Forrest Seltsamer Wein
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-944576-56-5
Verlag: Verlag Krug & Schadenberg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 220 Seiten
ISBN: 978-3-944576-56-5
Verlag: Verlag Krug & Schadenberg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Sieben Frauen zwischen dreißig und vierzig treffen sich zu Skiferien auf einer Berghütte. Am abendlichen Kaminfeuer reden und streiten sie und enthüllen einander ihre Liebes- und Eheerfahrungen. Zwischen zwei der Frauen, Lane und Diana, bahnt sich eine leise Liebesgeschichte an, die sich bald zu dramatischer und leidenschaftlicher Intensität steigert.
Ein Klassiker der lesbischen Literatur - einer der meistgelesenen Lesbenromane aller Zeiten.
Katherine V. Forrests Romane sind in zahlreiche Sprachen übersetzt worden, einschließlich der lesbischen Klassiker 'Seltsamer Wein' und 'Die Fremde am Pool' sowie ihre neun Bände umfassende Kate-Delafield-Krimireihe, die mit 'Wüstenfeuer' ihren Höhepunkt findet. Katherine V. Forrest wurde vielfach ausgezeichnet, darunter mehrmals mit dem Lambda Literary Award, dem wichtigsten lesbisch-schwulen Literaturpreis der USA. Sie hat viele Jahre als Herausgeberin und Lektorin für Naiad Press gearbeitet und ist heute für Spinsters Ink tätig sowie für Bella Books, dem größten US-amerikanischen Verlag für lesbische Literatur. Katherine V. Forrest lebt mit ihrer langjährigen Gefährtin in der südkalifornischen Wüste.
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1. KAPITEL
Warmes, helles Licht schien aus der Berghütte. Schon von ferne, auf der gewundenen Gebirgsstraße hatten Diana Holland und Vivian Kaufman es leuchten sehen – freundliches gelbes Licht, das in die dunkle Nacht hinausstrahlte und auf den glitzernden Schnee fiel. Liz Russo öffnete die Tür, begrüßte die beiden überschwänglich, lautstark. Sie umarmte Vivian und nahm die Mäntel in Empfang. Um ein flackerndes, knisterndes Kaminfeuer versammelt saßen vier Frauen. Eine von ihnen erregte sofort Dianas Aufmerksamkeit. Sie saß auf dem Kaminvorsprung und erhob sich, als Liz die Frauen einander vorstellte. Lane Christiansen, die Frau, die Diana aufgefallen war, gab erst ihr, dann Vivian die Hand. Groß und schlank stand sie vor ihnen und strich sich das blonde Haar aus der Stirn. »Elaine?«, fragte Vivian lächelnd und hielt ihre Hand einen Augenblick fest, ehe sie sie wieder freigab. »Lane«, berichtigte sie. »Die Abkürzung für Marlene – wie Dietrich. Meine Mutter liebte die Dietrich. Es ist ihr nie in den Sinn gekommen, wie rücksichtslos es war, mir auch noch im Vornamen drei Silben aufzuladen.« »Lane gefällt mir gut«, sagte Vivian und strich sich die Jacke glatt. Lane Christianson trug gut geschnittene dunkelgrüne Hosen und einen weich fallenden Kamelhaarpullover. Unwillkürlich hatte Diana ihren eigenen Pullover zurechtgezogen und amüsierte sich innerlich, als ihr bewusst wurde, wie eine ungewöhnlich attraktive Frau andere Frauen immer ein wenig unsicher und abwehrbereit zu machen schien. Bewundernd, aber auch neugierig betrachtete sie Lane; die anderen Frauen trugen Jeans oder Trainingsanzüge. »Wahrscheinlich kann ich für Marlene noch dankbar sein. Meine Mutter hätte ja auch ein Fan von Hedy Lamarr oder Pola Negri sein können«, sagte Lane zu Vivian gewandt. »Wie würde Hedy oder Pola klingen?« Die Frauen lachten, und Lane lächelte; Diana empfand dieses Lächeln als kühl und distanziert. Vivian fragte: »Kennt ihr eigentlich alle Liz’ Mädchennamen?« »Klar. Taylor«, sagte Madge Vincent. Diana kicherte. »Du warst also früher Liz Taylor?