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E-Book, Deutsch, Band 37, 108 Seiten
Reihe: edition pace
Frey Die Versöhnung mit Russland als Auftrag
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-6951-0916-6
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Eine Textdokumentation mit drei Beiträgen von Ulrich Frey, Werner Krusche und Wolfram Wette
E-Book, Deutsch, Band 37, 108 Seiten
Reihe: edition pace
ISBN: 978-3-6951-0916-6
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Ihren rassenideologischen Eroberungs-, Versklavungs- und Vernichtungsfeldzug gen Osten 1941-1944 nannten die Deutschen "Russland-Krieg". Das Verbindende der drei in diesem Dokumentationsband dargebotenen Texte ist das Anliegen einer Versöhnung mit den damals angegriffenen Völkern: Der Herausgeber Ulrich Frey war von 1972 bis 2000 Geschäftsführer der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden e.V. (AGDF). Er blickt in einem sehr persönlich gehaltenen Beitrag acht Jahrzehnte nach der Niederwerfung des deutschen Faschismus zurück auf seine Beteiligung an der Kampagne der Friedensbewegung zur "Versöhnung mit den Völkern der Sowjetunion" in den Jahren 1985-1991. Der Historiker und Friedensforscher Wolfram Wette hat auf der Heidelberger Friedenskonferenz am 22. Juni 2025 einen bundesweit stark beachteten Vortrag "Frieden mit Russland - eine immer noch unerledigte Aufgabe" gehalten: "Krieg ist kein unabwendbares Schicksal, sondern Menschenwerk, das Ergebnis schlechter Politik. Frieden ist generell möglich und machbar! Kriegsverhütung muss das erste Ziel staatlicher Politik bleiben!" Der dritte Beitrag - eine im Vollsinn des Wortes historisch zu nennende Quelle - stammt von Bischof Werner Krusche (1917-2009), der als Soldat 1942 in der Sowjetunion schwer verwundet wurde und später als evangelischer Theologe eine Aussöhnung der Deutschen mit den Völkern der Sowjetunion als einen bedeutsamen Schwerpunkt seines Wirkens betrachtet hat. Sein Vortrag "Schuld und Vergebung" (1984) konfrontierte das kirchliche Publikum mit einer sehr unbequemen Zeitdiagnose: "Die Ausblendung der besonderen Schuld gegenüber dem zur Vernichtung bestimmt gewesenen Sowjetvolk ist der verhängnisvollste und folgenschwerste Vorgang in der deutschen Nachkriegskirchengeschichte."
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Wolfram Wette
Frieden mit Russland – eine immer
noch unerledigte Aufgabe
Kontinuitäten und Brüche in den
deutsch-russischen Beziehungen 1941-2025
Vortrag auf der Heidelberger Friedenskonferenz am 22. Juni 2025,
veranstaltet von pax christi Heidelberg
und befreundeten Organisationen
1. EINLEITUNG: ERINNERUNG
AN EIN HEIDELBERGER FRIEDENSMEMORANDUM VON 1989
„ heißt der Titel eines Buches, das hier in Heidelberg – an der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) – Ende der 1980er-Jahre, also vor fast vier Jahrzehnten, erarbeitet wurde. Zu den Herausgebern zählten unter anderem Erhard Eppler, Dietrich Goldschmidt, Wolfgang Huber und Klaus von Schubert. An dem umfangreichen Band beteiligten sich 31 Autorinnen und Autoren mit ihrer fachkundigen Expertise. Sie beschäftigten sich mit der politischen Geschichte der deutsch-russischen Beziehungen, mit der Haltung der Christen und der Kirchen zu diesen Beziehungen, mit dem deutschsowjetischen Krieg 1941-1945, mit der Verarbeitung der Kriegserlebnisse in den beiden Ländern sowie mit der Rolle der antibolschewistischen bzw. antikommunistischen Ideologie.
