E-Book, Deutsch, 222 Seiten
Reihe: textura
Orte und Geschichten
E-Book, Deutsch, 222 Seiten
Reihe: textura
ISBN: 978-3-406-80384-0
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Buch gewidmet, in dem er von seinen Wanderungen auf der Insel erzählt und mit vielen Episoden und Anekdoten deren oft abenteuerliche Vergangenheit zu neuem Leben erweckt.
Michael Krüger hat die schönsten in einer Auswahl
zusammengestellt und ein bezauberndes Nachwort beigesteuert. Eine wunderbare Urlaubslektüre für jeden Korsikaliebhaber.
Autoren/Hrsg.
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Über die Flora
Auf einem Umkreise von wenig Schritten, welche Fülle von Pflanzen nebeneinander! Da ist Rosmarin und Citisus, hier der wilde Spargel, daneben ein hoher Busch lilablütiger Erika, wieder hier die giftige Euforbia, die den milchweißen Saft ausströmt, wenn man sie bricht, und hier das sympathische Helianthemum mit schönen gelben Blüten, die nach und nach und allgesamt abfallen, wenn man einen einzelnen Zweig abgerissen hat. Da steht wieder fremd und bizarr wie ein maurischer Heide der stachlichte Kaktus, daneben der wilde Ölstrauch, die Korkeiche, der Lentiscus, die wilde Feige, und zu ihren Füßen blühen die wohlbekannten Kinder meines Vaterlandes: die Scabiosa, das Geranium, die Malve. Wie schön, durchdringend, stärkend sind diese Wohlgerüche, die all das blühende Kraut aushaucht, Raute Lawendel und Mente und all diese Labien. Sagte nicht Napoleon auf Sankt Helena, da seine traurigen Gedanken wieder zu seiner schönen Heimatsinsel zurückkehrten: «Alles war dort besser, bis auf den Duft des Bodens; am Wohlgeruch allein würde ich mit geschlossenen Augen Korsika erkennen.» (…) Korsika ist die zentralste Provinz des großen Pflanzenreiches der mittelländischen Zone; eines Reiches, das charakteristisch ist durch die Überfülle der duftigen Labien und der graziösen Caryophylleen. Diese Pflanzen bedecken alle Teile der Insel und durchduften zu jeder Jahreszeit ihre Luft. Wegen dieser zentralen Lage verbindet sich die korsische Pflanzenwelt mit der aller anderen Provinzen jenes ungeheuren Pflanzenreiches. Durch das Kap Corso verbindet sie sich mit den Pflanzen Liguriens, durch die Ostküste mit denen Toskanas und Roms, durch die West- und Südküste mit der Pflanzenwelt der Provence, Spaniens, der Berberei, Siziliens und des Orients, und endlich durch die sehr gebirgige und sehr hohe Region des Innern mit dem Pflanzenwuchs der Alpen und der Pyrenäen. Welch ein wunderbarer Reichtum und welche überraschende Mannigfaltigkeit also in der korsischen Vegetation! Das ist ein Reichtum und eine Mannigfaltigkeit, welche die Schönheit der Gegenden dieser Insel, die schon durch die Natur und den Boden so malerisch sind, unendlich erhöhen. Einige ihrer Forsten auf den Abhängen der Berge sind so schön wie die herrlichsten Europas; die beiden vorzüglichsten sind die von Aitone und von Vizzavona. Außerdem sind viele Provinzen Korsikas mit unermeßlichen Kastanienhainen bedeckt, deren Bäume ebenso gewaltig und fruchtbar sind als die schönsten der Apenninen oder des Ätna. Olivenpflanzungen, umfangreich gleich Forsten, umkränzen die Hügel und die Täler, die nach dem Meere sich hinziehen oder seinen Einflüssen offen liegen. Überall, selbst auf den rauhen und zackigen Seiten der hohen Berge schlingen sich die Weinreben um Fruchtbaumgärten und breiten dem Blick ihre grünen Blätter und ihre purpurnen Trauben aus. Fruchtbare Ebenen, golden von reichen Ernten, dehnen sich an den Küsten der Insel hin; und der Weizen wie der Roggen schmücken hie und da die Berghänge mit ihrem frischen Grün, das mit dem tieferen Grün der Buschwälder und mit den kalten Tönen der Steine und der nackten Felsen so malerisch kontrastiert. Der Ahorn und der Walnußbaum gedeihen wie die Kastanie fröhlich in den Tälern und auf den Höhen Korsikas; die Zypresse und die Meerpinie lieben die minder hohen Gegenden; die Forsten sind voll von Korkeichen und immergrünen Eichen; der Arbutus, die Myrte wachsen zu Bäumen auf. Der Pyrus und besonders der wilde Oleaster bedecken weite Strecken auf den Höhen. Der immergrüne Alatern, der Ginster Spaniens und Korsikas sind mit mannigfaltigen, aber immer gleich schönen Heiden vermischt; man unterscheidet unter diesen die Erika, die oft eine ungemeine Höhe erreicht. In den Strichen, die durch Austreten der Ströme und Bäche bewässert werden, wachsen der Ginster vom Ätna mit seinen schönen goldgelben Blüten, die Cisten, Lentisken, die Terebinthen überall da, wo die Erde nicht von der Menschenhand berührt wird. Tiefer unten, gegen die Ebenen, gibt es