Katzer / Castello | Cybermobbing | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 172 Seiten

Katzer / Castello Cybermobbing

Digitale Gewalt pädagogisch überwinden
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-17-040434-2
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Digitale Gewalt pädagogisch überwinden

E-Book, Deutsch, 172 Seiten

ISBN: 978-3-17-040434-2
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Das Buch befasst sich mit Hintergründen, Risikofaktoren und Auswirkungen (Opfer-Tätersituation) des digitalen Gewaltphänomens. Cybermobbing wird dann als Herausforderung für den schulischen Alltag praxisorientiert betrachtet. Wie sollte ein umfassendes Präventionsmanagementkonzept aussehen, welche Strukturen, Inhalte und Methoden sollten vor medienpädagogischem Hintergrund im Schulcurriculum implementiert werden? Das Buch zeigt anhand von Fallvignetten konkretes Handeln auf. Ziel ist dabei, die Fähigkeit zu entwickeln, Handlungsstrategien für eine generalisierte Anwendbarkeit zu entwickeln, ohne den Blick für die Individualität des Einzelfalles zu verlieren.

Dr. Catarina Katzer leitet in Köln das Institut für Cyberpsychologie & Medienethik.
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Weitere Infos & Material


2


Fachliche Grundlagen


2.1        Formen von Cybermobbing


Tokunaga (2010) definiert jedes Verhalten als Cyberbullying oder Cybermobbing, das via elektronischer bzw. digitaler Medien geschieht und, um anderen Schaden zuzufügen, in wiederholten aggressiven Botschaften besteht.

Untersuchungen aus den USA, Europa und Asien zeigen, dass sich virtuelle Kommunikationsräume, ob Chaträume, Messengerdienste, soziale Netzwerke oder Foto- und Videoportale, zu einem Tatort für digitale Gewalt entwickeln (Balakrishnan, 2015; Chan & Wong, 2016; Cross, 2008; Dehue et al., 2008; Katzer, 2016a; Erdur-Baker, 2010; Finkelhor et al., 2000; Hinduja & Patchin, 2008, 2010; Kolodej, 2011; Katzer & Fetchenhauer, 2007; Katzer, 2013; Schultze-Krumbholz & Scheithauer, 2009, 2010; Ybarra & Mitchell, 2004). Formen verbalen und psychischen Mobbings können über das Internet und die mögliche Vernetzung verschiedener technologischer Equipments leicht ausgeübt werden (Ey et al., 2019; Gradinger et al., 2009; Li, 2006; Katzer, 2009, 2011a, b; Petras & Petermann, 2019; Peter & Petermann, 2018; Rivers & Noret, 2010; Staude-Müller et al., 2009; Floros et al., 2013; Smith et al., 2008; Ybarra et al., 2006). Innerhalb von Sekunden werden verletzende Inhalte unabhängig vom Aufenthaltsort versendet oder intime, peinliche oder manipulierte Fotoaufnahmen und Videos per E-Mail, über soziale Netzwerke oder Videoportale Hunderttausenden im Internet zugänglich gemacht.

Unterschieden wird zwischen verbalem und psychischem Cybermobbing: Unter verbalem Cybermobbing versteht man z. B. Hänseleien, Beleidigungen, Erpressungen oder Drohungen über SMS, E-Mails, in Chatrooms, sozialen Netzwerken, Blogs oder über Webseiten. Um psychisches Cybermobbing handelt es sich, wenn online Gerüchte und Lügen verbreitet werden, Menschen bei Chatgesprächen isoliert, nicht beachtet oder blockiert oder Freundschaftsanfragen immer wieder abgelehnt werden. Auch das Veröffentlichen intimer oder peinlicher Fotos und Videoclips in sozialen Netzwerken oder über Videoplattformen wie YouTube zählt dazu.

