E-Book, Deutsch, 458 Seiten
Hochstadt / Krafft / Olsen Deutschdidaktik
3. vollständig überarbeitete und erweiterte Aufl 2015
ISBN: 978-3-8463-5941-9
Verlag: UTB
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Konzeptionen für die Praxis
E-Book, Deutsch, 458 Seiten
ISBN: 978-3-8463-5941-9
Verlag: UTB
Format: EPUB
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Prof. Dr. Christiane Hochstadt, geb. 1977, ist Professorin für deutsche Sprache und Literatur und ihreDidaktik an der Pädagogischen Hochschule Weingarten. Sie lehrte an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg und an der TU Dortmund; Lehrtätigkeiten in Karlsruhe und Landau; mehrere Jahre Grund- und Hauptschullehrerin
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Vorwort zur 2. Auflage 9
Vorwort zur 1. Auflage 11
1. Einleitung 13
2. Sprechen und Zuhören 19
2.1 Themenzentrierte Interaktion 23
2.2 Kooperatives Lernen 27
2.3 Rhetorik im Deutschunterricht 30
2.4 Weitere handlungsorientierte Ansätze 34
2.5 Weitere reflexions- und präskriptionsorientierte Konzeptionen und Ansätze 42
3. Schreiben 46
a. Rechtschreiben 46
b. Texte verfassen 49
3.1 Phonographisch orientierter Rechtschreibunterricht 52
3.2 Wortbild- und grundwortschatzorientierter Rechtschreibunterricht 58
3.3 Analytisch-synthetische Verfahren 63
3.4 Spracherfahrungsansatz 66
3.5 Regelorientierter Rechtschreibunterricht 70
3.6 Strategieorientierter Rechtschreibunterricht 74
3.7 Silbenorientierter Rechtschreibunterricht 79
3.8 Produktorientierter Schreibunterricht 86
3.9 Leserorientierter Schreibunterricht 91
3.10 Prozessorientierter Schreibunterricht 96
3.11 Schreiberorientierter Schreibunterricht 106
4. Lesen 112
4.1 Lautlese-Verfahren 121
4.2 Viellese-Verfahren 122
4.3 Lesestrategien einüben 123
4.4 Sachtextlektüre unterstützen 126
4.5 Leseanimation 128
4.6 Literarisches Lesen unterstützen 129
5. Sich mit Texten und Medien auseinandersetzen 133
5.1 Textanalyse 140
5.2 Handlungs- und produktionsorientierter Literaturunterricht 152
5.3 Textnahes Lesen (und Schreiben) 162
5.4 Literarisches Unterrichtsgespräch 169
5.5 Szenische Interpretation 177
5.6 Gattungsspezifisches 185
5.7 Ansätze im Kontext einer medialen Erweiterung 190
6. Sprache und Sprachgebrauch untersuchen und reflektieren 208
a. Wortschatzunterricht 208
b. Grammatikunterricht 212
6.1 Traditionelle Wortschatzarbeit 215
6.2 Lexikonorientierte Wortschatzarbeit 218
6.3 Textorientierte Wortschatzarbeit 222
6.4 Robustes Wortschatztraining 226
6.5 Traditioneller Grammatikunterricht 230
6.6 Operationaler Grammatikunterricht 233
6.7 Situationsorientierter Grammatikunterricht 238
6.8 Integrierter Grammatikunterricht 243
6.9 Funktionaler Grammatikunterricht 248
6.10 Grammatik-Werkstatt 256
6.11 Kontrastiver Sprachunterricht 259
Schluss 266
7. Anhang 267
7.1 Fachdidaktische Grundlagenliteratur 267
7.2 Zitierte Literatur 268
Register 313
2 Sprechen und Zuhören
Bildungsstandards
Gespräche führen – zu/vor/mit anderen sprechen – verstehend zuhören – szenisch spielen – über Lernen sprechen
Gesprochene Sprache als Lernmedium und LerngegenstandSprechen und Zuhören spielt in allen Lernbereichen des Deutschunterrichts eine wichtige Rolle – sei es in kooperativen Schreibprozessen (? ), bei der Klärung orthographischer Zweifelsfälle (? ) oder im literarischen Unterrichtsgespräch (? ); dasselbe gilt für den Mathematik-, den Religions- oder auch den Sportunterricht (Baurmann 2017a: 15). Der gleichnamige Kompetenzbereich hat insofern einen besonderen Stellenwert, als gesprochene Sprache hier nicht nur als Lernmedium, sondern auch als Lerngegenstand eine Rolle spielt. Aufgrund der Besonderheiten des Gegenstandsbereichs weichen wir im Folgenden von der Struktur der übrigen Kapitel ab: Nach einer ausführlicheren Einleitung, die auch konzeptionelle Überlegungen mit einschließt, fokussieren wir unter 2.1 bis 2.6 verschiedene Lerngegenstände beziehungsweise Lernbereiche mit ihren je eigenen fachlichen, fachdidaktischen und methodischen Aspekten.
