Döbler / Pentzold / Katzenbach | Räume digitaler Kommunikation | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 16, 348 Seiten

Reihe: Neue Schriften zur Online-Forschung

Döbler / Pentzold / Katzenbach Räume digitaler Kommunikation

Lokalität – Imagination – Virtualisierung

E-Book, Deutsch, Band 16, 348 Seiten

Reihe: Neue Schriften zur Online-Forschung

ISBN: 978-3-86962-554-6
Verlag: Herbert von Halem Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Medien und medienvermittelte Kommunikation beinhalten schon immer das Potenzial, die Bezüge zu Raum und zwischen Räumen auf der Mikro- wie auf der Makroebene zu beeinflussen. Mit den vernetzten digitalen Medien scheinen nun noch neue Qualitäten nicht nur hinsichtlich der Gestaltung, der Wahrnehmung und des Erlebens von Raum aufzutreten. Doch welche Veränderungen individuelle oder gesellschaftliche Raummuster durch und in Bezug auf die digitalen Medien erfahren und ob und inwieweit die digital vermittelte Kommunikation überhaupt noch an diese Muster gebunden ist, bleibt derzeit theoretisch und empirisch noch recht unspezifisch bearbeitet. Unzweifelhaft scheint heute jedoch, dass die neuen digitalen Medien den Raum nicht verschwinden oder unbedeutend werden lassen, sondern es deutet umgekehrt vieles darauf hin, dass damit Prozesse der Generierung, Entfaltung und Ausweitung von Räumen stattfinden.

Ziel des Bandes ist es, einerseits einen Beitrag zur begrifflichen und theoretischen Schärfung und Vertiefung von Räumen digitaler Kommunikation, den Kommunikationsprozessen in digital entfalteten und dynamisch weiter entfaltbaren Raumstrukturen, der aufeinander bezogenen wechselseitigen Bedingtheit von räumlicher Struktur und kommunikativer Praxis zu leisten. Andererseits sollen mittels empirischer Arbeiten und Fallstudien Prozesse z.B. mit ihren funktionalen, symbolischen oder inhaltlichen Ausgestaltungen auf digital vermittelte Räume – seien es private oder öffentliche, lokale oder transnationale, temporäre oder zeitlich stabile – sowie die Kommunikationspraxis beeinflussende Strukturen aufgezeigt werden.
Döbler / Pentzold / Katzenbach Räume digitaler Kommunikation jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


Thomas Döbler / Christian Pentzold / Christian Katzenbach
Räume digitaler Kommunikation– eine Einleitung

Hubert Knoblauch / Martina Löw
Digitale Mediatisierung und die Re-Figuration der Gesellschaft

I.Lokale Medienräume

Christian Schwarzenegger
Mobil, vernetzt und digital – Kommunikationsräume und die Geografie der Lebenswelt

Eric Lettkemann / Ingo Schulz-Schaeffer
Lokative Medien: Inklusion und Exklusion in öffentlichen Räumen

Matthias Berg
Das Dorf als mediatisierter Kommunikationsraum

Eric Müller / Katharina van der Beek / Sven Jöckel
Kommunikation und Bewegung im Alltag zwischen Dorf und Region: Medienhandeln Jugendlicher in ländlichen Räumen

II.Imaginierte Medienräume

Georg Glasze / Finn Dammann
Von der ›globalen Informationsgesellschaft‹ zum ›Schengenraum für Daten‹–Raumkonzepte in der Regierung der ›digitalen Transformation‹ in Deutschland

Dennis Reichow
Mobile Panic Room: Eskapismus als Nutzungsmotiv zur Konstruktion von Fluchträumen im öffentlichen Personenverkehr

Anne Reif
Mehr Raum für Vertrauen? Potenzielle Veränderungen des Vertrauens in Wissenschaft durch partizipative Online-Umgebungen

Elke Kronewald / Johanna Preer
Zwischen Be- und Entgrenzung: Mediennutzung und digitale Räume junger Mütter