Abschließende Abhandlungen dieses Buches beschäftigen sich mit der Vision von , die damals in Russland wie in Deutschland (Ost und West) als ein großes Zukunftsversprechen Anklang fand. Das Gemeinschaftswerk erschien 1989 im Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn. Vier Jahre zuvor hatte der große Reformer Michael Gorbatschow als Generalsekretär der KPdSU in Moskau das politische Steuer übernommen. Er begrüßte die Ost- und Entspannungspolitik der deutschen Bundesregierung sowie die politische Arbeit der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) (1973-1995).1
An dieses Werk über Frieden mit der Sowjetunion als einer , das 1989 veröffentlicht wurde, möchte ich heute, 83 Jahre nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion, erinnern und anknüpfen. Der leicht abgewandelte Titel meines Vortrages lautet: . Wie damals, so möchte ich auch heute zunächst auf den deutsch-sowjetischen Krieg 1941-1945 eingehen, der für die Beziehungen beider Länder noch immer von großer Bedeutung ist.
2. HITLER-DEUTSCHLANDS
KRIEG GEGEN DIE SOWJETUNION 1941-44
Schon bald nach der Machtübertragung auf Hitler im Januar 1933 forcierte die Nazi-Regierung die geheime Aufrüstung der Reichswehr, die 1935 den Namen Wehrmacht erhielt. Begleitet wurde die Aufrüstung von einer mehrjährigen NS-Friedenspropaganda, die nichts anderes darstellte als eine systematische Irreführung der nationalen und internationalen Öffentlichkeit. Im Kern ging es darum, die Kriegsvorbereitungen der NS-Regierung zu verschleiern. Mit dem damit erneut eingeschlagenen Kriegskurs wurde die militaristische und kriegerische Traditionslinie der preußisch-deutschen Politik wieder aufgenommen. Gleichzeitig erfuhr sie eine Ausweitung in neue geopolitische und rassenideologische Dimensionen.
Vordergründig propagierte die Nazi-Regierung in den 1930er-Jahren die Revision des Versailler Friedensvertrages. Tatsächlich verfolgten Hitler und seine Gefolgschaft jedoch viel weitergehende Ziele, nämlich die Eroberung von Lebensraum im Osten und dessen rücksichtslose Germanisierung, und die Vernichtung des europäischen Judentums im Zuge des großen Lebensraum-Krieges.
Im Kontext dieser Ziele geriet die Sowjetunion ins Zentrum der deutschen Kriegspolitik. Diese folgte einem rassenideologischen Leitmotiv, das von vorneherein alle völkerrechtlichen Grenzen sprengte, nämlich dem Gedanken der . Es hat lange gedauert, bis das Wissen über den besonderen Charakter des – in Deutschland so genannten – in der deutschen Nachkriegsbevölkerung ankam. Einen maßgeblichen Beitrag zur historischen Aufklärung leistete zunächst das Militärgeschichtliche Forschungsamt in Freiburg und hernach die Ausstellungen die im Hamburger Institut für Sozialforschung erarbeitet und in den Jahren 1995-2005 gezeigt wurden. Erst jetzt erfuhren Millionen von Menschen in Deutschland von den erschreckenden, aber bislang verschwiegenen Wahrheiten über den deutschen Krieg gegen die Sowjetunion.
Ich rekapituliere in aller Kürze die wichtigsten Erkenntnisse über den sogenannten : Es handelte sich um einen von langer Hand geplanten deutschen Überfall, also um einen eindeutigen Aggressionskrieg.2 Dem Überfall folgte ein mehrjähriger Krieg auf dem Territorium der Sowjetunion. Völlig zu Recht ist dieser Gewaltkonflikt als ein charakterisiert worden.3 Seiner Intensität nach bildete er das eigentliche Zentrum des Zweiten Weltkrieges. Schon aus diesem Grund ist es gerechtfertigt, ihn heute, am 84. Jahrestag des 22. Juni 1941, ins Zentrum unserer Betrachtungen zu stellen.