Gesprochene Sprache unterscheidet sich typischerweise durch ihre kommunikative Einbettung in einer ganzen Reihe von Merkmalen von der geschriebenen Sprache (Flüchtigkeit, Möglichkeit des Sprecher:innenwechsels, Einsatz para- und nonverbaler Mittel, Verwendung temporal- und lokaldeiktischer Ausdrücke etc.). Aus diesen Gegebenheiten resultieren weitere Eigenschaften der Mündlichkeit, wie die strukturelle Einfachheit, die Akzeptanz formaler Abweichungen oder die ausgeprägtere Spontaneität und Emotionalität.
Mündlichkeit und Schriftlichkeit – medial und konzeptionell
Mündlichkeit und Schriftlichkeit unterscheiden sich nach Koch/Oesterreicher (1986; 1994) zunächst in Hinsicht: Während schriftliche Kommunikation graphisch realisiert ist (und damit auch fixiert: auf Papier, am Bildschirm oder in anderer Form), ist mündliche Kommunikation phonisch realisiert und damit in der Regel flüchtig, also nicht fixiert. Die Unterscheidung zwischen medialer Schriftlichkeit und Mündlichkeit ist dichotom, was bedeutet, dass eine sprachliche Äußerung nur entweder in der einen oder in der anderen Form vorliegen kann.
Gleichzeitig lassen sich auch in Hinsicht Unterschiede zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit beschreiben. So sind mündliche Äußerungen typischerweise durch Vertrautheit, formale Einfachheit sowie einen höheren Grad an Spontaneität und Variabilität gekennzeichnet. Schriftliche Äußerungen sind demgegenüber häufig klarer strukturiert, sprachlich komplexer und weniger emotional geprägt. Zusammenfassend lassen sich die beiden Sprachgebrauchsformen auch als (Mündlichkeit) und (Schriftlichkeit) bezeichnen.
Die Unterscheidung zwischen konzeptioneller Mündlichkeit und Schriftlichkeit ist nicht dichotom, sondern graduell; es gibt also Abstufungen. Zudem sind sprachliche Äußerungen möglich, die medial mündlich, konzeptionell aber schriftlich sind (etwa eine Laudatio bei einer Preisverleihung), oder solche, die medial schriftlich, konzeptionell aber eher mündlich geprägt sind (etwa eine Chatnachricht an eine vertraute Person).
Konzeptionelle Mündlichkeit und Schriftlichkeit (n. Koch/Oesterreicher 1994: 588)
Eine zusammenfassende, didaktisch orientierte Darstellung findet sich bei Droll/Betzel (2014a); eine ausführliche Diskussion über die Wirkungsgeschichte und (Weiter-)Entwicklung des Modells bieten Feilke/Hennig (2016).
Diese Merkmale treten jedoch, wie Koch/Oesterreicher (1986; 1994) betonen, nicht in allen mündlichen Kontexten auf; es gibt auch Sprechsituationen, in denen die Verwendung konzeptioneller Schriftlichkeit angemessen ist. Demzufolge gehört es zu den Aufgaben des Deutschunterrichts, die Schüler:innen zu einer schriftlichen Verwendung mündlicher Sprache hinzuführen.
Was Lehrpersonen vielleicht nicht immer bewusst ist: Die Unterrichtskommunikation ist neben der Kommunikation in Familie und Peer-Group ein wesentlicher Inputfaktor für die Sprachentwicklung von Kindern und Jugendlichen. Dies muss bei der Planung des Unterrichts stets berücksichtigt werden. Eine Lehrkraft fungiert unweigerlich als (positives oder negatives) sprachliches Vorbild, nicht zuletzt für Schüler:innen mit Deutsch als Zweitsprache (DaZ):
Die Lehrkraft ist ein wichtiges Sprachvorbild für mehrsprachige Kinder und Jugendliche. Deshalb ist es besonders wichtig, dass sie die Sprache bewusst und kontrolliert einsetzt. Hierzu gehört z. B. langsam, deutlich und grammatikalisch korrekt zu sprechen […]. (Jeuk 2017: 119)
Erläuterung
Eine (L2) wird in zeitlichem Abstand zur (L1) und – im Gegensatz zur – überwiegend ungesteuert und nicht institutionell erworben.
