E-Book, Deutsch, 360 Seiten
Kallmaker Doppeltes Spiel
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-95917-217-2
Verlag: Verlag Krug & Schadenberg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 360 Seiten
ISBN: 978-3-95917-217-2
Verlag: Verlag Krug & Schadenberg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Anita Topaz, erfolgreiche Autorin von Liebesromanen, umgibt ein Geheimnis. Das enthüllt zu werden droht, als ihr Verlag von einem Medienkonzern aufgekauft wird. Der nämlich hat große Pläne mit der Bestsellerautorin: Anita Topaz soll im Rahmen einer großangelegten PR-Aktion öffentlich auftreten. Doch das möchte sie nicht. Denn: Anita Topaz existiert gar nicht. Hinter dem Pseudonym verbirgt sich die scheue Paris Ellison, eine ehemalige Game Designerin, die gute Gründe hatte, abzutauchen und sich eine neue Existenz als Autorin aufzubauen.
Und dann kommt die hinreißende britische Lady Diana Beckinsdale ins Spiel, die als Schauspielerin mit wechselnden Truppen auftritt. Diana ist ebenfalls nicht, was sie zu sein scheint. Als sie von Paris' Dilemma erfährt, hat sie rasch die perfekte Lösung parat. Schon bald jedoch geraten die Dinge außer Kontrolle ...
Karin Kallmaker, Jahrgang 1960, lebt mit ihrer Lebensgefährtin und ihren zwei Kindern in Castro Valley, Kalifornien. In den USA gilt sie längst als die 'Queen of Lesbian Romance', und auch hierzulande hat sie eine wachsende Fangemeinde. Mittlerweile sind acht ihrer Romane ins Deutsche übertragen worden, die alle auch als E-Book lieferbar sind. Karin Kallmakers Internetanschluss muss schnell sein, ihr iPod laut und ihre Schokolade heutzutage dunkel.
Weitere Infos & Material
1
Paris Ellison war so wütend, dass sie einen siebenschichtigen Trifle zubereitete und zwei große Backformen Brownies mit doppeltem Kakaoanteil. Sie ließ sogar Wasser auf den Brief von Reynard House, ›Stolzes Mitglied der Reynard Mediengruppe‹, spritzen. Aber die Tinte weigerte sich zu zerlaufen, und die Worte quälten sie weiterhin. Sie hatte bereits nein gesagt, und jetzt die Frechheit zu besitzen … Unverschämt! Ihr ein Flugticket erster Klasse, eine Suite in einem Hotel an der Fifth Avenue und Eintrittskarten für das Musical Hamilton, Logenplätze, anzubieten. Dreist! Sie schlug die Ganache, bis sie gefügig war, und gab sie auf die erste Backform mit den noch warmen Brownies. Sie würde sie später noch schneiden, ehe sie sie am nächsten Tag zu Lisa brachte. Dann kam das zweite Blech in den Ofen, und erst danach hielt sie in ihrem Backen inne, das von Zorn getrieben war und nichts anderes als eine Reaktion auf ihre Angst. Sie las den empörenden Brief noch einmal. Anita Topaz trat nicht persönlich in Erscheinung. Das hatte Paris von Anfang an klar gesagt. Aber nach der Fusion gingen die neuen Leute bei Reynard House unbekümmert über dieses Detail hinweg. Ein Kratzen und Maunzen an der Tür ließ sie auf die Uhr schauen. Auf die Minute pünktlich glitt der orangefarben getigerte Hobbit herein und strich als Vormittagsgruß an Paris’ Beinen entlang. »Du machst niemandem was vor, weißt du. Für dich bin doch bloß dein zweites Frühstück.« Sie fügte sich dem zielstrebigen Kater und gab einen Löffel knuspriges Trockenfutter in seinen Fressnapf an der Tür. Hobbit verlor prompt das Interesse, Paris’ Knöchel zu umschmeicheln, und haute rein. »Nur weil Reynard House jetzt der neue Eigentümer ist, heißt das nicht, dass mein Vertrag nicht mehr gilt. Nicht ohne Weiteres jedenfalls.