Janz / Sala | Dolce Vita? | Buch | 978-3-593-39482-4 | sack.de

Buch, Deutsch, 299 Seiten, Format (B × H): 142 mm x 214 mm, Gewicht: 374 g

Janz / Sala

Dolce Vita?

Das Bild der italienischen Migranten in Deutschland

Buch, Deutsch, 299 Seiten, Format (B × H): 142 mm x 214 mm, Gewicht: 374 g

ISBN: 978-3-593-39482-4
Verlag: Campus


In den 1960er-Jahren noch als 'Messerstecher' und 'Frauenhelden' wahrgenommen, gelten italienische Migranten heute als perfekt integriert. Dass die Italiener und ihr Land vor allem als Projektionsfläche für die Sehnsüchte der bundesrepublikanischen Gesellschaft dienten, zeigen die Beiträge in diesem Band. Sie stellen dem Bild vom Dolce Vita die reale Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt oder im Bildungssektor gegenüber. 'Positive Vorurteile', so das Fazit, übertünchen die oftmals schwierige Situation der Migranten.
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Inhalt

Einleitung 7
Oliver Janz – Roberto Sala

Fremdheitszuschreibungen in der Einwanderungsgesellschaft zwischen Stereotypie und Beweglichkeit 18
Roberto Sala – Patrick Wöhrle

Teil I – Das Bild des Herkunftslandes

Traditionen des Italienbildes in Deutschland 39
Christof Dipper

'Dolce Vita', 'Made in Italy' und Globalisierung 62
Patrick Bernhard

Italienklischees und Italienbild in den deutschen Medien 82
Birgit Schönau

Teil II – Das Bild der Migranten

Die Wahrnehmung von Arbeitsmigranten aus dem 'Mezzogiorno' in deutschen und norditalienischen Großstädten 95
Olga Sparschuh

Die Fremdwahrnehmung von Italienern und Türken in der Bundesrepublik 116
Bettina Severin-Barboutie

Die Integration der Italiener in Deutschland zu Beginn des 21. Jahrhunderts 136
Sonja Haug

Die italienische Gastronomie in der bundesdeutschen Wahrnehmung 153
Maren Möhring

Die italienische Mafia in Deutschland 177
Rocco Sciarrone – Luca Storti

Die italienischen 'Gastarbeiter' in deutschen Selbstfindungsdiskursen der Gegenwart und die Ausblendung der Remigration 198
Hedwig Richter

Teil III – Die Selbstbilder der Italiener

Selbstverortungen von Italienern in der 'Gastarbeiterära' 223
Roberto Sala

Zur Identitätsfindung italienischer 'Gastarbeiterkinder' 242
Rosaria Chirico

Das Italienbild als strategisches Element italienischer Kleinunternehmer in Deutschland 257
Sonia Galster

Die Italiener in Berlin und ihr Selbstverständnis als neue Europäer 277
Edith Pichler

Dank 295
Autorinnen und Autoren 296


Die italienische Mafia in Deutschland
Rocco Sciarrone und Luca Storti

Das Bild der Italiener in Deutschland zeichnet sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts durch positive Konnotationen aus. Die Nachfahren der italienischen 'Gastarbeiter' gelten als völlig integriert, teilweise sogar als Botschafter eines beneidenswerten Lebensstils. Dennoch enthält dieses Bild eine gravierende Schattenseite, und zwar die Vorstellung, mit der italienischen Einwanderung in die Bundesrepublik sei auch die Mafia 'eingesickert'. Obwohl oder gerade weil die Präsenz der italienischen Mafia in Deutschland eine breite Resonanz in den Medien findet, herrscht über das Thema große Unklarheit, wobei traditionelle Stereotype eine sachliche Betrachtung des Phänomens sehr erschweren.
Der vorliegende Aufsatz soll das Vordringen der italienischen Mafia nach Deutschland von stereotypen Wahrnehmungen befreien und dessen zentrale Merkmale herausarbeiten. Die Vorgehensweise unserer Argumentation gliedert sich in drei Teile. Im ersten Schritt wird ein analytischer Rahmen skizziert, der zur Einordnung des Phänomens Mafia unentbehrlich ist. Im zweiten Schritt soll auf die Kapazität und Fähigkeit der Mafia eingegangen werden, sich über ihren ursprünglichen sozio-territorialen Kontext hinaus zu verbreiten. Die Klärung dieses Aspekts stellt eine Voraussetzung dar, um die Präsenz der Mafia in Deutschland nachvollziehen zu können. Denn bei der realen oder mutmaßlichen Präsenz italienischer, auf kriminelle Geschäfte ausgerichteter Gruppen in der Bundesrepublik geht es um einen konkreten Fall der Expansion der Mafia. Die auf dieser Grundlage im dritten Schritt formulierten Schlussfolgerungen stützen sich vor allem auf die Ergebnisse behördlicher Ermittlungen. Im Fazit schlagen wir schließlich eine Brücke zwischen den gewonnenen Erkenntnissen und den öffentlichen Debatten über die Mafia in Deutschland.