Die Propagandisten des NS-Staates versuchten den deutschen Überfall mit einer altbekannten Kriegslüge zu verschleiern. Sie behaupteten, mit dem deutschen Angriff sei man lediglich einem geplanten Krieg Sowjetrusslands gegen Deutschland zuvorgekommen. Das war die sogenannte Präventivkriegs-Lüge.4 Sie verfolgte primär das Ziel, den Überfall vor der Bevölkerung des eigenen Landes zu legitimieren. Obwohl von der historischen Forschung längst widerlegt, geisterte die Präventivkriegslüge in der Zeit des Kalten Krieges noch immer in manchen unbelehrbaren Köpfen herum. In einigen tut sie es womöglich bis heute.
In Anspielung auf den Hitler-Stalin-Pakt von 1939, der im In- und Ausland zu so vielen Irritationen geführt hatte, zeigte sich der Reichspropagandaminister Joseph Goebbels am Tage der Kriegserklärung an die Sowjetunion zufrieden: notierte er, 5 Also: Nicht nur bekämpfen, sondern . Hinter den Wolken der Propaganda blitzte die mörderische Wahrheit auf.
Die Bilanz dieses Krieges ist furchtbar. Wahrscheinlich wird sie gerade deswegen bis heute vielfach verdrängt. Auf der deutschen Seite forderte der Krieg mehr als 3 Millionen Menschenleben – nämlich die von Soldaten der Wehrmacht. Auf sowjetischer Seite wurden gar 27 Millionen Menschen getötet. Ihr Leben verloren etwa 9 Millionen Soldaten der Roten Armee, darunter etwa 3,5 Millionen russische Kriegsgefangene in deutschem Gewahrsam, sowie etwa 12 Millionen Zivilisten, unter diesen etwa 3 Millionen Juden (in den Sowjetrepubliken Weißrussland, der Ukraine und Russland), mehr als 2 Millionen in Deutschland eingesetzte Zwangsarbeiter und mehr als 1 Million Hungertote infolge der Belagerung von Leningrad durch die deutsche Wehrmacht. Die genannten Zahlen sind, bedingt durch die Quellenlage, ungenau und umstritten, werden aber gleichwohl von den meisten Historikern inner- und außerhalb Russlands akzeptiert.6
Man muss versuchen, sich die Wirkungen dieses rassenideologisch motivierten Krieges klarzumachen: In der Sowjetunion gab es kaum eine Familie, die keinen Toten zu beklagen hatte. Anders als bei uns, wo dieser Krieg nach 1945 weithin verdrängt und vergessen wurde, erinnert sich in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion noch heute jede Familie an ihn. Die Sowjetunion führte einen Verteidigungskrieg, von Stalin zum erklärt. Die Rote Armee eroberte schließlich Berlin. Wer die Chronologie beachtet, kommt an der ernüchternden Erkenntnis nicht vorbei: Es war Deutschland, das durch den Überfall auf die Sowjetunion die Rote Armee an die Elbe gebracht hat!
3. „JÜDISCHER BOLSCHEWISMUS – DAS RASSENIDEOLOGISCHE
RUSSLAND-FEINDBILD
Seit dem Beginn des Russlandkrieges hämmerte die Nazi-Propaganda den Deutschen und ihren europäischen Verbündeten das Feindbild “ ein. Was hatte es mit diesem Feindbild auf sich? Wie kam es zustande? In Nazi-Kreisen wurde behauptet, der unterschiedliche Entwicklungsgrad Deutschlands und Russlands lasse sich rassenbiologisch erklären: Die höherwertige germanische Rasse, hieß es, stehe der minderwertigen slawischen gegenüber. Hitler selbst glaubte, Slawen seien generell zur Staatsbildung unfähig und würden daher von anderen beherrscht. So habe der in der Revolution von 1917 in Russland seine Fremdherrschaft errichtet.7 Hitler behauptete, die Träger des...




