Diehl / Hartke / Mahlau | Inklusionsorientierter Deutschunterricht | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 180 Seiten

Diehl / Hartke / Mahlau Inklusionsorientierter Deutschunterricht

E-Book, Deutsch, 180 Seiten

ISBN: 978-3-17-034735-9
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Reihe "Handlungsmöglichkeiten Schulische Inklusion" behandelt die Grundlagen für die Gestaltung einer inklusiven Schule: die Strukturierung von Förderaktivitäten innerhalb der Schule, eine definierte Arbeitsteilung zwischen Grundschul- und Sonderpädagogen, klare Auswahlkriterien für Handlungskonzepte und Unterrichts- und Fördermaterialien und eine Lernverlaufsdiagnostik, die es erlaubt, zielführende Förderentscheidungen zu treffen. Dieser Band behandelt die zentralen Inhalte der ersten Schuljahre im Deutschunterricht. Diese umfassen die Lesefertigkeit, das sinnverstehende Lesen sowie die Rechtschreibung. Vor dem Hintergrund theoretischer Modelle zum Schriftspracherwerb werden konkrete Handlungsempfehlungen mit einem erfolgreich erprobten präventiven und inklusiven Beschulungskonzept verbunden.
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2          Fachdidaktisch hochwertiger Anfangsunterricht im Bereich Lesen
    In diesem Kapitel werden Erkenntnisse der Grundlagenforschung zum Schriftspracherwerb mit dem Schwerpunkt Lesefertigkeit mit neueren Erkenntnissen aus der Unterrichtsforschung zur präventiven und inklusiven Grundschule verbunden. Dies geschieht in Form von theoriegeleiteten Handlungsmöglichkeiten ( Kap. 2.1 bis 2.5). Die dargestellten Handlungsmöglichkeiten kommen vor allem Kindern zugute, die ungünstige Lernvoraussetzungen für den Leselernprozess mitbringen. Deren Umsetzung im inklusionsorientierten Unterricht steigert zudem die Wahrscheinlichkeit für alle Kinder, erfolgreich flüssig lesen zu lernen. Mit dem Aufzeigen von inklusionspädagogischen Handlungsmöglichkeiten ist die Hoffnung verbunden, Lehrerinnen und Lehrern Mut zu machen, sich weiter im inklusiven Unterricht zu engagieren, um damit Segregationsprozesse an Schulen zu überwinden, allen Kindern ihrer Klasse pädagogisch gerecht zu werden und gesetzlich verbindlichen Forderungen der UN-Behindertenrechtskonvention zu entsprechen. Laut- und Schriftsprache sind das zentrale Medium der inter- und intraindividuellen Verständigung des Menschen und tragen damit fundamental zu dessen Entwicklung und Selbstverwirklichung bei. So wundert es nicht, dass sich die Forschung diesem Bereich intensiv widmet. Es gibt nur wenige schulpädagogisch relevante Bereiche wie die Vermittlung der Schriftsprache, in denen auf eine vergleichbar lange Geschichte in der Forschung zurückgeblickt werden kann. Auch wenn das Wissen um den Entwicklungsprozess der Lesekompetenz nicht als vollständig angesehen werden kann, sind die vielfältigen Erkenntnisse über das Lesen lernen als vergleichsweise umfangreich und weitreichend einzuschätzen. Insbesondere in der Grundlagenforschung liegen profunde Erkenntnisse vor (siehe z. B. Schneider, 2017). Modelle zum Lese- und Leselernprozess beschreiben empirisch gut fundiert, wie die Entwicklung der Lesekompetenz verläuft, zudem bieten sie die Grundlage für die Beschreibung und Ursachenerkundung von möglichen Schwierigkeiten im Lernprozess ( Kap. 1). Über eine systematische Beschreibung