keinen Hohlweg noch Tal, das nicht von der graziösen Lorbeerrose umschattet wäre, deren Zweige gegen die Seeküsten hin sich mit denen der Tamarinden verschwistern. Die Fächerpalme wächst auf den Felsen am Meeresstrande, und die Dattelpalme, wahrscheinlich aus Afrika hergebracht, auf den geschütztesten Stellen der Küsten. Die Cactus opuntia und die amerikanische Agave wachsen überall an warmen, felsigen, dürren Orten. Was soll ich von den prächtigen Kotyledonen sagen, von den schönen Hülsengewächsen, den großen Verbazeen, den herrlichen gepurpurten Digitalen, die die Berge der Insel zieren? Und von den Malven, den Orchideen, Liliazeen, Solaneen, den Zentaureen und den Disteln, Pflanzen, die die sonnenheißen, kühlen oder schattigen Gegenden, in denen ihre natürlichen Sympathien sie wachsen lassen, so wohl verzieren? Die Feige, die Granate, der Weinstock geben in Korsika gute Früchte, selbst wenn der Landmann sie nicht pflegt, und das Klima wie der Boden der Küsten dieser schönen Insel sind der Limone und der Orange und den anderen Bäumen derselben Familie so günstig, daß sie hier wahre Wälder bilden. Die Mandel, die Kirsche, die Pflaume, der Apfelbaum, der Birnbaum, der Pfirsich und die Aprikose und im allgemeinen alle Obstbäume Europas sind hier gemein. In den heißesten Strichen der Insel kommen die Früchte des Johannisbrotbaumes, des Mispelbaumes mehrerer Arten, des Brustbeerbaumes zu vollkommener Reife. Endlich könnte der Mensch, wenn er es wollte, nach den verschiedenen Gegenden und ohne viel Mühe das Zuckerrohr, die Baumwolle, den Tabak, die Ananas, den Krapp und selbst den Indigo mit Erfolg anpflanzen; mit einem Worte, Korsika könnte für Frankreich das Klein-Indien des Mittelmeeres sein. Diese überaus herrliche Vegetation der Insel wird durch das Klima begünstigt. Das korsische Klima hat drei bestimmte Temperaturzonen, die sich nach der Bodenerhebung abstufen. Die erste klimatische Zone steigt vom Spiegel des Meeres bis zur Höhe von 580 Meter auf, die zweite von da bis zur Höhe von 1950 Meter, die dritte bis zum Gipfel der Berge. Die erste Zone, also überhaupt die Meeresküste, ist warm wie die parallelen Striche Italiens und Spaniens. Sie hat eigentlich nur zwei Jahreszeiten, den Frühling und den Sommer, selten fällt das Thermometer hier ein oder zwei Grade unter Null und nur für wenige Stunden. Auf allen Küsten ist die Sonne selbst im Januar warm, aber die Nächte und der Schatten kühl, und das in allen Jahreszeiten. Der Himmel bewölkt sich nur für Pausen; der einzige Wind von Südost, der schwere Schirokko, bringt anhaltende Nebeldünste, die der heftige Südwest der Libeccio wieder vertreibt. Auf die gemäßigte Kälte des Januar folgt bald eine Hundstagshitze für acht Monate, und die Temperatur steigt von acht Graden zu achtzehn und selbst zu zwanzig Graden im Schatten. Es ist ein Unglück für die Vegetation, wenn es dann nicht im März oder April regnet, und dieses Unglück ist häufig, doch haben die Bäume Korsikas allgemein harte und zähe Blätter, die der Dürre widerstehen, wie der Oleander, die Myrthe, der Cistus, der Lentiscus, der wilde Ölbaum. In Korsika wie in allen heißen Klimaten sind die Niederungen, die wasserhaltigen und schattigen Gegenden fast pestaushauchend; man wandelt da nicht abends, ohne sich lange und schwere Fieber zu holen, die, wenn man nicht gänzlich die Luft verändert, mit Wassersucht und Tod endigen. Die zweite klimatische Zone der Insel kommt dem Klima von Frankreich, namentlich von Burgund, Morvan und Bretagne, gleich. Da dauert der Schnee, der sich im November zeigt, bisweilen zwanzig Tage; aber er tut merkwürdigerweise dem Ölbaum nicht Schaden bis zur Höhe von 1160 Meter, sondern macht ihn noch fruchtbarer. Die Kastanie scheint der eigentliche Baum dieser Zone zu sein, denn sie endigt in der Höhe von 1950 Meter und weicht dann den grünen Eichen, den Tannen, Buchen, Buxusbäumen und Wachholdern. In diesem Klima wohnt auch der größere Teil der Korsen in zerstreuten Dörfern auf Berghängen und in Tälern. Das dritte Klima ist kalt und stürmisch wie das Norwegens während acht Monate im Jahre. Die einzigen bewohnten Orte in dieser Zone sind das Niolo und die beiden Forts von Vivario und von Vizzavona. Über diese bewohnten Orte hinaus erblickt das Auge keine Vegetation mehr als Tannen, die an grauen Felsen hängen. Dort wohnt der Geier und das Waldschaf, und dort ist das Vorratshaus und die Wiege der vielen Ströme, die ins Land hinunterrauschen. Man kann also Korsika als eine Pyramide betrachten, die in drei horizontalen Stufen sich aufstuft, von denen die unterste warm und feucht,...