Castulus Kolo / Niklas Lust
Computerspiele und soziale Interaktion in virtuellen Räumen – eine empirische Untersuchung der Zusammenhänge von allgemeinen psychosozialen Faktoren mit Spielmotivation und -auswahl

III.Virtualisierte Medienräume

Sebastian Pranz
Der verzerrte Raum. Mediatisierte Orte und ihre Voraussetzungen

Dominik Rinnhofer
Virtualisierung realer Architekturen – Rekonstruktion und Delokalisation von realen Räumen

Autorinnen und Autoren


HUBERT KNOBLAUCH / MARTINA LÖW
Digitale Mediatisierung und die Re-Figuration der Gesellschaft1
1.Einführung Es ist kaum zu übersehen, dass sich die Zeitordnung der gegenwärtigen Gesellschaft ändert und wir verschiedene Formen der Beschleunigung des gesellschaftlichen Lebens erfahren (ROSA 2015). So lässt sich z. B. zeigen, dass die Menschen immer schneller und mehr sprechen, weniger schlafen und sich schneller an neue Technologien anpassen (ERIKSEN 2001). Laut Rosa (2015) haben die zeitlichen Strukturen insbesondere durch moderne gesetzliche Regelungen, die Einführung der Sozialfürsorge mit der damit entstehenden Bürokratie, formalisierte Bildungswege sowie Versicherungsund Rentensysteme eine massive Dynamisierung erfahren. Die Reduzierung sozialer Wohlfahrtssysteme und der Ausbreitung postfordistischer Arbeitsorganisation etwa zählen zu den vielen Faktoren, die zu neuen Zeitstrukturen und zur abnehmenden Bedeutung linearerer Geschichtsund Fortschrittskonzeptionen führen. So deutlich die zeitliche Beschleunigung herausgestellt wurde, so haben doch die räumlichen Veränderungen nicht die entsprechende Aufmerksamkeit erfahren, auch wenn etwa die Komplexitätssteigerungen der Globalisierung sehr beachtet wurden. Zurückzuführen ist die geringere Beachtung der räumlichen Veränderungen auch darauf, dass die Entwicklung einer Raumsoziologie und einer Sozialtheorie des Raumes immer noch zu wünschen übrig lässt (FULLER/LÖW 2017). Obwohl Simmel (1992 [1903]) sowie Durkheim (1965 [1912]) den Raum bereits als soziales Phänomen gefasst haben (ZIELENIEC 2007), wandten sich in der Folge nur wenige Autoren der Entwicklung einer Raumsoziologie zu. Hervorzuheben ist sicherlich Lefebvre (2000 [1974]) oder Jean Rémy (1975), die eine bedeutende Rolle bei der Bearbeitung des Raums als wichtige Basis für das Verständnis von Kapitalismus und Gesellschaft spielten. Gerade einmal vor rund fünfundzwanzig Jahren setzte dann das ein, was wir als ›Spatial Turn‹ (SOJA 1989; LÖW 2001) oder ›Topografisch‹ oder ›Topologisch Turn‹ bezeichnen (WEIGEL 2002; SCHLÖGEL 2003; DÖRING/THIELMANN 2008). Raum wird seither nicht mehr nur als bloßes Umfeld, begrenzte Territorien oder allein durch den Code von ›hier‹ und ›dort‹ definiert; vielmehr wird Raum nun als eine zentrale soziale Kategorie betrachtet, die auf sozialer Interaktion, Interdependenz und Relationen basiert. Inspiriert von dieser Raum-Wende lässt sich mittlerweile ein dezidiertes Interesse innerhalb der Sozialforschung erkennen, die gesellschaftliche Dynamik im Hinblick auf Raum und Raumordnung umfassender und präziser zu verstehen. Doch trotz einer Zunahme empirischer Forschung wird Raum in der soziologischen Theorie bisher nur am Rande erörtert (FREHSE 2013; LÖW/STEETS 2014). Es scheint, als bliebe der Raum ein Thema von Spezialdisziplinen wie der Architektur- oder der Stadtsoziologie, während Gesellschaft