Gómez-Montero / Weber | Gastfreundschaft - Pilgerherbergen - Hospitalwesen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 26, 213 Seiten

Reihe: Jakobus-Studien

Gómez-Montero / Weber Gastfreundschaft - Pilgerherbergen - Hospitalwesen

E-Book, Deutsch, Band 26, 213 Seiten

Reihe: Jakobus-Studien

ISBN: 978-3-381-12543-2
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Dieser Tagungsband untersucht Konzepte und Praktiken christlicher Mildtätigkeit sowie der Armen- und Krankenfürsorge im Zusammenhang mit der Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela vom Mittelalter bis in die Gegenwart. Vorgestellt werden historische Ausprägungen von Gastfreundschaft am Jakobsweg, wie etwa die monastische (bzw. benediktinische) Aufnahme von Kranken und Fremden oder das Aufkommen von Spitälern und Herbergen in den Randgebieten europäischer Städte im Hochmittelalter. Zudem werden literarische und kunsthistorische Quellen, die diese Thematik behandeln, zusammengestellt und aus ästhetischer wie aus anthropologischer Sicht analysiert. Reichlich bebildert und mit einer Vielzahl an Quellenauszügen unterstützt, wird hier die bis in unsere Zeit währende Bedeutung der Gastfreundschaft am Jakobsweg eindrücklich illustriert.

