Gellner | Die Bibel ins Heute schreiben - E-Book | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 300 Seiten

Gellner Die Bibel ins Heute schreiben - E-Book

Erkundungen in der Gegenwartsliteratur
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-460-51082-1
Verlag: Katholisches Bibelwerk
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Erkundungen in der Gegenwartsliteratur

E-Book, Deutsch, 300 Seiten

ISBN: 978-3-460-51082-1
Verlag: Katholisches Bibelwerk
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Jahrhundertelang schrieben nicht nur Exegeten, sondern vor allem auch Dichter und Literaten die Bibel weiter. Erstaunlich genug: Gerade in der zeitgenössischen Literatur werden biblische Sprachformen, Stoffe, Motive und Figuren vielfältig aufgegriffen, weiter- und umerzählt oder ganz neu gedeutet. Schriftstellerinnen und Schriftsteller, darunter oft gerade solche, bei denen man es nicht von vornherein erwartet, sind dabei ganz eigene Exegeten. Der zweite Band der Reihe "Bibel und Literatur" erschließt diese facettenreichen Um- und Weiterschreibungen der Heiligen Schrift schwerpunktmäßig an Literatur nach 1989 in Werk- und Autorenporträts zu Sibylle Lewitscharoff, Adolf Muschg, Thomas Hürlimann, Arnold Stadler, Ralf Rothmann, Christian Lehnert, Ulrike Draesner, Ingo Schulze, Uwe Kolbe, Ulla Hahn, SAID, Friedrich Christian Delius, Durs Grünbein, Elfriede Jelinek, Ferdinand Schmatz, Paul Nizon, George Tabori, Peter Henisch, Dagmar Nick, Reinhard Jirgl u.a.

