E-Book, Deutsch, 354 Seiten, eBook
Groenemeyer Wege der Sicherheitsgesellschaft
1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-531-92604-9
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Gesellschaftliche Transformationen der Konstruktion und Regulierung innerer Unsicherheiten
E-Book, Deutsch, 354 Seiten, eBook
ISBN: 978-3-531-92604-9
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Das Gefühl allgegenwärtiger Bedrohung durch Gewalt und Kriminalität ist mittlerweile in das Alltagsleben eingesickert und durchdringt die Organisation sozialer Beziehungen und das Verhalten der Gesellschaftsmitglieder auch jenseits unmittelbarer Gefährdungslagen und Risikosituationen. Parallel dazu erleben wir seit einiger Zeit die Entwicklung einer Kontrollkultur, in der sowohl die staatliche Kontrolle von Kriminalität als auch die Mechanismen sozialer Kontrolle im Alltag neue Formen annehmen; die Vorstellungen sozialer Ordnung wandeln sich ebenso wie auch die Mechanismen ihrer Herstellung.
Mit dem Etkett 'Sicherheitsgesellschaft' werden diese Entwicklungen als grundlegende gesellschaftliche Transformationsprozesse der Konstruktion und Produktion sozialer Ordnung und innerer Sicherheit sowie der Herausbildung einer neuen Formation sozialer Kontrolle interpretiert.
Anhand theoretischer Reflexionen und empirischer Analysen werden diese Wandlungsprozesse auf verschiedenen Ebenen nachgezeichnet, die mit den Stichworten der (medialen) Konstruktion von Bedrohungsszenarien, der Neukonfiguration nationaler und internationaler Sicherheitsregime und neuen Formen der Konstruktion und Regulation unsicherer Räume umschrieben werden können.
Dr. Axel Groenemeyer ist Professor für Theorie und Empirie der Sozialpädagogik am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Soziologie der Universität Dortmund.
Zielgruppe
Professional/practitioner
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;Inhalt;5
2;Wege der Sicherheitsgesellschaft;7
2.1;1. Von der Disziplinargesellschaft zur Sicherheitsgesellschaft;7
2.2;2. Was ist eine Sicherheitsgesellschaft?;10
2.3;3. Auf dem Weg in eine Sicherheitsgesellschaft oder Wege der Sicherheitsgesellschaft?;16
2.4;Literatur;18
3;I. Die Konstruktion gefühlter Unsicherheiten;20
3.1;Innere Sicherheit und soziale Unsicherheit;21
3.1.1;1. Einleitung;21
3.1.2;2. Entwicklungstendenzen der Sicherheitspolitik;23
3.1.3;3. Soziale Ängste und Kriminalitätsfurcht;28
3.1.4;4. Erfolgsbedingungen von Sicherheitsdiskursen;31
3.1.5;Literatur;35
3.2;Mediatisierung der Sicherheitspolitik oder: Die Medien als selbständige Akteure in der Debatte um (mehr) Sicherheit;38
3.2.1;1. Neue Tendenzen bei der Politik der inneren Sicherheit;38
3.2.2;2. Der Prozess des Polizierens;41
3.2.3;3. Medien als Akteure innerhalb der Politik der Inneren Sicherheit;44
3.2.4;4. Mediatisierung als neue Ausdrucksform der Medialisierung;46
3.2.5;5. Polizieren und der Mediatisierungsprozess;47
3.2.6;6. Die Bedeutung der Medien in der Debatte um mehr Sicherheit;51
3.2.6.1;6.1 Die Medien und ihre Inhalte;51
3.2.6.2;6.2 Die Medien als eigenständige Akteure;52
3.2.7;Literatur;54
3.3;Soziale Unruhen – Zur Sicherheit der Gesellschaft?;59
3.3.1;1. Einleitung;59
3.3.2;2. Zur Bedeutung von Diskursen für Print-Medien;60
3.3.3;3. Methodische Überlegungen zur Analyse von Diskursen;63
3.3.4;4. Aufstand in den banlieues;66
3.3.5;5. Analyse der Medienberichterstattung;70