1. Was ist die Mafia?

Mafia zu definieren, ist sicherlich nicht einfach, da diese wie kaum ein anderer Gegenstand sonst von Stereotypen und Gemeinplätzen umgeben ist. In solch populären Sichtweisen repräsentiert die Mafia häufig ein schwer fassbares Phänomen, das als Überbleibsel der 'Tradition' gilt, also als archaisch und einer rückständigen Gesellschaft zugehörig. Dabei handelt es sich um wiederkehrende Darstellungen, die sich in der kollektiven Vorstellungswelt festgesetzt haben, auch weil ihnen in literarischen Werken, in journalistischen Reportagen und in Fernsehen wie Kino breiter Raum gewährt wird.
Diese mehr oder weniger vereinfachten Darstellungen stehen in einem kuriosen Zusammenhang mit dem konkreten Phänomen selbst. Aus den stereotypisierten Repräsentationen der Mafia und der zu ihrer Beschreibung gebrauchten Rhetorik haben die Mafiosi selbst gelegentlich Ideen und Anregungen für Verhaltensweise, Sprachgebrauch und sogar Kleidungsstil bezogen. Umgekehrt sind einige der Gemeinplätze über die organisierte Kriminalität von den Mafiosi selbst genährt worden, um ihre eigene Reputation zu beeinflussen. Das gilt beispielsweise für den 'Mythos' von einer 'guten' alten Mafia, welche die traditionellen Werte habe bewahren wollen, im Gegensatz zu einer vermeintlich 'bösen' neuen Mafia, die ohne Prinzipien und gänzlich den Geschäften verfallen sei.
Weiter muss ergänzt werden, dass im allgemeinen Wortschatz der Ausdruck 'Mafia' fast ein Allerweltsbegriff geworden ist, mit dem man allgemein einen breiten Tatbestand von Erscheinungen bezeichnet, die in Zusammenhang mit Devianz, Kriminalität oder Gewalt stehen. Er wird als Metapher für Fälle gebraucht, bei denen Bestechlichkeit oder eine partikularistische Logik zu Ungunsten universalistischer und leistungsorientierter Prinzipien vorherrschend sind. In diesem Sinn ist Mafia eines der wenigen Lemmata der italienischen Sprache, die in der ganzen Welt verbreitet sind. Es soll hier nur ein Beispiel genannt werden, um diesen Sachverhalt vor Augen zu führen. Bei einer Auswertung der von Süddeutscher Zeitung und Frankfurter Allgemeiner Zeitung zwischen August und September 2007 veröffentlichten Artikel, die im zeitlichen Umfeld des grausamen Blutbades von Duisburg erschienen sind und das Wort 'Mafia' enthalten, zeigt sich, dass – mit Ausnahme der Artikel über das Blutbad selbst – in weniger als der Hälfte der Fälle das Wort 'Mafia' im eigentlichen Sinn gebraucht wird. Anders als es sonst häufig geschieht, wird in diesem Beitrag ein klar definierter Begriff von Mafia verwendet, sofern darunter eine spezifische Form organisierter Kriminalität verstanden wird. Ihre wesentlichen Merkmale sind im Folgenden wissenschaftlich zu analysieren und zu bestimmen.
Eine gravierende Schwierigkeit besteht darin, die Mafia nach außen hin abzugrenzen, das heißt in ihrem Verhältnis zur Gesellschaft. Speziell von den Medien, aber auch in zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen wurde die Mafia oft mit der Gesellschaft ihres ursprünglichen Herkunftsgebiets gleichgesetzt, so als wäre sie der – wenn auch übersteigerte – Ausdruck eines im breiteren sozialen Umfeld verbreiteten Kodex’. Durch eine solche Betrachtungsweise aber wird die Grenze zwischen dem Innen und Außen der Mafia, zwischen krimineller mafiöser Gruppierung und gesellschaftlichem Umfeld verwischt. Im Wesentlichen handelt es sich hierbei um eine Interpretation kulturalistischer Provenienz, nach der die Mafia nichts anderes sein soll als eine gewisse Mentalität, die der Subkultur der jeweiligen lokalen Gesellschaft entspringt.
Zu erinnern ist ebenso daran, dass der Diskurs über die Mafia auch durch die gegen sie gerichteten Diskurse und Strategien der Antimafia Gestalt annimmt – und dass sich diese Diskurse auch gegenseitig nähren. So trägt die gegen die organisierte Kriminalität vorgehende Ermittlungsarbeit zur Formung bestimmter Wahrnehmungsmuster bei. Sehr stark vereinfachend lässt sich in diesem Zusammenhang beobachten, dass die für den Bereich 'Antimafia' zuständige Richterschaft mal die Vorstellung von der Mafia als einer kriminellen Überorganisation vermittelt, einer Art Holding des Verbrechens, mal sich mehr mit ihrer inneren Struktur, ihrer Organisation und der von ihr ausgeübten Gewalt beschäftigt. Deutlich ist, dass mit der ersten Betrachtungsweise die Ebene der vermutlich zunehmenden Durchdringung des Finanzbereichs von Seiten der kriminellen Organisation und ihres Einsickerns in die global scape der Wirtschaft ins Zentrum rückt. Aus der zweiten Perspektive hingegen wird die Aufmerksamkeit auf die von den Mafiosi in ihrem Territorium ausgeübten Aktivitäten (in erster Linie Erpressung und Infiltrationsversuche bei öffentlichen Ausschreibungen) und den illegalen Handel (vor allem Drogengeschäfte) gerichtet.


Oliver Janz ist Professor für neuere europäische Geschichte an der Freien Universität Berlin. Roberto Sala, Dr. phil., ist Postdoktorand am Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien der Universität Erfurt.


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