als Ganzes ohne Bezug zum Raum verstanden werden kann. So finden sich in soziologischen Zeitschriften nur wenige Arbeiten, die auf die räumlichen Strukturen ihrer Untersuchungsgegenstände Bezug nehmen. Anders formuliert lässt sich sagen, Räume werden zwar als sozial angesehen, aber Gesellschaft wird nicht als räumlich gefasst. Zweifellos gibt es einige herausragende Studien über räumliche Phänomene von grundlegenden sozialen Kategorien, wie z. B. sozialer Ungleichheit (LOBAO/HOOKS/TICKAMYER 2007). Generell kann jedoch festgehalten werden, dass die Soziologie nach der ersten Welle des Spatial Turn erst allmählich eine genauere Vorstellung davon entwickelt, wie sie den Raum in einer nicht gegenständlichen Weise erfassen will. Dieses sozialtheoretische Defizit in der Forschung zum Raum wird besonders deutlich angesichts der tiefgreifenden Transformation, die wir in den letzten Jahrzehnten erlebt haben. Tatsächlich gibt es viele Hinweise darauf, dass sich die räumliche Organisation von Gesellschaft verändert. Aber da es an adäquaten grundlegenden theoretischen Konzepten mangelt, können diese Veränderungen bislang nur recht vage gefasst werden, wie etwa in der Idee der Netzwerkgesellschaft bei Castells (1996) bzw. von Fluidräumen bei Mol und Law (1994) oder im Konzept von ›Knoten‹ bei Deleuze und Guattari (1988) bzw. wie bei Appadurai (1996) in Bezug auf ›Sphären‹. Es scheint umso bedeutsamer, sich mit diesen Veränderungen auseinanderzusetzen, als viele Autoren in den 1980er- und 1990er-Jahren noch davon ausgingen, dass der Raum seine Relevanz verlieren würde (JAMESON 1984; VIRILIO 1986 und 2000; SERRES 1991). Auch wenn sich mittlerweile die Hinweise auf die entgegengesetzte Entwicklung eines »spacing out«, eines Prozesses der Generierung und Erweiterung von Räumen (SIMONE 2011: 363; JESSOP/BRENNER/JONES 2008) mehren, hat sich die Forschung noch nicht auf diese gestiegene Bedeutung von Raum und Räumen eingestellt. Den grundlegenden Kategorien ›Territorium‹, ›Ort‹, ›Scale‹ und ›Netzwerk‹, wie sie beispielsweise von Jessop, Brenner und Jones (2008) vorgeschlagen wurden, fehlt noch eine erklärende theoretische Begründung, auch die systematische Ausarbeitung der Beziehungen zwischen den Kategorien bleibt unausgearbeitet. Trotz einer zunehmenden Zahl an Veröffentlichungen über Raum und Gesellschaft in den letzten zwanzig Jahren beklagen deswegen viele Kritiker/-innen einen Mangel in der Weiterentwicklung, Ausarbeitung und Spezifizierung der räumlichen Theorie des Sozialen. Wie eine Reihe von Autorinnen bemängeln (MASSEY 2005; HUBBARD/KITCHIN 2011: 7; SHIELDS 2013: 1), wird Raum weiterhin als ›untertheoretisiert‹ wahrgenommen. Viele Studien, so die Kritik etwa von Jureit (2012), beriefen sich nur rhetorisch auf einen relationalen Begriff von Raum. Ähnlich argumentiert Malpas (2012), demzufolge Kategorien von Raum und Raumvorstellung theoretisch nicht ausreichend reflektiert würden. Das Fehlen einer ausgearbeiteten Raumtheorie ist auch aus der empirischen Perspektive spürbar, sodass viele methodische Probleme offenbleiben (BAUR et al. 2014). Wir wollen daher in diesem Beitrag die bereits von Lefebvre explizit gestellte Frage wieder aufgreifen, wie ›espace‹ und ›spacialité‹ zur Konstitution der gesellschaftlichen Ordnung beitragen (LEFEBVRE 2000 [1974]). Oder anders gesagt: Wie lassen