des jeweiligen Entwicklungsstandes des Kindes sowie eine theoriegeleitete Reflexion über auftretende Schwierigkeiten im Entwicklungsprozess können Rückschlüsse in Hinblick auf Ursachen von Lernschwierigkeiten gezogen und passende Fördermaßnahmen bestimmt werden. Im Kontext von Lesekompetenz gehen wir heute davon aus, dass diese von zwei zu unterscheidenden Komponenten bestimmt wird, der Lesefertigkeit und dem Leseverständnis. In der Entwicklung baut das Leseverständnis ( Kap. 1.3, 1.4 und 3) auf der Lesefertigkeit auf. Die Lesefertigkeit gehört zu den hierarchieniederen Leseprozessen. Die folgenden Handlungsempfehlungen für die Entwicklung und Förderung der Lesefertigkeit im inklusiven Deutschunterricht integrieren die theoretischen Erkenntnisse zum Schriftspracherwerb ( Kap. 1) und die praktischen Erfahrungen aus dem Rügener Inklusionsmodell (RIM; Hartke, 2017a; Diehl, 2017; Voß et al., 2016; Kap. 1). Dieses sind im Wesentlichen Maßnahmen, die die Vermittlung des alphabetischen Prinzips zur Steigerung der Lesegenauigkeit und das Training der Leseflüssigkeit betreffen (Richter & Müller, 2017). Die Herausforderung liegt darin, möglichst wirksame/evidenzbasierte Ansätze und Programme zu berücksichtigen. Für die Entwicklung und Förderung der Lesefertigkeit werden in diesem Kapitel folgende Handlungsmöglichkeiten dargestellt: •  Förderung der phonologischen Bewusstheit ( Kap. 2.1) •  Buchstaben, lautgetreue Silben, Wörter und einfache Sätze sicher lesen ( Kap. 2.2) •  Morpheme und orthografische Regeln beim Lesen nutzen ( Kap. 2.3) •  Leseflüssigkeit steigern ( Kap. 2.4) •  Erkennen von Schwierigkeiten im Anfangsunterricht im Bereich Lesefertigkeit und die Passung der Förderung (mit einer Übersicht zu Materialien für den Anfangsunterricht) ( Kap. 2.5) Die Handlungsempfehlungen werden annähernd in gleicher Weise vorgestellt (Angabe des Ziels, Kurzbeschreibung, Benennung des Anwendungsbereichs und mögliche Anwendungsprobleme sowie Beschreibung der Handlungsmöglichkeit). 2.1       Förderung der phonologischen Bewusstheit
Ziel
Der Fokus der Aufmerksamkeit des Kindes wird auf die lautlichen Strukturen der Sprache gelenkt. Die Kinder lernen, die lautlichen Strukturen der Sprache zu erkennen (z. B. Phoneme, Silben), sie zu differenzieren (z. B. An- und Endlaute) und sie in Beziehung zu setzen. Die phonologische Bewusstheit, eine metalinguistische Fähigkeit, zählt zu den Vorläuferfähigkeiten für den Schriftspracherwerb. Übungen zur phonologischen Bewusstheit fördern die Lautanalyse und Lautsynthese. Kinder werden somit für die regelhaften Verbindungen zwischen Phonemen und Graphemen und umgekehrt sensibilisiert. Eine Förderung der phonologischen Bewusstheit wirkt sich jedoch nur in Kombination mit einer Förderung der Phonem-Graphem-Zuordnungen ( Kap. 2.2) positiv auf die Leseleistung aus. Eine isolierte Förderung der phonologischen Bewusstheit erzielt bei Grundschülern mit schwachen Leseleistungen keine nennenswerten Effekte (Galuschka & Schulte-Körne, 2015). Kurzbeschreibung
