E-Book, Deutsch, 246 Seiten
Domes / Sagebiel / Bieker Die Bedeutung von Theorien Sozialer Arbeit für die Praxis
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-17-041902-5
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Exemplarische Fallanalysen
E-Book, Deutsch, 246 Seiten
ISBN: 978-3-17-041902-5
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Soziale Arbeit ist Wissenschaft und Handlungspraxis. Ihre Grundlagen sind Theorien, wie die Lebensweltorientierung (Thiersch), die Lebensbewältigung (Böhnisch), die prozessual-systemische Theorie (Staub-Bernasconi) u. a. Jedoch bleiben diese für viele Studierende und Fachkräfte sehr abstrakt und "praxisfern". In diesem Band werden die zentralen Theorien und Querschnittsthemen Sozialer Arbeit am Beispiel eines konkreten Falls dargestellt, um so die unterschiedlichen sozialarbeitswissenschaftlichen Zugänge zu veranschaulichen. Über den Theorie-Praxis-Transfer können Studierende und Fachkräfte einen Praxisfall durch unterschiedliche "Theorie-Türen" betreten und erkennen, was die jeweiligen Ansätze für die Analyse und das methodische Vorgehen leisten können.
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Zu diesem Buch
Es gibt mittlerweile zahlreiche Lehrbücher zu Theorien Sozialer Arbeit, die nach je unterschiedlichen Systematisierungen, Typisierungen und Auswahlkriterien verschiedene Theorien Sozialer Arbeit darstellen (z.?B. Hammerschmidt & Aner 2022; Sandermann & Neumann 2022; May & Schäfer 2021; Lambers 2020; Engelke, Borrmann & Spatscheck 2018). Auch gibt es zahlreiche Publikationen, die sich mit der Funktion von Theorien Sozialer Arbeit und dem Verhältnis von Theorie und Praxis befassen (z.?B. Borrmann 2023, Spatscheck & Borrmann 2020; Oestreicher & Unterkofler 2017; May 2010). Unterschiedliche Studien kommen allerdings immer wieder zu dem Ergebnis, dass sich Berufstätige der Sozialen Arbeit in ihrer Praxis wenig bis kaum explizit auf Theorien Sozialer Arbeit beziehen. Wenn überhaupt, dann entfalten eher psychologische Erklärungsmodelle Deutungsmacht (? Kap. 16). Dies korrespondiert auf Seiten der Studierenden Sozialer Arbeit damit, dass Theorien Sozialer Arbeit eher abstrakten Charakter haben und nur wenig Orientierung im Sinne einer Handlungsanleitung für die Praxis bieten können: »Der reflexive Gewinn von Theorien Sozialer Arbeit wird allerdings wenig erkannt, sodass die kognitive Identität eher schwach ausgeprägt ist« (Harmsen 2013, 15). Dies wiederum führt dazu, dass sich eine nicht unbedeutende Anzahl von Beiträgen mit der Frage befassen, wie gelingende Theorievermittlung im Studium Sozialer Arbeit didaktisch konzipiert sein müsste/sollte (z.?B. Bek 2020; Debiel et al. 2020; Unterkofler 2019; Domes & Sagebiel 2016), will sie über ein bloßes Auswendiglernen für die Prüfung hinausgehen – um sie dann schnell in der Praxis ad acta zu legen. Trotz des reichhaltigen Lehrbuchangebotes zu Theorien Sozialer Arbeit, zu ihrer Funktion, zum komplexen Verhältnis von Theorie und Praxis und zur Didaktik der Theorievermittlung im Studium Sozialer Arbeit - belegt durch diverse Studien (vgl. Harrer-Amersdorffer et al. 2023) - fehlt ein Lehrbuch, das Theorien Sozialer Arbeit in Bezug zu konkreten Fallsituationen setzt. Bisher gibt es dies nur im Hinblick auf die Relevanz von unterschiedlichen Bezugswissenschaften (vgl. Michel-Schwartze 2016). An dieser Leerstelle setzt unser Band an. Wir möchten verschiedene Theorien Sozialer Arbeit mit einem konkreten Fall in Kontakt bringen, mit dem Ziel, dass – vor allem für Studierende – Theorie?