« Lane lachte hell auf. »Pass bloß auf, Kaufman«, sagte Liz. »Sonst reiß ich dir deine falschen Wimpern ab.« Mit einem entschuldigenden Blick zu Diana, der auch Lane einschloss, fuhr sie fort: »Stellst euch doch mal vor, ihr müsstet mit dem Namen Liz Taylor aufwachsen. Ich wollte schon mit zwölf Jahren heiraten, bloß um diesen Namen loszuwerden.« Die Frauen lachten. Liz fragte Diana: »Was möchtest du trinken? Wodka haben wir keinen mehr, dafür aber reichlich Bourbon, Scotch und Gin. Auch ein bisschen Wein.« »Hast du Weißwein?« »Ja, aber nicht unbedingt einen, den sie dir im Beverley Hilton kredenzen würden. Meine Söhne haben hier immer einen kleinen Vorrat. Mach’s dir gemütlich, Herzchen. Wenn du den Wein nicht magst, kannst du immer noch zu den harten Drinks übergehen. Komm, Viv, wir gehen in die Küche; ich möchte gern ein bisschen mit dir quatschen.« Um den Kamin herum standen ein breites Sofa, zwei Sessel und ein niedriger runder Tisch mit Getränken und einer Käseplatte. Große Cordkissen lagen überall im Raum verstreut. Diana beschloss, sich in der Nähe des Feuers niederzulassen. Madge Vincent sagte: »Gehen wir recht in der Annahme, dass Vivian und du gute Gründe dafür habt, freiwillig in eurer grauenhaften Stadt zu leben?« Madge, eine Frau um die fünfunddreißig, mit wirrem, schulterlangem dunklem Haar, sah angespannt aus. Sie saß auf dem Sofa, rauchte und klopfte die Asche ihrer Zigarette in einen Aschenbecher, der schon von langen Kippen überquoll. Diana setzte sich auf ein Kissen. Sie schmunzelte und streckte die Hände zu einer versöhnlichen Geste aus. »Ich verneige mich vor der Erhabenheit eurer prächtigen Stadt. Schon allein weil ich gegen euch fünf keine Chance habe, wenn Viv nicht dabei ist. Aber eigentlich trifft mich keine Schuld. Ich kann doch nichts dafür, dass ich dort geboren bin – in unserem wunderbaren Burbank, genau im Herzen der Stadt.« Chris Taylor sagte: »Wusstest du, dass Viv in San Francisco zur Welt gekommen ist?« Chris war ein wenig untersetzt. Ihr Haar begann bereits grau zu werden; ihre blauen Augen blickten schüchtern und leicht verschreckt. Diana hatte bei der Begrüßung mitbekommen, dass sie Liz’ Schwester war. »Ja, ich habe schon viel gehört von dir und Liz und Viv, und wie ihr alle zusammen aufgewachsen seid. Ich habe Liz Weihnachten vor einem Jahr kennengelernt. Sie verbrachte die Ferien bei uns, mit ihrem Mann.« Sie lächelte, als sie daran dachte, wie sehr sie die Russos gemocht hatte. Liz, so groß und stattlich und warmherzig; ihr Ehemann, ein lauter, zigarrenrauchender sanfter Bär. »Du weißt, dass sie inzwischen geschieden sind?« »Ja, Viv hat es mir erzählt. Ich war sehr betroffen.« »Zwanzig Jahre«, seufzte Chris. »Bitte sprich nicht von George, wenn Liz in der Nähe ist.« Diana sah zu, wie Millie Dodd, die mit gekreuzten Beinen auf dem Boden saß, aus einem samtgefütterten Kasten eine Gitarre herausnahm, die unverkennbar den Glanz des Kostspieligen ausstrahlte. Millie nahm das Instrument auf die Knie und intonierte, fast unhörbar flüsternd: »George und Liz«, schlug dann unvermittelt einen dröhnenden Akkord an, der theatralisch das Endgültige hörbar machte. Mit einer heftigen Geste fuhr sie sich durch ihre wasserstoffblonden Kräusellocken und lächelte mit treuherzigen blauen Kinderaugen, begeistert von ihrem musikalischen Effekt. Diana dachte, sie könnte genauso gut fünfundzwanzig wie vierzig sein. Millie klimperte leise und wohltönend weiter; Liz brachte Diana ihren Wein und verschwand wieder in der Küche. Diana trank vorsichtig einen Schluck aus dem schweren kleinen Weinglas und schüttelte sich angewidert. Als sie aufschaute und das Glas zurückstellte, begegnete sie dem belustigten Blick von Lane Christiansen. »Nicht unbedingt Qualitätswein.