Ihr Gesundheitszustand war nicht gut, sie litt unter hohem Blutdruck, schweren Migräneanfällen und Neuralgien. Aber immer wieder raffte sie sich auf und arbeitete weit über ihre Kraft. Leider hat sie auch wirtschaftlich schwere Sorgen im letzten Jahr gehabt, aber ihre langjährige Sekretärin hielt treu bei ihr aus und...