(n)-Lernen als fruchtbar für die Praxis erlebt werden kann. Hierbei geht es uns nicht um das klassische Fallverstehen, wie dies bereits in zahlreichen Publikationen nachzulesen ist (z.?B. Ader & Schrapper 2022; Hansjürgens 2022; Uhlendorff 2022; Schwabe 2021; Müller 2017); vielmehr möchten wir mit den Beiträgen des Bandes einen (vergleichenden) theoriegeleiteten Fallzugang und eine entsprechende Analyse ermöglichen – und zwar mit verschiedenen (zeitgenössischen) Theorien Sozialer Arbeit sowie relevanten Querschnittsthemen. Eine kurze Vorwarnung erscheint uns wichtig: In diesem Buch werden die Leser*innen keine Rezepte oder Methoden finden, wie Theorien in der Praxis anzuwenden sind – was gefunden werden kann, sind Anregungen, soziale Probleme aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten und weiterzudenken. Metaphern im Kontext von Theorien Sozialer Arbeit gibt es bereits (z.?B. Werkzeuge: Scheu & Autrata 2015; Herwig-Lempp 2009; Land-/Seekarten: Wirth 2019 oder Brillen: Sagebiel & Pankofer 2022). Auch bergen Metaphern immer die Gefahr, dass sie dann doch angesichts der Komplexität der Wirklichkeit leicht etwas hinterherhinken. Trotzdem möchten wir den Leser*innen eine weitere Metapher vorschlagen: Wenn unser Fall?(ausschnitt) ein Zimmer in einem großen Haus ist (das Haus als Praxis, mit allem, was dazugehört), verstehen wir die verschiedenen Theorien als Türen, die uns den Zugang zu eben diesem Zimmer ermöglichen. Je nachdem, welche Türe wir öffnen, haben wir eine andere Perspektive auf das Zimmer. Manches fällt uns relativ schnell ins Auge, anderes bleibt eher am Rande oder im Dunkeln hinter den anderen Türen versteckt. Vielleicht tut sich auch der Blick auf eine weitere Tür auf, die dann wiederum in ein anderes Zimmer führt. Vielleicht ist aber auch eine bestimmte Tür verschlossen. Jede Theorie eröffnet uns so einen spezifischen Blick, »unterschiedliche Lesarten und Interpretationen desselben Gegenstandsbereiches« (Füssenhäuser 2020, 107), ohne dass dadurch annähernd alles erklärt (oder eindeutig) wäre. Sie kann aber dazu anregen, eine bestimmte Perspektive der Analyse und Reflexion – ohne Reduktion auf rezepthafte Anwendung – einzunehmen. Empfohlen sei: »Ein offener Umgang mit der Reichweite, dem Erklärungspotenzial und den Grenzen von Theorien« (Borrmann 2016, 83). Theorien Sozialer Arbeit sind nach diesem unserem Verständnis damit auch »praxisrelevante Theorien« (Scherr 2015, 278). Dementsprechend sollen die Beiträge dieses Bandes den Leser*innen ermöglichen, »fachliche Maßstäbe für die Praxis Sozialer Arbeit zu etablieren, auf deren Grundlage entschieden werden kann, was in der Sozialen Arbeit möglich und unmöglich, zulässig und unzulässig sein soll, was anzustreben und was zu vermeiden ist« (ebd.). Zu unserem Fall: Wir haben uns entschieden, einen Fall zu konstruieren, der verschiedene Handlungsfelder der Sozialen Arbeit berührt. Da das Rad nicht immer wieder neu erfunden werden muss, haben wir uns hierbei von bestehenden Fällen inspirieren lassen und diese weitergedacht (Uhlendorff, Euteneuer & Sabla 2013, 99?f.; von Spiegel 2000; Jung o.?J.). Dies kann uns den Vorwurf einbringen, Praxis sehr schematisch darzustellen, Biographien unzulässig zu verkürzen, ggf. Klischees und