3.3.5.1;5.1 Exemplarische Falldarstellung;71
3.3.5.2;5.2 Regeln und Mechanismen des Diskurses;80
3.3.6;6. Zusammenfassung und Schlussbetrachtung;82
3.3.7;Literatur;83
3.3.8;Verzeichnis aufgeführter Zeitungsartikel;86
3.4;Unsicherheitsgefühle, Mediennutzung und Vertrauen in Institutionen;87
3.4.1;1. Untersuchungsproblem;87
3.4.2;2. Theoretische Perspektiven und Erklärungsversuche;88
3.4.2.1;2.1 Unsicherheitsgefühle;88
3.4.2.2;2.2 Operating Model;91
3.4.2.3;2.3 Institutionenvertrauen;92
3.4.3;3. Medienverfügbarkeit, Medienangebot und Mediennutzung;94
3.4.3.1;3.1 Postulierter Zusammenhang zwischen den Untersuchungskonstrukten;95
3.4.3.2;3.2 Verwendete Daten und Operationalisierung der verwendeten Indikatoren;98
3.4.3.2.1;3.2.1 Zentrale Variablen;98
3.4.3.2.2;3.2.2 Intervenierende Variablen;99
3.4.4;4. Ergebnisse;100
3.4.5;5. Fazit und Ausblick;105
3.4.6;Literatur;107
3.5;Subjektives Kriminalitätserleben im Kontext gesellschaftlicher Transformation;110
3.5.1;1. Einleitung;110
3.5.2;2. Methodisches Vorgehen;114
3.5.3;3. Verbreitung und Messung der Kriminalitätsfurcht;120
3.5.4;4. Konstanz und Wandel in der lokalen Kriminalitätsfurcht;123
3.5.5;5. Konstanz und Wandel der affektiven Kriminalitätsfurcht, kognitiven Risikoeinschätzung und Vulnerabilität;130
3.5.6;6. Vergangene Verhältnisse in der Erinnerung der Befragten: Realitätsgetreue Abbildung oder Projektion aus der Gegenwart? Ergebn;140
3.5.7;7. Veränderte Bedrohungsszenarien und die Bedeutung der Massenmedien;143
3.5.8;8. Selektive Erinnerung als Resultat früherer und gegenwärtiger Orientierungen;149
3.5.9;9. Schlussbemerkungen;152
3.5.10;Literatur;154
4;II. Staatliche und internationale Politiken der Unsicherheit;161
4.1;Der weltweite „punitive Turn“ – Ist die Bundesrepublik dagegen gefeit?;162
4.1.1;1. Einleitung;162
4.1.2;2. Die These des punitive turn – am Beispiel der Studie D. Garlands;162
4.1.2.1;2.1 Einige Vorläufer von Garlands Studie;162
4.1.2.2;2.2 Zur Resonanz der Studie und zum Kontext im Werk Garlands;163
4.1.2.3;2.3 Skizze der These Garlands2;165
4.1.2.4;2.4 Die einzelnen Indikatoren des Strukturwandels der Kontrolle;166
4.1.2.5;2.5 Zwei Prinzipien kriminalpolitischer Praxis;167
4.1.2.6;2.6 Einige Anmerkungen zur wissenschaftlichen Strategie Garlands;168
4.1.3;3. Der punitive turn: Amerikanischer „exceptionalism“ oder allgemeine Entwicklung? – Oder: Von der Flucht vor der Realität zur Z;170
4.1.3.1;3.1 USA: Schrittmacher oder „Ausreißer“ der Entwicklung? –„Exceptionalism“;170
4.1.3.2;3.2 „Elsewhere“ – eine Erkundung aus der Welt wissenschaftlicher Rhetorik – oder: über die USA nach Deutschland;173
4.1.3.3;3.3 „Expertism“ versus „Populism“;181
4.1.4;4. Die Antriebsfaktoren/Ursachen des punitive turn – Gesellschaftstheorie ist das Gebot;183
4.1.5;Literatur;185
4.2;Die Sicherheit der Weltgesellschaft;189
4.2.1;1. Zur Problematik des Begriffs Sicherheit;189
4.2.1.1;1.1 Sicherheit als Behälterbegriff;189
4.2.1.2;1.2 Soziale Sicherheit und globaler Kontext;190
4.2.1.3;1.3 Sicherheit und Gesellschaft;191
4.2.1.4;1.4 Fragestellung;192
4.2.2;2. Sicherheit als normalisierendes Dispositiv;194
4.2.3;3. Die Dimension des Politischen;197
4.2.4;4. Sicherheit jenseits klassischer Souveränität;201
4.2.5;5. Strukturmerkmale der Weltsicherheit;206
4.2.5.1;5.1 Spannung zwischen inneren und äußeren Verpflichtungen;206
4.2.5.2;5.2 Spannung zwischen Gewaltverbot und Menschenrechten;207
4.2.5.3;5.3 Normative Asymmetrie;208