« »Eine Spur zuviel Weinessig«, witzelte Diana und bemerkte neben Lane das gleiche fast volle Glas. »Schmeckt eher nach der ganzen Essigflasche. Möchtest du lieber einen Schnaps?« »Ich mag nur Wodka.« »Ich auch.« »Ich bring uns welchen mit, wenn ich in die Stadt fahre.« Selbstvergessen ruhte Dianas Blick auf Lane Christianson. Die züngelnden Flammen des Kaminfeuers warfen goldene Lichtpunkte auf ihr seidiges blondes Haar, das bis zum Nackenansatz reichte, ihr Gesicht einrahmte und ihr leicht in die Stirn fiel. Das Haar war in Stufen geschnitten, deren Muster sich bei jeder Bewegung des Kopfes veränderten. Es erinnerte Diana an Herbstbäume, die sie einmal in Utah gesehen hatte, mit Blättern, die wie sonnenbeschienene Münzen in wechselnden Goldfärbungen im Winde wehten. Im Schein des Feuers ließ die warme Tönung ihrer Haut die goldbraun schimmernde Farbe ahnen, die sie unter der Sommersonne annehmen würde. Diana wusste nicht genau, ob ihre Augen grau oder blau waren. Lane saß entspannt, mit anmutig untergeschlagenen Beinen da; sie hielt ihren schlanken Körper aufrecht, die Schultern sehr gerade. Diana fand sie wunderschön. Millie fragte: »Was bist du von Beruf, Diana?« »Ich arbeite in der Personalabteilung bei West Coast Title and Trust.« Diana, die sich nur widerstrebend von Lanes Anblick löste, wandte sich den anderen Frauen zu. »Dann hast du keinen Kundenkontakt?«, fragte Chris. »Nein, ich stelle Leute ein. Ich arbeite viel mit Viv zusammen. Wusstet ihr, dass sie leitende Angestellte ist? Ich hab schon eine Menge Schreibkräfte für sie angeheuert.« »Stellst du auch manchmal jemanden ein, den sie nicht ausstehen kann?«, fragte Chris. »Ja, ab und zu tobt sie. Aber meistens liege ich nicht so falsch mit meiner Auswahl.« »Das schwierigste Problem wird wohl sein, die Leute in dem Job zu halten«, meinte Lane. »Ja, das ist richtig.« Diana blickte sie wieder an. »Es ist erstaunlich, wie planlos die Leute sich heutzutage von einem Job zum nächsten treiben lassen. Ich führe Gespräche mit Leuten Anfang zwanzig, die schon ein Dutzend Jobs hinter sich haben und überhaupt nicht einsehen, warum das anders sein sollte. – Und was machst du, Lane?«, fragte Diana erwartungsvoll. »Ich bin Rechtsanwältin.« »Das ist gut.« Voller Genugtuung hörte sie, dass diese außergewöhnliche Frau ihren Verstand und ihre Erscheinung für eine anspruchsvolle Tätigkeit einsetzte. »Das Schöne an dieser Runde ist, dass ich hier nicht weiter auffalle. Bei der Arbeit bin ich als Frau im Anwaltsberuf die Ausnahme. Was für schmückende Beinamen mir die Leute hinter meinem Rücken geben, weiß ich natürlich nicht.« Die Frauen kicherten. »Hast du eine eigene Kanzlei?« »Nein, ich arbeite in einem Anwaltsbüro. Fünf Partner. Ich gebe dir meine Karte, falls du einmal Hilfe brauchen solltest.« Sie sagte es leichthin, mit einem Lachen um die Augen. »Hast du ein besonderes Fachgebiet?« »Ich bearbeite hauptsächlich den blöden Mist, den unsere lieben Klienten bauen, wenn sie mit dem Bürgerrechtsgesetz in Konflikt kommen.« »Das ist sicher total aufregend.« »Nein, es ist absolut frustrierend. Etwa so wie der Versuch, die Gezeiten ändern zu wollen. Das Bürgerrechtsgesetz gibt es jetzt seit 1964, und es ist erschreckend, wie wenig sich seither verändert hat – allen Lippenbekenntnissen, allem Wind, der darum gemacht wurde zum Trotz. Das ist schlimm für die Frauen, aber schlimmer noch ist es für die Schwarzen. Ich kenne eine Menge Führungskräfte, die sie am liebsten zurück auf die Baumwollfelder schicken...