« Hobbit ignorierte das Schälchen frisches Wasser, das Paris neben seinen Fressnapf stellte. »Sie können mich nicht dazu zwingen. Also! Ich schulde ihnen vier Bücher in den nächsten zwei Jahren, und zwar fristgemäß. Und weiter gar nichts.« Der Küchenwecker klingelte, und sie überließ den schmatzenden Hobbit seiner Zwischenmahlzeit. Sie drehte das Backblech einmal um, schob es zurück in den Ofen und stellte den Wecker erneut. Die Vanillecreme war jetzt genügend abgekühlt, um das Trifle zu schichten, und sie konzentrierte sich darauf, den Boden ihrer einzigen klaren Glasschale mit frischem Biskuit auszulegen und ihn mit Sherry zu tränken. Aprikosen folgten, dann Vanillecreme, dann weiter Schicht um Schicht, bis die Glasschale nahezu gefüllt war. Die Damen Lambeth und Richards von oben würden die Leckerei zu schätzen wissen. Sie würde sie nach dem Abendessen hinaufbringen und nachsehen, wie sich die beiden von der Erkältung erholten, die ihre sonst so geselligen, umtriebigen Vermieterinnen in den »Kleine alte Lady«-Modus, wie sie es nannten, versetzt hatte. Sie waren einem Sherry hin und wieder nicht abgeneigt, und bei einem Dessert wie diesem konnte sich niemand lange indisponiert fühlen. Außer Paris selbst vielleicht. Ihr Tag hatte so friedlich und vorhersehbar begonnen wie jeder andere zuvor, seit sie an diesem Ort Zuflucht gefunden hatte. Doch dann war morgens dieser Brief angekommen und hatte sie unter Druck gesetzt. Hobbit beendete sein zweites Frühstück und tappte über das ausgebleichte Linoleum ins Wohnzimmer hinüber. Dort reckte und räkelte er sich auf dem flauschigen braunen Teppich und stolzierte dann zu dem sonnigen Fenstersitz hinüber – Herrscher über alles. Paris vernahm das laute missbilligende Schnauben über die Schicht Katzenhaar auf dem Kissen. »Was glaubst du, was das hier ist – ein Nobelhotel in New York?« Sie prüfte die Oberfläche der Brownies im Ofen mit der Fingerspitze und befand, dass sie noch eine Minute brauchten. »Apropos – sieh dir diesen Brief an!« Sie trug das empörende Schreiben zum Fenstersitz hinüber und zeigte es Hobbit. Der gab ein neidisches Schnurren von sich und zeigte ihr seinen weißen Bauch, während Paris den Brief mit wiederaufflammendem Zorn laut vorlas. »… freuen uns, alle Details abschließend mit Ihnen zu klären … mit freundlichen Grüßen … bla bla bla …«, endete Paris. »Siehst du? Sie versuchen mich zu nötigen zu kommen, und du weißt, warum ich das nicht tun werde.« Hobbit hatte mehr als einmal gehört, warum Paris für dreitausend Meilen Abstand zu ihrem letzten Job gesorgt hatte. »Anita Topaz wird nicht zu diesem Treffen erscheinen. Sie wird keinen TED Talk – oder wie auch immer Reynard Media diese Videovorträge nennen mag – halten für …« Sie wirbelte herum, Gesicht zur Küche. »Fieser Fluch!« Sie schoss quer durchs Wohnzimmer in Richtung des hässlichen ›Du kommst zu spät!