Herrmann | Johann Georg August Wirth | E-Book | www2.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 140 Seiten

Reihe: kleine bayerische biografien

Herrmann Johann Georg August Wirth

Ein politisches Leben zwischen Restauration und Revolution
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7917-6214-2
Verlag: Pustet, F
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein politisches Leben zwischen Restauration und Revolution

E-Book, Deutsch, 140 Seiten

Reihe: kleine bayerische biografien

ISBN: 978-3-7917-6214-2
Verlag: Pustet, F
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der gebürtige Oberfranke Johann Georg August Wirth (1798-1848) trat 1832 als Organisator und Hauptredner beim Hambacher Fest ins Rampenlicht der Geschichte. Durch seine Reden und Schriften forderte der unerschrockene Publizist sogar den bayerischen König Ludwig I. und den mächtigen österreichischen Staatskanzler Metternich heraus - wofür er einen hohen Preis zahlte. Von seinen Anhängern und Verehrern als 'Vorkämpfer für Einheit, Recht und Freiheit' gefeiert, umweht ihn heute der Mythos eines Mitbegründers des freiheitlich-demokratischen Deutschland. Auf diesen Sockel möchte ihn der Autor nicht stellen. Vielmehr zeichnet er ein differenziertes Bild mit allen Brüchen und Schattenseiten des Lebens von Wirth, der sich auch als Jurist, Nationalökonom und historischer Schriftsteller zu seiner Zeit einen Namen gemacht hat.

Axel Herrmann, Dr. phil., ehemaliger Leiter eines Hofer Gymnasiums, ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen zur Stadt- und Regionalgeschichte sowie zum Themenkomplex 'Menschenwürde und Menschenrechte'.
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II.Mitgift seines Lebens


Man schrieb das Jahr 1798, als Johann Georg August Wirth am 20. November in Hof im »Voigtlande« geboren wurde. In diesem Jahr hatte Napoleon seine Expedition nach Ägypten begonnen, deren kulturelle Frucht die wissenschaftliche Erforschung des Landes am Nil werden sollte. In Wien erlebte derweil das Oratorium Die Schöpfung von Joseph Haydn seine Uraufführung und Friedrich Schiller vollendete seine Ballade Die Bürgschaft. Solche geistigen Bereicherungen des Lebens wurden in der fränkischen Provinzstadt wohl kaum wahrgenommen, dafür aber die Teuerung der Getreidepreise und ein gewisser Niedergang des produzierenden Gewerbes umso mehr. Als Ursache sah der damalige Verfasser der Hofer Altstadtchronik das Wirken der französischen Revolutionsarmeen. Aus der zeitlichen Distanz heraus darf konstatiert werden, dass die wirtschaftliche Lage im Geburtsjahr Wirths noch keineswegs so dramatisch war, wie sie der Chronist glauben machen möchte.

DIE PREUSSISCHE ÄRA IN FRANKEN


Bereits 1791 waren die fränkischen Fürstentümer Ansbach und Bayreuth an Preußen gefallen, nachdem der des Regierens überdrüssige Markgraf Karl Alexander zugunsten der hohenzollernschen Verwandten in Berlin Verzicht geleistet und sich mit der Dame seines Herzens, Lady Craven, nach England ins Privatleben zurückgezogen hatte. König Friedrich Wilhelm II. sandte seinen Leitenden Minister Karl August Freiherr von Hardenberg mit vizeköniglichen Vollmachten ausgestattet nach Franken, um von den beiden Markgrafschaften Besitz zu ergreifen und sie im Geiste der Aufklärung des Spätabsolutismus zu reformieren. Begünstigt durch den Frieden von Basel 1795, mit dem Preußen aus der Reihe der Koalitionäre im Krieg gegen Frankreich ausschied, brach Hardenberg die verkrusteten, teilweise noch aus dem Mittelalter stammenden Verwaltungsstrukturen auf. Seine große Leistung bestand neben der Einführung des Allgemeinen Preußischen Landrechts in der Trennung von Justiz und Verwaltung sowie in einer klaren Gliederung der Behörden. Gerade diese Form von Gewaltenteilung sah der erwachsene Wirth später für eine unabhängige Justiz und einen liberalen Staat als unabdingbar an. In Hof blieb die Selbstverwaltung der Stadt durch einen Magistrat unter Aufsicht eines Polizeidirektors bestehen. Gleichzeitig stärkten die Reformen die Wirtschaftskraft der Stadt. Das Bürgertum und mit ihm die Familie Wirth fühlte sich in dem moderneren und größeren Staatswesen gut aufgehoben.

