E-Book, Deutsch, 164 Seiten
Denkenberger Alfons Fritz 1900–1933
mit zahlreichen Abb.
ISBN: 978-3-7065-6241-6
Verlag: Studien Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Vorarlberger Architekt der „Tiroler Moderne“
E-Book, Deutsch, 164 Seiten
ISBN: 978-3-7065-6241-6
Verlag: Studien Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Einfamilienhäuser, Familiengräber, Inneneinrichtungen, Platzgestaltungen, Kirchen, Hotels, Pavillons und Kriegerdenkmale – Alfons Fritz (1900–1933) war ein Architekt, der sich jeder Bauaufgabe stellte. Ausgebildet an der Technischen Hochschule München und geprägt durch seinen ersten Arbeitgeber Clemens Holzmeister, schuf der gebürtige Bregenzerwälder in wenigen Jahren ein umfangreiches Werk, für das er bereits zu Lebzeiten Anerkennung erfuhr. Seine rund 50 verwirklichten Entwürfe wurden in ganz Vorarlberg umgesetzt, in Städten ebenso wie in den Bergen. Dabei war sich der junge Architekt der ihn umgebenden Kulturlandschaft ebenso bewusst wie der lokalen Traditionen: Kopien vergangener Baustile lagen ihm fern, er reagierte auf neue Anforderungen, entwickelte Bestehendes weiter, interpretierte es neu – und überführte es somit in die Moderne.
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Wohn- und Hotelbauten, Gasthäuser, Innenausstattungen, öffentliche Einrichtungen
Einleitend möchte ich auf Charakteristika hinweisen, die sich in der Architektur von Alfons Fritz wiederholt finden und somit seine „Handschrift“ verraten. Den Ausgangspunkt eines Entwurfs bildet die Örtlichkeit, an der das Gebäude errichtet werden soll. Alfons Fritz entspricht somit der Forderung seines Professors an der Technischen Hochschule in München, Theodor Fischer, der ein Eingehen auf Region und Bautradition unterrichtet.77 Ebenso plädiert Hermann Muthesius – Architekt und Architekturschriftsteller, der sich insbesondere mit dem Landhaus auseinandersetzt – in seinem Bestseller Wie baue ich mein Haus?78 dafür, „[...] die Rücksichtnahme auf die Umgebung des Hauses zum Ausgangspunkt der Gestaltung [...]“ zu machen, und beantwortet die Frage, wie ein Haus in sein Umfeld passt, mit Baumaterial und allgemeinem Zuschnitt des Hauses. Es sei „[...] eine künstlerische Taktfrage, den für die Umgebung passenden Baustoff zu wählen.“79 Alfons Fritz entwirft für das ländliche Gebiet (Bregenzerwald, Montafon, Bergparzellen Dornbirn) Wohnhäuser, die sich an der lokalen Bautradition orientieren: gemauerter Sockel, Blockbau aus Holz, eine Fassade mit quer verlegten Holzlatten (Holzschirm) oder geschindelt, wobei die geschindelte Holzfassade bei den Geschossübergängen leicht ausschwingt. Bei den öffentlich genutzten Gebäuden werden die Stiegenhäuser aus Brandschutzgründen gemauert. Die Gebäude im urbanen Umfeld (Dornbirn, Feldkirch, Lustenau) werden mit Ausnahme des Hauses Bohle zur Gänze gemauert und verputzt. Holz wird nur in wenigen städtischen Beispielen für die Bildung des Balkons verwendet. Im ländlichen Raum dominiert das Satteldach, im städtischen Raum das Walmdach. Die Grundrisse sind selten „nur“ viereckig. Sie werden durch rückspringende Hausecken und hervortretende Erkertürme belebt, wodurch sich Nischen für eine geschützte Eingangssituation oder eine Veranda ergeben. Zum Eingang führen ein paar Stufen, diese werden vorzugsweise von einer massiven, gemauerten oder betonierten Brüstung begleitet, die sich aus der Hauswand heraus entwickelt und durch ihre Abstufungen die Aufwärtsbewegung verdeutlicht (Abb. 6, 7). Der Eingang selbst liegt bei den Stadthäusern in einer tief in die Hauswand eingeschnittenen, rundbogigen Öffnung. Durch die Tiefe erhält der Eingang einen dunklen, leicht höhlenartigen Charakter, was insbesondere den frühen Schwarz-weiß-Fotos eine gewisse Dramatik verleiht (Abb. 8). Er