Javier Gómez-Montero ist Professor für Romanische Literaturwissenschaft an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Florian Weber ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Romanischen Seminar der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
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Gastfreundschaft – Pilgerherbergen – Hospitalwesen
Zur Einführung Javier Gómez-Montero Paradigmatische Szenen der Gastfreundschaft und des Pilgerns finden wir schon in der Bibel. Vielleicht ist Abraham, der jene drei Fremden in sein Zelt aufnahm (Gen 18,1-16), so etwas wie der Urvater der Gastfreundschaft. In der Apostelgeschichte zum anderen wird von den Emmausjüngern berichtet, die Jesus unterwegs als ihren Begleiter nicht erkannten (Lk 24,13-35). Doch entscheidend für die christliche Vormoderne sollten die verschiedenen Regulierungsschübe sein, die die Schutzwürdigkeit des Pilgers und den besonderen Wert der Gastfreundschaft unterstreichen, und zwar im Sinne sowohl einer moralischen Übung als auch einer kulturellen Praxis, die auf dem Land ebenso wie in den Städten verbreitet ist. Mit dieser Regulierung in moralphilosophischer, liturgischer oder juristischer Hinsicht beschäftigen sich in diesem Band vor allem Klaus Herbers anhand der Predigt Veneranda dies aus dem Codex Calixtinus und ich selbst am Beispiel der Siete Partidas, der Gesetzbücher des kastilischen Königs Alfons X. des Weisen aus der Mitte des 13. Jahrhunderts. Nicht zuletzt aber wird Gastfreundschaft in den verschiedensten Schriften auch als ganz pragmatische Angelegenheit im Hinblick auf die materielle, mithin wirtschaftliche Komponente der Versorgung von Pilgern und Fremden thematisiert und natürlich als Quelle von Konflikten (Raub, Betrug usw.), wie Florian Weber in seinem Beitrag u. a. an der Figur des malus hospes, des bösen Gastwirtes, im Codex Calixtinus illustriert. Bezeichnend ist, dass das Mönchtum des Frühen Mittelalters die erste kirchliche Institution war, die sich dank der Regel des hl. Benedikt, aber auch derjenigen des hl. Fructuosus und des hl. Isidor bis in die Frühe Neuzeit der Aufgabe einer kostenlosen Versorgung von Pilgern, Armen und Kranken im Zeichen christlicher caritas annahm. Erst später, im Zuge der zunehmenden Urbanisierung Westeuropas, entstand im christlichen Raum, häufig im Zusammenhang mit Pilgerwegen, ein dichtes Netz von Institutionen und Strukturen auch weltlicher Natur, die sich ebenfalls der Versorgung dieser bedürftigen Gruppen widmeten. Insofern waren neben Städten auch Bischofssitze, auf dem Land gelegene Klöster und Kirchen (oft unter dem Patronat des hl. Jakobus) Orte der Pilgeraufnahme, ebenso wie der Adel, Bruderschaften, Gilden und sonstige bürgerliche Mäzene als Stifter solcher Anstalten fungierten. Im Geiste christlicher Barmherzigkeit entstand im Mittelalter also für die materielle und spirituelle Versorgung der Pilger ein dichtes Netz an Betreuungsstellen, die oftmals in Städten angesiedelt waren, aber auch – darauf geht Volker Honemann in diesem Band ein – bei der Vorbereitung auf einen beschwerlichen Wegabschnitt mit besonders schwierigen geographischen Bedingungen (Bergpässe, Flüsse usw.) oder bei der Erholung davon eine Rolle spielten. Auf dem Camino Francés haben sich gerade dort häufig große Spitäler, aber auch kleinere von Ritterorden wie dem Santiago-Orden, dem Templerorden, dem Johanniterorden und dem Altopascio-Orden niedergelassen, wie Gregoria Cavero Domínguez und María Josefa Sanz Fuentes insbesondere für den Nordwesten Spaniens hinlänglich untersucht und anschaulich dargestellt haben. Auch weitere Studien zur Baugeschichte bzw. Verwaltungs- und Versorgungsgeschichte, d. h. zur Sozial-, Wirtschafts- und Medizingeschichte liefern uns gesicherte Erkenntnisse über Alltagsleben und Strukturen solcher karitativen Einrichtungen bis in die Frühe Neuzeit. In unserem Zusammenhang spielen diese Arbeiten eine wichtige Rolle, weil sie sich mit den ersten Spitalgründungen in Asturien, etwa in Oviedo oder in Cerredo de Tineo am Camino Primitivo (das sogenannte Hospital de la Espina, das 883 von Alfons III. dem Großen gegründet wurde), mit dem Hospital de Santa María in Roncesvalles, das 1127 von Sancho de Larrosa, Bischof von Pamplona (1122-1142), gegründet wurde, oder auch mit anderen bischöflichen Stiftungen wie dem in der Mitte des 12. Jahrhunderts entstandenen Kloster und Hospital von Benevívere befassen. Exemplarisch sei auch auf das für uns besonders interessante feinmaschige Netz der Pilgerversorgung in der Provinz León hingewiesen, beispielsweise in Hospital de Órbigo zwischen León und Astorga, wo sich im Mittelalter die genannten Orden niedergelassen und Spitäler betrieben haben. Zur Armen- und Krankenversorgung, die nicht zuletzt auch Pilgern offenstand, hat Catherine Geleyn zuletzt interessante Erkenntnisse vorgelegt, die sie auch in diesem Band dokumentiert.   ***   In jüngster Zeit sind nicht nur aus der Religionssoziologie, sondern auch aus der Philosophie und insbesondere aus der philosophischen Hermeneutik in der Nachfolge Paul Ricœurs originelle Ansätze zur Weiterführung unserer Fragestellung, auch im Zusammenhang mit dem Jakobsweg, entwickelt worden. Ich beziehe mich vor allem auf den von Marcelino Agís Villaverde und Jesús Palmou Lorenzo herausgegebenen Band Camino, luego existo. Die Konzeptualisierung des Symbols im Sinne der Ricœurschen Heidegger-Lektüre erlaubt hier, einen Begriff des Camino als fusión de horizontes zu profilieren; der Weg bildet demnach einen Rahmen für die Konvergenz verschiedener Sichtweisen, insbesondere des Selbst und des Anderen. Maria Luísa Portocarrero Ferreira da Silva weist auf kommunikative Möglichkeiten der Begegnung hin, die zweifellos auch für den Jakobsweg nutzbar gemacht werden können. Eingedenk dessen, dass dem Camino m. E. der Status einer Heterotopie bzw. Heterochronie zugesprochen werden kann, besitzt er ein ganz besonderes Potenzial zur Vermittlung bei Konflikten und Krisen in Bezug zum Selbst oder zur Welt bzw. zum Anderen. Einer Haltung des Argwohns (sospecha) könne dadurch, wie Portocarrero Ferreira da Silva unterstreicht, eine Haltung des Vertrauens (confianza) entgegengestellt, Vorurteile in der Kommunikation überwunden werden. So lassen sich die Konzepte der Gastfreundschaft und Feindseligkeit, hospitalidad und hostilidad, in eine produktive Gegenüberstellung setzen, die Marcelino Agís ebendort durch die Strategie des Dialogs zwischen konträren Haltungen in die Dynamik eines Verwandlungsprozesses überführt. Zweifellos lassen sich die vorangehenden Überlegungen mit Paul Ricœurs Schrift Parcours de la reconnaissance weiterführen. Ricœur situiert die angesprochene Begegnung in einem Spannungsverhältnis zwischen der reconnaissance à soi-même und der reconnaissance mutuelle, also zwischen einer Wiedererkennung des Selbst und einer Wiedererkennung des Anderen bzw. einer gegenseitigen Wiedererkennung. So hat im Anschluss daran Marcelino Agís im selben Band die Dynamik innerweltlicher und zwischenmenschlicher Begegnungen auf dem Jakobsweg in einer dreifachen Hinsicht folgendermaßen zugespitzt: „En el Camino se produce un triple encuentro con uno mismo, con el otro con el que compartimos un tramo del camino y con Dios, finalidad última de toda peregrinación religiosa.“ Dies ist für uns ein äußerst interessanter Ansatz, denn der Jakobsweg profiliert sich auf diese Weise als Medium, in dem sich die hospitalidad auch als eine virtud cívica, also als eine staatsbürgerliche Tugend, erfassen lässt, die es erlaubt, die razones del otro im eigenen Denken mit einzubeziehen, d. h. das Kulturelle und den Denkhorizont des Anderen im Selbst zu beherbergen. Daraus ergibt sich der besondere Status dessen, was Agís vocación peregrina, Pilgerberufung, nennt, was ich aber anderswo auch als identidad peregrina bezeichnet habe und was nun im Lichte der angeführten Überlegungen philosophisch auch als razón compartida begriffen werden könnte, wenn man Agís’ Konzept eines logos vagabundo unter dem Eindruck dieses dialogischen Dispositivs der Vernunft erfassen darf. In jedem Falle erlauben mir solche philosophischen Überlegungen auch zu unterstreichen, dass diese dialektische Überwindung der hostilidad, der Fremdenfeindlichkeit, durch praktizierte Gastfreundschaft auf dem Jakobsweg es...


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