Diese hoffnungsvolle Entwicklung Hofs endete abrupt im Jahre 1806 mit der unbedachten Kriegserklärung Preußens an Frankreich und der vernichtenden Niederlage der preußischen Armee bei Jena und Auerstedt. Mit dem Aufmarsch französischer Truppen auf der Heerstraße über Hof erlebte die Bevölkerung wie im Dreißigjährigen und im Siebenjährigen Krieg wiederum die Schrecken militärischer Einquartierungen. Nach dem Frieden von Tilsit 1807 fand sich das Fürstentum Bayreuth dann als Provinz im französischen Kaiserreich wieder. Der französische Gouverneur Camille de Tournon beließ es bei den preußischen Verwaltungsstrukturen und bemühte sich redlich, die Kriegslasten so gering wie möglich zu halten. Für Napoleon stellte das ehemalige Fürstentum jedoch von Anfang an nur ein Kompensationsobjekt für künftige Territorialverschiebungen dar.

DIE TEXTIL- UND HANDELSSTADT HOF


Unter den drei großen Städten der Markgrafschaft Bayreuth erstrahlte die Residenzstadt Bayreuth spätestens seit dem Wirken der Markgräfin Wilhelmine (1709–1758), der Schwester des Preußenkönigs Friedrich II., in repräsentativem fürstlichem Glanz, während sich die aufstrebende Hugenottenstadt Erlangen 1743 der Gründung einer landesherrlichen Universität erfreuen konnte. Dagegen schlug in der äußerlich unscheinbaren Stadt an der Saale das wirtschaftliche Herz des Fürstentums. Seit dem 15. Jahrhundert wurde in Hof Baumwolle verarbeitet und je nach Mode gefertigte Baumwolltücher stellten einen weithin gefragten Exportartikel dar. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts fand fast jeder vierte im Baumwollgewerbe der beiden Fürstentümer Ansbach und Bayreuth Beschäftigte seine Arbeit in Hof. Der Anteil des hier geschaffenen Produktionswertes lag innerhalb des Bayreuther Fürstentums bei nahezu 50 %. Zudem hatten sich in Hof mehrere mazedonische Baumwollgroßhändler niedergelassen, die nicht nur die Region mit mazedonischer, levantinischer und westindischer Baumwolle versorgten, sondern die Saalestadt zu einem der größten Baumwollmärkte Deutschlands machten.

Begünstigt wurde diese Entwicklung durch den Umstand, dass Hof im Schnittpunkt mehrerer Fernhandelsstraßen lag. So kreuzten sich in der Saalestadt die Verbindungen von Augsburg und Nürnberg nach Leipzig sowie die von Magdeburg und Halle nach Regensburg. Zudem führte die Frankenstraße, auch Sächsische Bergstraße genannt, von Hof über Freiberg in Sachsen nach Dresden, wo sie Anschluss an die Hohe Straße Richtung Schlesien fand. So waren Hofer Kaufleute nicht nur auf den bekannten Messeplätzen Leipzig, Nürnberg und Frankfurt/Main vertreten, sondern es versammelten sich – einem Bericht des französischen Gouverneurs zufolge – auch »Kaufleute aus Sachsen, Böhmen und anderen Gegenden« auf »den großen Messen in Hof«. Und Wirth erinnerte sich in seiner Autobiografie, den Denkwürdigkeiten aus meinem Leben, noch »deutlich« an die »beträchtlichen Güterzüge«, die er in seiner Knabenzeit »täglich« sah. Kein Wunder, wenn die Saalestadt neben einer kaiserlichen auch eine kursächsische Poststation beherbergte, von denen man nach den Worten des Landeshauptmannes Philipp Ludwig von Weitershausen »nicht allein durch ganz Deutschland, sondern auch durch ganz Europa die besten und schleunigsten Bestellungen« machen konnte.