Vorurteile zu reproduzieren und vor allem die Sichtweise und das Erleben der Adressat*innen (O-Töne) zu vernachlässigen – wie dies Michael Winkler in seinem Beitrag auch durchaus launig anmerkt. Trotz dieser möglichen (und berechtigten) Einwände sind wir bei unserem Vorgehen geblieben. Dies hat zum einen didaktische Gründe: Eine Fallbeschreibung, die annähernd hinreichend alle Perspektiven der beteiligten Akteur*innen darstellt, würde den Rahmen des Bandes deutlich sprengen. Zum anderen fokussieren wir uns mit den Beiträgen eben darauf, einen theoriegeleiteten Zugang auf eine Fallkonstellation einzunehmen, und nicht darauf, den Fall umfassend zu deuten (biographisches Fallverstehen). Insofern ersetzt diese Fallkonstruktion ausdrücklich nicht das Hören auf die Stimmen der Adressat*innen mit ihren (Lebens-)?Geschichten (vgl. Winkler 2017; Maurer 2017) und das letztlich für Soziale Arbeit konstitutive Handeln im Ungewissen (vgl. Effinger 2021). Wir ermuntern deshalb die Leser*innen ausdrücklich, die in diesem Band vorgeschlagene Analyselogik auch auf andere Fälle zu übertragen (z.?B. auf die Geschichten aus »Von Löweneltern und Heimkindern«, Redmann & Gintzel 2017, oder die Fälle aus dem online zugänglichen Fallarchiv Soziale Arbeit von Baun, Schwanenflügel, Heinrich & Legendre 2022). Der Band beginnt mit der Darstellung des Falls. Daran schließen sich im ersten Teil die Beiträge verschiedener Autor*innen an, die den Fall jeweils aus einer theoretischen Perspektive (Theorie Sozialer Arbeit) analysieren. Wir haben uns auf eine Auswahl zeitgenössischer Theorien Sozialer Arbeit begrenzt, wohlwissend, dass diese Auswahl kritisiert werden kann. Im zweiten Teil wird der Fall aus der Perspektive von ausgewählten Querschnittsthemen durch weitere Autor*innen analysiert. Zusammenfassende und weiterführende Überlegungen schließen den Band ab. Drei der in den beiden Hauptteilen angebotenen Beiträge (Engler, Miller, Schirilla) denken den Fall weiter und bauen diesen aus. Sie ermöglichen damit den Leser*innen zusätzliche Perspektiven, die der Komplexität von Fallkonstellationen in der Praxis Rechnung tragen. Wir möchten uns bei allen Autor*innen bedanken für ihr Einlassen auf das für uns wirklich spannende und herausfordernde Projekt. Wir möchten uns auch besonders bedanken bei Rudolf Bieker, dem Herausgeber der Reihe, stellvertretend für den Kohlhammer Verlag, für die unkomplizierte und wirklich angenehme kollegiale Zusammenarbeit, aber auch die über das Buchprojekt hinaus anregenden Gespräche. Danken möchten wir auch Bettina Sagebiel, wieder einmal, dafür aber nicht weniger herzlich, für ihre fachliche Expertise und ihren genauen Blick beim Layouten der Beiträge – für ihren Beitrag zum Gelingen des Bandes. Ich, Michael Domes, lehre in ähnlicher Weise, wie in diesem Band beschrieben, bereits seit Jahren Theorien Sozialer Arbeit. Mir, auch und gerade als Sozialarbeiter, liegt es am Herzen, Studierende bei ihren Aneignungsprozessen zur Ausbildung einer professionellen Identität zu unterstützen – einer professionellen Identität, in der sozialarbeitswissenschaftliche Theorien und Perspektiven eine zentrale Rolle spielen. Vor ungefähr vier Jahren hatte mich eine Studierende gefragt, in welchem Buch man das denn nachlesen könne. Da wurde mir bewusst, dass es dazu ja gar kein Lehrbuch gibt. Insofern gebührt ihr der herzliche Dank für die Inspiration zu diesem...