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1 / Schriftstellerinnen und Schriftsteller schreiben die Bibel ins Heute
Die Bibel hört auch in unserer Zeit nicht auf zu wirken, ja, sie erzielt nicht selten Wirkungen, wo man es am wenigsten vermutete: „Sie ist ein Buch und das Buch, sie ist wie alle Bücher und doch mehr als jedes Buch“, streicht ein aktueller Sammelband Das Buch in den Büchern. Wechselwirkungen von Bibel und Literatur heraus (Pollaschegg/Weidner 2012, 33). In der Tat: „Ohne Zahl sind die stofflichen, motivischen, thematischen, stilistischen und kompositorischen Referenzen literarischer Texte auf die Bibel, die dabei im selben Maße als kultureller Wissensspeicher wie als ästhetisches, religiöses und gesellschaftliches Reflexionsmedium sichtbar wird“ (ebd., 10). Als ein Werk der Weltliteratur, das wie kein anderes die Dichtung aller Epochen prägte und inspirierte, ist die Bibel das am meisten literarisch ausgeschöpfte Buch. Jahrhundertelang schrieben nicht nur Exegeten, sondern auch bildende Künstler, Musiker, Dichter und Literaten die Bibel weiter. Mehr noch als durch die persönliche Lektüre wird die Kenntnis und Erinnerung der Heiligen Schrift durch Literatur und Kunst wachgehalten, die die Bibel illustriert und ausdeutet. Die kirchlich-katechetische ebenso wie die künstlerisch-kreative Rezeption der Bibel zeigt, wie unser Vorverständnis durch ein weites Feld vielfältiger Interpretation geformt ist. Jeder Leser, jede Hörerin der Bibel ist in die Kette ihrer Auslegung gestellt, deren Stimmenvielfalt einen Gedächtnis- und Echoraum fortlaufender Tradition und Applikation bilden, der ihren Text wie ein Kokon umgibt. Wer als Schriftstellerin oder Schriftsteller auf die Bibel Bezug nimmt, bezieht sich nicht nur auf das Buch der Bücher, sondern – zumindest implizit, häufig bewusst und explizit – auch auf dessen plurale religiös-spirituelle und kulturelle Wirkungsgeschichte. Worum es in diesem Buch geht
Erstaunlich genug: Gerade in der zeitgenössischen Literatur werden biblische Sprachformen, Stoffe, Motive und Figuren vielfältig aufgegriffen, berichtigt, weiter- und umerzählt oder ganz neu gedeutet. Schriftstellerinnen und Schriftsteller, darunter oft gerade solche, bei denen man es nicht von vornherein erwartet, sind dabei ganz eigene Exegeten. Vielfach gebrochen, verfremdet und gegen den Strich gebürstet, erfahren die scheinbar vertrauten, oft zur Floskelhaftigkeit abgeschliffenen und verharmlosten biblischen Texte, Gestalten und Sujets unter ihren Händen aktualisierende Neu- und Umgestaltungen, zeitgenössisch pointierte Neuvergegenwärtigungen, die die Bibel buchstäblich ins Heute schreiben. Darin liegt eine doppelte Herausforderung: Einerseits vermag die Fachgermanistik ohne fundierte Bibelkenntnis einen Großteil der modernen Literatur kaum zu erschließen. Karin Schöpflin beklagt im Vorwort ihrer Übersichtsdarstellung Die Bibel in der Weltliteratur zu Recht, „dass biblische Bezüge bei der Lektüre literarischer Werke viel zu wenig bedacht werden“ (Schöpflin 2011). Durch das vielfach konstatierte Schwinden biblischen Wissens im neuen Jahrtausend verschärft sich diese Situation. Andererseits werden Theologie und Kirche durch die Literatur mit einem Fortwirken der Bibel und ihrer diagnostisch-erhellenden Enthüllungskapazität konfrontiert, das als Ausdruck zeitgenössischer Wirklichkeitsdeutung eingespielte Plausibilitäten im Umgang mit der Heiligen Schrift aufbricht und heilsam in Frage stellt. Gegen alle Abnutzung, Verharmlosung und Entschärfung gewinnt sie so wieder die aufstörende Brisanz und Aktualität eines ungemein erfahrungsgesättigten Lebensbuches. Kein Wunder, dass sich auf dem Grenzgebiet von Theologie und Literatur im Lauf der letzten Jahrzehnte ein profilierter Forschungszweig herausgebildet hat, der sich mit den facettenreichen Neu-, Gegen-, Fort- und Weiterschreibungen der Bibel im Raum der Dichtung beschäftigt. Gleichzeitig entstand im angloamerikanischen Bereich eine breite Diskussion über die Bibel als Literatur, die im deutschsprachigen Raum sowohl in der Bibelwissenschaft als auch im literaturwissenschaftlichen Kontext zunehmend rezipiert wird. Vereinzelt haben Bibelexegeten zudem begonnen, die literarisch-künstlerische Wirkungsgeschichte der Heiligen Schrift in die theologische Arbeit einzubeziehen. Exegese, die sprach- und vermittlungsfähig bleiben will, tut gut daran, die literarische Rezeption biblischer Texte stärker zu berücksichtigen und fruchtbar zu machen. „Schriftsteller haben schon lange gewusst, dass die Bibel eigentlich alle Geschichten enthält, die sich denken lassen“, stellt Michael Krüger (*1943) den ungeheuren Stoff heraus, der die Bibel zu einem gigantischen Geschichtenbuch macht. „Sie weiß alles über Liebe und Macht, Strafe und Vergebung, Schuld und Sühne, Gewalt und Erlösung. Alle Geschichten, die wir erleben (und oft erleiden), sind in ihr eingeschlossen.