DIE FAMILIE WIRTH


Johann Georg August Wirth entstammte einer angesehenen Hofer Postmeisterfamilie. Sein Großvater Johann Gottlob Joachim Wirth betrieb seit 1765 als kaiserlicher Reichspostmeister die Posthalterei, also die Geschäftsstelle, während der Onkel als Poststallmeister für die Erledigung der Ritte und Fahrten verantwortlich war. Diese Aufgabe fiel 1794 Wirths Vater Johann Adam Gottlieb zu. Als 1799 auch die Expedition der kursächsischen Post Wirths Großvater übertragen wurde, nahm die Familie Wirth im Hofer Postwesen eine Monopolstellung ein.

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Wirth beschrieb seinen Vater als einen tatkräftigen Mann, kühnen Reiter und leidenschaftlichen Jäger, »lebhaft bis zur Heftigkeit« und »bei Gefahren trotz des angeborenen Feuers kaltblütig und geistesgegenwärtig«. Auf der anderen Seite sei er »gütig und mild« gewesen und habe sich – »begabt mit dem weichsten Herzen« – stets als Wohltäter der Armen erwiesen. Ein Sturz vom Pferde leitete ein längeres Siechtum ein, das den erst Dreiunddreißigjährigen am 6. Dezember 1803 zum Tode führte. Noch auf dem Sterbebett soll er sich um die Versorgung seiner Frau und ihrer fünf unmündigen Kinder gekümmert haben. Da Wirth beim Ableben seines Vaters erst fünf Jahre alt war, entspricht das in den Denkwürdigkeiten gezeichnete Bild des Poststallmeisters wohl vor allem der in der Familie gepflogenen Tradition.

Wirths Mutter Wilhelmina Augusta Albertina, eine Pfarrerstochter aus dem sächsischen Theuma, die der Sohn für »womöglich noch feuriger und heftiger« hielt als den Vater, machte fortan die Erziehung und gute Ausbildung der Kinder zu ihrer Lebensaufgabe. Doch blieben weitere Schicksalsschläge nicht aus. Schon kurze Zeit nach dem Tode des Vaters verstarb auch Wirths jüngerer Bruder Franz August. Als gegen Ende des Jahres 1813 infolge zahlreicher Truppendurchzüge das »Nervenfieber«, vermutlich das Fleckfieber, nach Hof eingeschleppt wurde, erkrankte der ältere Bruder Johann Sebastian Christian, ein »Jüngling von unbeschreiblicher Herzensgüte«, und erlag dieser Seuche im folgenden Jahr. Der Tod seines Bruders traf Wirth hart, noch mehr das bei ihm ebenfalls ausbrechende Nervenfieber. Obwohl er durch die geschickte Behandlung des Landarztes Gräfe gerettet wurde, fühlte er sich im Inneren »so öde, dass ich den Tod als Freund ersehnt hatte«. Nachdem auch die ältere Schwester verstorben war, wurde es einsam im Hause Wirth. Dem einzig überlebenden Bruder verblieb schließlich nur noch die jüngere Schwester, die aber bei einer Tante in Wunsiedel aufwuchs.

SCHULE UND BILDUNG


Nach eigenen Angaben besuchte Wirth schon mit vier Jahren die...


Axel Herrmann,
Dr. phil., ehemaliger Leiter eines Hofer Gymnasiums, ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen zur Stadt- und Regionalgeschichte sowie zum Themenkomplex "Menschenwürde und Menschenrechte".



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