Differenziert werden kann weiterhin zwischen direkten und indirekten Verhaltensweisen. Direktes Cybermobbing beinhaltet Beleidigungen (harassment), sozialen Ausschluss (exclusion) oder Drohungen und Erpressungen (threat). Indirektes Cybermobbing bezeichnet das Verbreiten von Lügen (denigration), von Geheimnissen oder privatem Bildmaterial (outing and trickery) oder die Identitätsübernahme einer Person (impersonation).

Cybermobbing tritt vor allem in Form von Beschimpfungen und Beleidigungen auf, gefolgt von Gerüchten und Verleumdungen (Beitzinger et al., 2020). Eine besondere Art ist die Gründung sogenannter »Hassgruppen« in sozialen Netzwerken oder auf WhatsApp. Was zunächst wie ein Fanclub aussieht (z. B. »Tims beste Freunde«), hat das eigentliche Ziel, jemanden durch Hänseleien oder Verleumdungen zu schädigen. Deutlich zugenommen haben Ausgrenzungen und Ablehnungen von Kontaktanfragen sowie der Einsatz von peinlichem Foto- oder Videomaterial (Beitzinger et al., 2020). Jugendliche werden z. B. im Umkleideraum oder der Sporthalle beobachtet und fotografiert bzw. per Video beim Duschen aufgenommen. So lassen Cybermobber*innen beispielsweise den Eindruck von einem 13-jährigen Jungen entstehen, er schaue den anderen Jungen beim Umkleiden gerne auf die Genitalien. 2020 gab außerdem jeder vierte jugendliche Betroffene an, dass Fotos von seinem Social-Media-Profil oder aus anderen Online-Fotoalben kopiert und woanders veröffentlicht wurden. Von den weiterführenden Schulen sind hiervon besonders Haupt- und Realschulen betroffen (Beitzinger et al., 2020). Mittlerweile werden auch zunehmend häufiger Passwörter von Profilen in sozialen Netzwerken wie Facebook »geknackt« oder gezielt Fake-Profile erstellt, um z. B. peinliche oder veränderte Fotos, Vorlieben, Meinungen etc. einzufügen und den Betroffenen zu verleumden oder bloßzustellen. Mädchen werden etwas häufiger Opfer von Fake-Profilen. Dabei kann es auch zu einer Verlinkung mit Webseiten kommen, die pornografische, homophile/homophobe oder rechtsradikale Inhalte zeigen. Der Einsatz von Fake-Profilen kommt am häufigsten an Haupt- und Werkrealschulen sowie in Berufsschulen vor (Beitzinger et al., 2020). In aller Regel wissen Betroffene zunächst nicht, dass dieses Profil von ihnen existiert. Im schulischen Umfeld zeigen sich dann die Auswirkungen der Diffamierung in Form von Beschimpfungen.

Profile in sozialen Netzwerken sollten aus diesem Grund regelmäßig überprüft werden. Fake-Profile sollten dem Provider unverzüglich gemeldet werden. Eine hilfreiche Suchmaschine zum Auffinden eigener Inhalte ist z. B. das Portal Yasni. Hier kann ein Profil mit dem eigenen Namen unter Angabe der E-Mail-Adresse angegeben werden und man erhält in regelmäßigen Abständen von Yasni eine Liste von allen Einträgen, Fotos etc., die unter diesem Namen im Internet existieren.

Auch die »Tatorte« für Cybermobbing haben sich gewandelt: Waren es vor einigen Jahren überwiegend Chatrooms, Blogs oder E-Mails, zeigt sich 2020 für Deutschland, dass mittlerweile am häufigsten Instant Messaging, z. B. WhatsApp, und soziale Netzwerke wie Facebook für Cybermobbing genutzt werden, gefolgt von Chaträumen, Videoplattformen, Foren und E-Mailing (Beitzinger et al., 2020). Das Smartphone ist dabei seit Jahren die »Tatwaffe« Nummer eins (vgl. Katzer, 2016a).