sich Veränderungen in räumlichen Anordnungen, insbesondere in digitaler Kommunikation, theoretisch so deuten, dass hierüber auch gesellschaftliche Ordnung erfasst werden kann? Auf der Basis grundlegender Überlegungen zu Raum und kommunikativen Handlungen wenden wir uns in diesem Beitrag sukzessive der räumlichen Transformation der heutigen Gesellschaftsformationen zu, die wir unter dem Titel der Re-Figuration zusammenfassen. Re-Figuration ist für uns eine vorläufige, allgemeine Hypothese, ein »Sensitizing Concept« (BLUMER 1954: 7), das helfen soll zu verstehen, was wir als grundlegenden Wandel in unserem Verständnis von Raum wahrnehmen. Um zu präzisieren, was wir unter Re-Figuration verstehen, unterscheiden wir drei damit verbundene Prozesse: Polykontexturalisierung, Translokalisierung und Mediatisierung. Mediatisierung scheint uns eine dynamische Triebkraft der Re-Figuration des Raumes durch Digitalisierung zu sein. Sie ist eine der Ursachen für eine zweite neue räumliche Entwicklung, die wir als Polykontexturalisierung umreißen. Damit meinen wir die sich verändernden Beziehungen von Räumen als soziale Kontexte verschiedener Aktivitäten, Kommunikationsformen und gesellschaftlicher Funktionen. Drittens steht sie in einer engen Verbindung mit der Translokalisierung oder Translokalität. Unter Translokalität verstehen wir, dass soziale Einheiten wie Familien oder Religionsgemeinschaften unterschiedliche Orte haben, die durch die Verbreitung von Wissen, Repräsentationen und Dingen verbunden sind. Alle drei Konzepte bilden Hypothesen, die wir in einer allgemeinen Weise grob umreißen, um sie zum Gegenstand der empirischen Untersuchung im Rahmen eines interdisziplinären Forschungsverbundes2 zu machen. Dessen verschiedene Forschungsprojekte, so hoffen wir, führen zu empirisch begründeten ›middle range theories‹, die dazu beitragen, die angeführten Merkmale der hypothetischen Konzepte qualitativ zu spezifizieren, zu ergänzen oder zu revidieren wie auch ihre Geltung, Reichweite und Verbreitung einschätzen zu können, die in weiteren Phasen des Projektes überprüft werden sollen. Re-Figuration bezeichnet nicht nur allgemeine räumliche Veränderungen der Gesellschaft, die wir empirisch untersuchen, sondern impliziert auch, dass wir weiter grundlegend und damit auch grundbegrifflich darüber nachdenken, Raum präzise und dynamisch zu bestimmen. 2.Relationaler Raum, kommunikatives Handeln und Mediatisierung Wenn wir von Raum nicht nur als einer abstrakten Form sprechen, dann müssen wir die Rolle des Körpers beachten. Sie wurde schon von Kant (1968 [1768]: 38; mit Bezug auf die »Gegenden im Raum« wie »oben und unten«, »rechts und links«, »vorne und...


Prof. Dr. Thomas Döbler ist seit 2007 Professor für Medienmanagement an der Hochschule Macromedia Stuttgart. Stationen davor waren die Leitungen der IT- und Medienforschung an der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg (MFG) und der Forschungsstelle für Medienwirtschaft und Kommunikationsforschung an der Universität Hohenheim. Seine Forschungsschwerpunkte liegen an der Schnittstelle von Mediensoziologie und -ökonomie und beziehen sich vor allem auf Anwendungen und Akzeptanz von Informations- und Kommunikationstechnologien und deren sozialen und ökonomischen Konsequenzen.


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