Von metaphonologischen Fähigkeiten spricht man, wenn Kinder losgelöst von der Semantik und der kommunikativen Bedeutung eines Wortes bzw. eines Satzes in der Lage sind, sich auf deren lautliche Strukturen zu beziehen. Mit der Förderung der metaphonologischen Fähigkeiten verbessern die Kinder ihren Zugang zu den lautlichen Segmenten, Zuordnungsregeln und Regeln der korrekten Schreibung. Metaphonologische Fähigkeiten sind sowohl Voraussetzung als auch Bedingung für das Lesen- und Schreibenlernen. Die Lautstruktur der Sprache zu analysieren (phonologische Bewusstheit), Laute im Arbeitsgedächtnis präsent zu halten (phonologisches Arbeitsgedächtnis) und auf sprachliche Informationen im Langzeitgedächtnis schnell zugreifen zu können, sind Fähigkeiten der phonologischen Informationsverarbeitung (Lenhard, 2013). Unter diesen Fähigkeiten ist die phonologische Bewusstheit am besten förderbar. Sie hat nachgewiesenermaßen einen starken Einfluss auf die Lesegeschwindigkeit in der 2. Klasse und diese wiederum einen deutlichen Einfluss auf die Schriftsprachentwicklung. Effekte der Förderung der phonologischen Bewusstheit sind bis zum Ende der 4. Klassenstufe nachweisbar (Ennemoser, Marx, Weber & Schneider, 2012). Anwendungsbereich und mögliche Anwendungsprobleme
Die Förderung der metaphonologischen Fähigkeiten sollte in der Regel schon in der Vorschulzeit beginnen. Insofern sollte zu Beginn der 1. Klassenstufe im Deutschunterricht geprüft werden, ob die metaphonologischen Fähigkeiten der Kinder ausreichend entwickelt sind. Ein dafür geeignetes Verfahren ist das Münsteraner Screening (MÜSC) von Mannhaupt (2006). Das Screening wird in einer Kleingruppe durchgeführt und gibt Auskunft darüber, ob ein Kind auf Grund fehlender Vorläuferfähigkeiten als gefährdet im Schriftspracherwerb einzuschätzen ist. Weitere bekannte Verfahren – das Bielefelder Screening zur Früherkennung von Lese-Rechtschreibschwierigkeiten (BISC) von Jansen, Mannhaupt, Marx und Skowronek (2002) und TEPHOBE von Mayer (2011) – unterstützen die Identifikation von Kindern mit unzureichenden metaphonologischen Fähigkeiten. Stark differierende Leistungen der Kinder in diesem Bereich erfordern differenzierte Interventionen im Erwerbsprozess der Schriftsprache. Innerhalb des Response-to-Intervention-Ansatzes (RTI) kann die Förderung der phonologischen Bewusstheit auf allen Förderebenen umgesetzt werden (Blumenthal, 2017) und damit auf unterschiedliche Förderbedarfe eingegangen werden. Beschreibung der Handlungsmöglichkeit
In vielfältigen Übungen wie z. B. Lausch- und Hörübungen, Reimübungen, Silbenübungen und Übungen auf Phonem-Ebene wird die Aufmerksamkeit des Kindes auf klangliche und lautstrukturelle Aspekte der gesprochenen Sprache gelenkt. Fähigkeiten der phonologischen Bewusstheit bereiten notwendige sprachliche Informationsverarbeitungsprozesse für das Lesen und Schreiben vor und unterstützen den Erwerbsprozess. Über die Prosodie (Sprachmelodie) werden z. B. Betonungsmuster genutzt (Betonung beim Reimen, Segmentieren in Silben etc.), die für das Erlernen der alphabetischen Strategie ausschlaggebend sind. Es liegen eine Reihe gut untersuchter Programme...


Dr. Kirsten Diehl ist Professorin für Inklusion und Heterogenität am Institut für Sonderpädagogik an der Universität Flensburg. Prof. Dr. Bodo Hartke lehrt mit dem Schwerpunkt Sonderpädagogik des Lernens am Institut für Sonderpädagogische Entwicklungsförderung und Rehabilitation an der Universität Rostock. Prof. Dr. Kathrin Mahlau hält den Lehrstuhl für Sonderpädagogik und Inklusion an der Universität Greifswald.


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