4.2.5.4;5.4 Spannung zwischen Moral und Recht;210
4.2.5.5;5.5 Strukturelles Legitimationsproblem;211
4.2.5.6;5.6 Der politische Charakter globaler Sicherheit;212
4.2.6;6. Governance und Parastaatlichkeit – globale Sicherheit vor Ort;214
4.2.7;7. Politische Konstitution der Weltgesellschaft?;217
4.2.8;Literatur;221
4.3;Innere Unsicherheit und ‚Selbstbefriedigung‘ der Staatsmacht;227
4.3.1;1. Einleitung;227
4.3.2;2. Kommunikationsmedien und Selbstbefriedigungsverbote;228
4.3.3;3. Selbstbefriedigung der Staatsmacht in zentralen Regionen der Weltgesellschaft;234
4.3.4;4. Selbstbefriedigung der Staatsmacht in peripheren Regionen der Weltgesellschaft;248
4.3.5;5. Fazit;257
4.3.6;Literatur;261
5;III. Die Konstruktion und Regulierung unsicherer Räume;265
5.1;Die Ausweitung privater und staatlicher Raumkontrolle;266
5.1.1;1. Unsichere Zeiten oder die Angst der Moderne vor Kontrollverlust;266
5.1.2;2. Raumkontrolle als Mittel der Begrenzung nach Innen;270
5.1.3;3. Allgemeine Effekte der neuen Raumkontrolle;274
5.1.4;4. Auswirkungen der Raumkontrollen auf die Modernität;277
5.1.4.1;4.1 Die Ausweitung des Machtund Gewaltstaats;277
5.1.4.2;4.2 Dimension Freiheitsrechte;278
5.1.4.3;4.3 Dimension Technisierung;279
5.1.4.4;4.4 Dimension Ökonomisierung;279
5.1.4.5;4.5 Dimension Soziale Ordnung;280
5.1.4.6;4.6 Dimension Urbanisierung;281
5.1.4.7;4.7 Dimension Zivilisation;281
5.1.5;5. Die neue Raumkontrolle als Kontrolle moderner Identitäten;281
5.1.6;6. Ausblick: wird die Moderne weniger modern?;285
5.1.7;Literatur;287
5.2;Die Entgrenzung des Prinzips Hausordnung in der neoliberalen Stadt;291
5.2.1;1. Einleitung;291
5.2.2;2. Das Prinzip Hausordnung und seine Ausweitung auf den öffentlichen Raum;293
5.2.2.1;2.1 Symbolische Schwellen zu manifesten Schwellen: ‚Stilvolle‘ Ausgrenzung durch Außengastronomie;295
5.2.2.2;2.2 Die Auflösung der Grenzen zwischen Kriminalität und bislang nicht-strafbaren Handlungen: Kommunale Ordnungsdienste, Hilfspol;297
5.2.2.3;2.3 Boombranche Sicherheit;303
5.2.3;3. Das Unternehmen Stadt, seine Kunden und Kundinnen sowie die anderen;306
5.2.3.1;3.1 Die „Erlebnisstadt“ verlangt nach Segregation;306
5.2.3.2;3.2 Neue Urbanität als Rückkehr prosperierender Schichten und verschärfte Kontrolle;310
5.2.3.3;3.3 Fortschreitende Sicherheit produziert Unsicherheit;313
5.2.4;4. Die Logiken des Spacings und der Ortseffekte;314
5.2.5;5. Wie sind die Wege der Sicherheitsgesellschaft gepflastert?;318
5.2.6;Literatur;320
5.3;Die Ordnung des städtischen Lebens durch Planung?;323
5.3.1;1. Einleitung;323
5.3.2;2. Städtische Planung als Ordnung des Sozialen;324
5.3.3;3. Tod und Leben modernen Stadt;325
5.3.4;4. Verbindung von soziologischen Theorien und Städtebau;328
5.3.5;5. Untersuchung in zwei deutschen Großwohnsiedlungen;330
5.3.6;6. Zusammenhänge zwischen Nachbarschaft und städtebauliche Struktur;333
5.3.7;7. Die Ordnung des städtischen Lebens durch Planung;335
5.3.8;Literatur;336
5.4;Die Entwicklung der Sicherheitsgesellschaft am Beispiel der Videoüberwachung am Wiener Schwedenplatz;338
5.4.1;1. Einleitung;338
5.4.2;2. Die Videoüberwachung am Wiener Schwedenplatz;340
5.4.3;3. (Aus-)Wirkung der Videoüberwachung;342
5.4.4;4. Akzeptanz der Videoüberwachung;345
5.4.5;5. Instrumentalisierung durch Politik und Medien;346
5.4.6;6. Resümee;349
5.4.7;Literatur;351
6;Verzeichnis der Autoren und Autorinnen;353