Besonderen Stellenwert hat diese Funktion der Lehrperson hinsichtlich des Konstrukts (Feilke 2012). Ein sicheres Verfügen über die Bildungssprache ist für den Schulerfolg von zentraler Bedeutung.
Bildungssprache
Bildungssprache (? S. 305 f.) ist die Sprache des Lernens – die Sprachgebrauchsform, die wir vor allem dann verwenden, wenn wir uns Wissen aneignen oder dieses weitergeben möchten. Sie ist unter anderem gekennzeichnet durch syntaktische (z. B. Hypotaxen, Nominalisierungen, umfangreiche Nominalgruppen) und lexikalisch-semantische (z. B. differenzierende Ausdrücke, Komposita, Fachtermini) Merkmale. Kompetente Sprachverwender:innen greifen in entsprechenden Situationen intuitiv (oder auch gezielt) auf dieses Register zurück, weil es wichtige Funktionen erfüllt: Verdichten, Explizieren, Verallgemeinern und Diskutieren (Feilke 2012).
Schwierigkeiten bei der Rezeption von Bildungssprache (beispielsweise beim Verfolgen eines Vortrags der Lehrkraft oder beim Lesen von Sachtexten) wirken sich negativ auf den Lernerfolg von Kindern und Jugendlichen aus. Dasselbe gilt für Schwierigkeiten bei der Produktion (etwa bei mündlichen Präsentationen oder beim Verfassen von Texten). Deshalb gehört es zu den wesentlichen Zielen des Deutschunterrichts, die Schüler:innen an die Verwendung von Bildungssprache heranzuführen. Für den Kompetenzbereich Sprechen und Zuhören bedeutet dies, dass möglichst authentische Situationen geschaffen werden, die die Verwendung von Bildungssprache nahelegen (Selimi 2020: 9). Eher nicht hilfreich ist dagegen das unreflektierte Einfordern bildungssprachlicher Mittel in Kontexten, in denen sie nicht erforderlich sind („Bitte im ganzen Satz!“, s. auch Krafft 2019a).
Besonderheiten der Unterrichtskommunikation Die Weiterentwicklung kommunikativer Kompetenz lässt sich jedoch nicht allein durch ein möglichst vollkommenes sprachliches Vorbild erreichen: Schüler:innen müssen die Möglichkeit haben, ihre eigenen mündlichen Fähigkeiten im Unterricht zu erproben und weiterzuentwickeln. Allerdings ist dieses Ziel nur schwer vereinbar mit den institutionellen Bedingungen, unter denen Unterrichtsgespräche stattfinden. Diese Bedingungen unterscheiden sich nämlich deutlich von jenen, denen ‚private‘ beziehungsweise nicht-institutionelle Gespräche unterliegen:
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Die Zahl der (potenziellen) Sprecher:innen ist um ein Vielfaches höher.
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Es besteht ein deutlicher hierarchischer Unterschied zwischen Lernenden und Lehrpersonen.
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Alles, was von den Schülerinnen und Schülern zum Gespräch beigetragen wird, könnte einer Bewertung durch die Lehrperson unterliegen.
Diese und weitere Bedingungen haben dazu geführt, dass sich im Unterricht bestimmte Rituale und Handlungsmuster herausgebildet haben, die immer wieder unreflektiert praktiziert werden, in anderen Gesprächssituationen jedoch völlig dysfunktional wären und letztlich der Weiterentwicklung kommunikativer Fähigkeiten im Wege stehen (Heller/Morek 2015: 3):
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Eine teilnehmende Person (in der Regel zunächst die Lehrkraft) hat das Rederecht und vergibt dieses durch Fremdzuweisung. Nach Beendigung eines Beitrags fällt das Rederecht automatisch an die leitende Person zurück.
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Gesprächsbeiträge, die von Schülerinnen und Schülern geäußert wurden, werden häufig durch die Lehrkraft bestätigt, wiederholt und/oder kommentiert – das sogenannte ‚Lehrer:innenecho‘: Dadurch entstehen dreischrittige Gesprächssequenzen (Initiierung – Respondierung – Evaluierung).
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Da sich die ausschließliche Weitergabe von Informationen als wenig effektiv erwiesen hat, werden Aufgaben (‚didaktische Fragen‘) gestellt – zum Beispiel im Rahmen eines „Lehrervortrags mit verteilten Rollen“ (Becker-Mrotzek/Vogt 2009: 66 ff.) oder eines „fragend-entwickelnden Unterrichts“ (ebd.). Es kommt zu der an sich paradoxen Situation, dass die Lehrperson (die die Antwort kennt) eine...