2.2        Prävalenzen an Schulen


Cybermobbing ist zwar kein neues Phänomen, hat sich aber in den letzten Jahren den digitalen Veränderungen angepasst und an Brisanz zugenommen. So macht es die Verbreitung der Smartphones möglich, dass Cybermobbing an nahezu jedem Aufenthaltsort und jederzeit stattfinden kann. Mehr als jedes zweite Kind zwischen 6 und 7 Jahren (54 Prozent) nutzt zumindest hin und wieder ein Smartphone. Ab 10 Jahren haben 75 Prozent ein eigenes Gerät (Berg, 2019). Die beteiligten Personen bei Cybermobbing werden daher immer jünger. Jede vierte Grundschullehrkraft kennt mindestens einen Fall an der eigenen Schule (Beitzinger et al., 2020). Problematisch ist, dass insbesondere Grundschulen aktuell die geringsten Aktivitäten im Bereich Prävention aufweisen. Dies liegt möglicherweise daran, dass es an fachlich fundierten Konzepten zur Prävention von Cybermobbing mangelt.

Die meisten Cybermobbingvorfälle finden aber an Haupt-, Werkreal- und Realschulen statt. 71 Prozent bzw. 76 Prozent der Lehrkräfte dort kennen mindestens einen Fall. Etwas geringer fällt die Prävalenz an Gymnasien (65 Prozent) und Gesamtschulen (62 Prozent) aus (Beitzinger et al., 2020). Ein Blick auf die Entwicklung in Deutschland dokumentiert insgesamt einen erheblichen Anstieg von Cybermobbing unter Kindern und Jugendlichen. Zwischen 2017 und 2020 stieg die Zahl der Betroffenen zwischen 8 und 19 Jahren in Deutschland von ca. 1,5 Mio. auf 2 Mio. (Leest und Schneider, 2017; Beitzinger et al., 2020; s. auch JIM Studie, 2020). Dabei verstärken gesellschaftliche Krisen die Cybermobbingproblematik. Der zweite und dritte Corona-Lockdown in der Bundesrepublik hat zu einer Ausweitung von Cybermobbing beigetragen (Beitzinger et al., 2020).

In den Nachbarländern Deutschlands wird ebenso ein Zuwachs sichtbar, wie z. B. in der Schweiz. Mittlerweile wird dort jede*r Vierte der 12–19-jährigen Opfer von Cybermobbing (Bernath et al., 2020). Eine Zunahme der Mobbing- und Cybermobbingproblematik sieht man auch in Österreich. Bei unseren Nachbarn wird seit 2017 ein Plus von 12 Prozent verzeichnet. Unter Berücksichtigung von Überschneidungen geben 28,1 Prozent der österreichischen Schülerinnen und Schüler in der 3.–13. Schulstufe an, von Mobbing/Cybermobbing betroffen zu sein. Rund 37 Prozent haben Cybermobbing bereits bei anderen beobachtet (Arbeiterkammer Steiermark, 2019).

Die Forschung in den vergangenen Jahren macht erhebliche Länderunterschiede in der Auftretenshäufigkeit sichtbar. Der asiatische Raum hat die höchsten Prävalenzraten: So sind 44 Prozent der chinesischen Schüler*innen im Alter von 14 Jahren von Cybermobbing betroffen (Rao et al., 2019). Während in den USA seit Jahren die Betroffenheit bei circa einem Drittel der 10–18-Jährigen stabil bleibt (vgl. Hinduja und Patchin, 2019), zeigt sich in Deutschland in den letzten Jahren der bereits dargestellte Anstieg. Es lohnt sich außerdem, einen Blick in die nordeuropäischen Staaten und die Niederlande zu werfen. Finnland berichtet eine Prävalenz von ca. 15 Prozent in der Altersgruppe der 14–16-Jährigen (Hassinen, 2018). Hier wird seit Jahren das positiv evaluierte Präventionsprogramm KiVa der Universität Turku implementiert (https://www.kivaprogram.net/), das mittlerweile fast an 90 Prozent der finnischen Ausbildungsinstitutionen zum...


Dr. Catarina Katzer leitet in Köln das Institut für Cyberpsychologie & Medienethik.



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