Wege der Sicherheitsgesellschaft.- Wege der Sicherheitsgesellschaft.- Die Konstruktion gefühlter Unsicherheiten.- Innere Sicherheit und soziale Unsicherheit.- Mediatisierung der Sicherheitspolitik oder: Die Medien als selbständige Akteure in der Debatte um (mehr) Sicherheit.- Soziale Unruhen – Zur Sicherheit der Gesellschaft?.- Unsicherheitsgefühle, Mediennutzung und Vertrauen in Institutionen.- Subjektives Kriminalitätserleben im Kontext gesellschaftlicher Transformation.- Staatliche und internationale Politiken der Unsicherheit.- Der weltweite „punitive Turn“ – Ist die Bundesrepublik dagegen gefeit?.- Die Sicherheit der Weltgesellschaft.- Innere Unsicherheit und ‚Selbstbefriedigung‘ der Staatsmacht.- Die Konstruktion und Regulierung unsicherer Räume.- Die Ausweitung privater und staatlicher Raumkontrolle.- Die Entgrenzung des Prinzips Hausordnung in der neoliberalen Stadt.- Die Ordnung des städtischen Lebens durch Planung?.- Die Entwicklung der Sicherheitsgesellschaft am Beispiel der Videoüberwachung am Wiener Schwedenplatz.
Die Ordnung des städtischen Lebens durch Planung? Eine Untersuchung der Verbindung von Städtebau und Sicherheit (S. 323-324)
Katja Veil
1. Einleitung
Kann und soll städtebauliche Planung das soziale Leben in den Städten ordnen? Diese Frage beschäftigt Planungsakteure seit den Anfängen der Disziplin und diese kamen zu unterschiedlichen Antworten. Derzeit scheint es eine Wiederbelebung städtebaulicher Idealvorstellung zu geben, nachdem das ‚Versagen‘ der modernen Leitlinien eine Phase der Desillusionierung und der weitgehenden Abkehr von Idealvorstellungen eingeleitet hatte.
So kann die Leipzig Charta, die von 27 Bauministern der EU im Mai 2007 als gemeinsames Leitbild der Stadtentwicklung verabschiedet wurde, als Versuch einer Renaissance der europäischen Stadtbilder der vormodernen Zeit gelesen werden. Mit der Priorisierung von Nutzungsmischung steht sie in direktem Gegensatz zur Charta von Athen, die 1933 die Trennungen der Funktionen Wohnen, Arbeiten und Einkaufen als zentralen Inhalt propagierte. In diesem Artikel soll es jedoch nicht um die Inhalte der jeweiligen Leitbilder und ihre Richtigkeit gehen, sondern um die Renaissance der städtebaulichen Idealvorstellungen an sich.
Ein Aspekt dieser Leitbilder ist, dass sie nicht nur eine bestimmte gebaute Struktur vorsehen, sondern zugleich auch Idealvorstellungen des städtischen Lebens und seiner Ordnung darstellen. Im Folgenden soll vor allem die Entwicklung einer sogenannten städtebaulichen Kriminalprävention diskutiert werden, welche über die Gestaltung des Raums versucht soziale Organisation und soziale Kontrolle im Wohnumfeld zu fördern.
Über das Potential informeller sozialer Kontrolle und von Nachbarschaftlichkeit soll durch städtebauliche Kriminalprävention die soziale Ordnung und die Sicherheit gewährleistet werden. Dabei stellt sich die Frage, ob diese Ansätze dem urbanen Leben überhaupt gerecht werden können, ist es doch von zunehmender Anonymität und abnehmender Raumbindung geprägt.
Um diese Frage zu beantworten, werden sowohl die städtebaulichen als auch die soziologischen ‚Wurzeln‘ dieses Konzept dargestellt, um dann eine Deutung der städtebaulichen Kriminalprävention im Kontext der aktuellen Stadtentwicklung zu entwickeln. Am Beispiel einer aktuellen Studie in zwei deutschen Großwohnsiedlungen wird das Konzept der sozialen Organisation durch städtebauliche Gestaltung exemplarisch illustriert.