‹-Geruchs der verbrannten Brownies. In ihren Socken glitt sie auf dem Linoleum aus und wäre beinahe gestürzt. Sie zerrte das Blech aus dem Ofen und verbrannte sich das Handgelenk an der Tür. Das Backblech glitt ihr aus den Händen. Sie machte einen Satz, um es zu fassen zu kriegen, und stieß sich den Kopf so heftig an der Arbeitsplatte, dass ihr einen Moment schwarz vor Augen wurde. Die tanzenden Sterne verschwanden allmählich aus ihrem Sichtfeld, als sie die Delle auf ihrer Stirn komödiantenhaft à la Jackie Chan rieb. Es fühlte sich zumindest an wie eine Delle. Hobbit kam um die Kücheninsel herbeigeschlichen, den Schwanz entnervt aufgestellt, weil das Geschepper und Gefluche sein Vormittagsschläfchen samt Geschmuse gestört hatte. Vollkommen zu Recht entschied er, dass die abgestürzten Brownies nichts waren, das er verspeisen wollte, und begann sich die Pfoten zu putzen. »Nein, mir läuft nicht das Gehirn aus«, sagte sie zu dem Kater, der ihr den Rücken zukehrte. »Danke der Nachfrage.« Zumindest waren die Brownies nicht mit der Oberseite nach unten gelandet. Die Ecken waren hart und schmeckten verbrannt, selbst wenn man die Ränder liebte. Paris war zunehmend übel gestimmt – der ganzen Welt gegenüber. Mit einem Kugelausstecher hob sie das noch saftige und essbare Innere heraus. Schokolade, Zucker und Butter waren in jeder Form genießbar, oder etwa nicht? Brownie-Bällchen … Lisa mochte trotz allem Verwendung dafür haben. Das war überhaupt eine Idee. Warum bis zum nächsten Tag warten? Aus dem Haus zu kommen würde ihr vermutlich guttun. Es war drei Tage her … oder vier? Das war ihre letzte Brownie-Lieferung ans Mona Lisa’s gewesen. Wieder einmal war sie glücklich, einen Weg gefunden zu haben, die Erträge ihres wie besessenen Backens nicht selbst essen zu müssen, und außerdem erforderte es noch sportlichen Einsatz. Wenn Lisa der Ansicht war, niemand würde die geretteten Brownies kaufen wollen, dann würden sie beide eben selbst ein paar davon essen. Es war diese Art von Tag. Die fünf Minuten, die es brauchte, sie in kleine Zellophantüten zu tun und mit Schleifenband zu verschließen, verliefen ohne größere Missgeschicke. Zwei dunkle feuchte Brownie-Bällchen pro Tüte. Paris fand, sie sahen appetitlich aus, aber letztlich war es Lisas Entscheidung. Sie schob den Brief hinten in die Hosentasche. Sie würde Lisa um Rat fragen. Hobbit gab ein unzufriedenes Miau von sich, als sie ihn vorn auf der Veranda deponierte. »Geh und such dir dein nächstes Fresschen sonstwo. Ich weiß, dass es früh ist, aber ich muss an die frische Luft.« Mit einem letzten Maunzen entschwand Hobbit unter der Hecke. »Jaja, man hat mir schon Schlimmeres an den Kopf geworfen.« Sie zog ihre Jacke an, schnappte sich den Korb mit ihren Backwaren und trat in den stürmischen blauen Tag hinaus. Lisa erwartete Paris und ihre Leckereien erst am Tag darauf, aber wie sie in der Vergangenheit gesagt hatte: Es gab keine Obergrenze, wie viele Brownies eine Bar voller Sportfans konsumieren konnte. Paris wandte ihr Gesicht der Sonne zu und zog sich die Kapuze ihres Hoddies über den Kopf. Der scharfe Wind von der Massachusetts Bay schrie Winter, aber die Sonne flüsterte verführerisch Frühling. San Francisco war nie so extrem. Sie verdrängte die schmerzliche Sehnsucht nach dem Gorilla Barbecue und dem hellen Sandstrand von Pacifica. In den bald fünf Jahren, die sie nun schon in Revere bei Boston wohnte, hatte sie sich gut eingelebt, aber zur Heimat war ihr die Stadt nicht geworden. Es war schwer, an einem so herrlichen Tag zornig zu bleiben. Der blaue Himmel tat ihren Augen gut, und die Sonne wärmte ihre Nasenspitze. Es schien, als wäre der lange, frostige, nasse, schmuddelig-matschige Neu-England-Winter endlich vorüber. Aber Paris wusste, dass das nicht stimmte. Wie...