“ (in Vilshofen 2003, 8) Michael Krüger setzt in seinem Vorwort zur Anthologie Biblische Geschichten neu erzählt hinzu, eigentlich komme es „nur darauf an, sie […] in unsere Sprache zu übersetzen“ (ebd.). Damit kommt ein breites Spektrum ganz unterschiedlicher intertextueller Bezugnahmen und literarischer Auseinandersetzungen in den Blick – vielfältige Wechselbezüge zwischen Bibel und Literatur in Anknüpfung und Widerspruch, als Fortschreibung wie als Umdeutung der Heiligen Schrift. Das aber heißt: Zwischen Verfremdung und Neuschöpfung, Zustimmung und Absetzung oder Abweichung, zwischen Bibeltreue und Bibelkritik loten Schriftstellerinnen und Schriftsteller – oft bewusst außerhalb des Glaubenshorizonts von Synagoge und Kirche – neue existenzleitende Sinnmöglichkeiten der Bibel aus. Die nämlich stellt ein schier unerschöpfliches Sprach-, Motiv- und Deutungsreservoir bereit für die Selbstauslegung und Selbstaufklärung des Menschen, für Zeit-, Lebens- und Weltdeutung. Zu Recht betonen Andrea Polaschegg und Daniel Weidner, dass „die Geschichte der wechselseitigen Abwehr und Adaption von Bibel und Literatur“ eine vielstimmig-vielförmige „bibelliterarische Gemengelage im Spannungsfeld zwischen Bruch und Tradition“ (Polaschegg/Weidner 2012, 26) darstellt. Dabei zeigt sich einmal mehr: „Wer die Bereiche Literatur auf der einen Seite, Theologie auf der anderen mit einem ‚und‘ verknüpft“, so der Würzburger Pastoraltheologe Erich Garhammer in seinem jüngsten Buch Erzähl mir Gott, „muss wissen, dass dieses ‚und‘ nicht harmlos sein kann oder je war, sondern höchst spannungsgeladen.“ (Garhammer 2018, 12) Darum soll es gehen in diesem Buch, das die vielfältigen Adaptionen und Transformationen biblischer Sprachformen, Stoffe, Motive und Figuren im Raum der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur schwerpunktmäßig nach 1989 in prägnanten Werk- und Autorenporträts erschließt. Motiv- und autorenbezogen werden thematisch bedeutsame Einzelwerke und herausragende Werkkomplexe beleuchtet, wobei maßgebliche lebens-, werk- und zeitgeschichtliche Kontexte ebenso in den Blick genommen werden sollen wie literaturtheologische Rückblenden zur besseren Einordnung. Ganz unterschiedliche individuelle Profile sowie autorenspezifische Schreibweisen und Haltungen sind herauszuarbeiten. Sie sind in ihrer Vielfalt auf keinen Nenner zu bringen, nicht vorschnell auf eine Tendenz zu reduzieren und lassen erst im Gesamten die Umrisse eines Panoramas entstehen, das keine Vollständigkeit beanspruchen kann. Gewiss lässt sich beobachten, dass die Literaturwissenschaft dazu tendiert, Relevanz und Dignität ihres Gegenstandsbereichs „entlang der Differenzlinie ‚ästhetisch versus religiös‘ zu konstituieren und sich allein für Ersteres zuständig zu erklären, während die theologische Forschung dazu neigt, Bibelallusionen in literarischen Texten eo ipso als Ausweis eines religiösen Gehalts dieser Texte zu lesen“ (Polaschegg/Weidner 2012, 32). Beides gilt es zu vermeiden. Bibelrezeption ist nicht pauschal ein „Phänomen von Religiosität in der Gegenwartsliteratur“ (Braun 2018, 17). Michael Braun verweist selbst auf existentielle und ästhetische Motivationslagen, exemplarisch treten sie etwa bei Pascal Mercier und Olga Martynowa zu Tage. Nicht wenige Autoren und Autorinnen, denen die religiöse Bedeutung der Bibel gleichgültig ist, lesen sie als literarisches Meisterwerk und großes Menschheitsbuch. Neue Aufmerksamkeit für Religiös-Spirituelles
Was Nachtzug nach Lissabon zu einem Schlüsselroman des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts macht – hinter dem Autorenpseudonym verbirgt sich der Schweizer Philosophieprofessor und Schriftsteller Peter Bieri (*1944) –, ist nicht die scharfe Kritik an Gott, Kirche und institutionalisierter Religion, die die moderne Literatur seit Heinrich Heine durchzieht. In der erzählten Welt des Nachtzug-Romans sind Kirche und...


Dr. theol. Christoph Gellner (geb. 1959) promovierte auf dem Grenzgebiet von Theologie, Literatur- und Religionswissenschaft an der Universität Tübingen. Mehrjährige Tätigkeit in der theologischen Erwachsenenbildung und in der Pfarrei- sowie der Hochschulseelsorge. 2000–2015 Leiter des Instituts für kirchliche Weiterbildung sowie des Theologischen Seminars Dritter Bildungsweg an der Theologischen Fakultät der Universität Luzern, Lehrbeauftragter für Theologie und Literatur, Ökumenische Theologie, Christentum und Weltreligionen. Derzeit [ist er] Leiter des Theologisch-pastoralen Bildungsinstituts der deutschschweizerischen Bistümer in Zürich.



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