wird zumeist versetzt zur Straße positioniert und ist somit von dieser aus nicht direkt einsehbar. Überblickbar ist er von der Küche aus. Abb. 6, 7: Haus Rinderer, 1929/30, Gartenzugang Abb. 8: Haus Fritz, 1931/32 Abb. 9: Haus Nosko, Fassadenansichten, Schnitt 1:100, 30.10.1931 Die Fassade erhält wie zum Beispiel beim Haus Nosko ein symmetrisches (Abb. 9) oder wie beim Haus Grabher ein bewusst unsymmetrisches Gesicht (Abb. 10). Der Eingang, der Erkerturm wird aus der Mitte versetzt, die Fenster erhalten ihr Aussehen und ihre Position entsprechend der Funktion der dahinterliegenden Räume: Bullaugen-Fenster oder kleine Vierecke für Serviceräume, großflächige Sprossenfenster für die Veranda, die Küche und die Aufenthaltsräume für Gaststätten, hohe, schmale Fenster für Stiegenhäuser etc. Alfons Fritz schreibt in der Baubeschreibung zur Armenversorgungsanstalt Bezau: „Die übrigen Fenster richten sich in Ausbildung, Größe und Gruppierung nach dem Inneren.“80 Modern wirken die zu Fensterbändern angeordneten Fenster, insbesondere wenn sie den runden Formen der Architektur folgen (vgl. Abb. 11). Der Höhenerstreckung der Fassade begegnet Alfons Fritz, indem er ihr querrechteckige Fenster entgegensetzt oder im Umlauf des Hauses mit der Höhe der Dachtraufe spielt. So ist bei Häusern in ausgeprägter Hanglage die Dachtraufe der Talfassade niedriger als die der hangseitigen Fassade (Abb. 14). Abb. 10: Haus Grabher, Fassadenansichten 1:100, 22.04.1931 Die Fassade greift bei einigen Bauten in der Art eines Zwerchgiebels ins Dachgeschoss und wird seitlich von der Dachtraufe leicht „umfangen“ (Abb. 12, Abb. 15). Die Fassaden, die einen verputzten Sockel mit einer Holzverkleidung in den Obergeschossen kombinieren, weisen häufig in der Erdgeschosszone ein Ineinandergreifen beider Gestaltungselemente auf. Dieses Verschränken der einzelnen Geschosse, das nahtlose Herausentwickeln einer Brüstung aus der Hauswand, die Eindeckung durch ein Dach, dessen Gaubendächer und Giebel alle auf der Höhe des Dachfirsts ansetzen und von diesem herunterfließen, führen zu einem in sich geschlossenen Gefüge. Durch den bewegten Grundriss ergeben sich mitunter recht komplizierte Dachformen. Jeder Baukörper benötigt eine eigene für ihn geformte Eindeckung im Dachbereich. Die Höhe des Walmdaches ist im Verhältnis zur Gesamthöhe des Hauses insbesondere bei Haus Grabher und Haus Fritz beachtlich, wohl auch, weil das Dachgeschoss die Funktion eines Wohngeschosses übernimmt (Abb. 10 und Abb. 16). Das Tragen eines großen und somit schweren Daches kommt durch die Verwendung von Strebepfeilern, zur Dachtraufe hin auskragenden Mauern oder Konsolen zum Ausdruck. Vorgezogene Dächer wie beim Kinderheim für den Vorarlberger Invalidenverband (Abb. 13) sowie Balkone werden durch sich V-förmig von der Hauswand abstützende Vierkantbalken getragen. Abb. 11: Haus Waibel, 1929/30 Abb. 12: Haus Bohle, 1927/28 Abb. 13: Kinderheim für den Vorarlberger Invalidenverband, 1927 Abb. 14: Haus Rinderer, 1929/30, Nordfassade Abb. 15: Haus Grabher, 1931/32 Der Untersicht der Walmdächer wird große Aufmerksamkeit gewidmet. Sie ist gekehlt oder mit einem gerundeten Profil versehen (Abb. 17). Beim Haus Bohle spitzeln die Dachsparren hervor (Abb. 18), beim Haus Fritz liegt ein Vierkantbalken in der Übergangszone von Wand zu Dach (Abb. 19). Die Architektur des Hauses schließt auch die Gartenmauer, das dazugehörige Gartentor sowie fallweise eine Pergola, die dem Eingang vorgelagert ist, mit ein. Der Ort vor dem Eingang wird zu einem Ort zum Verweilen gestaltet. Der Weg vom Gartentor zum Eingang und weiter in das Haus wird bewusst geführt. Abb. 16: Haus Fritz, ausgeführter Entwurf, Fassadenansichten 1:100, 15.10.1931 Abb. 17: Haus Grabher, 1931/32 Abb. 18: Haus Bohle, 1927/28 Abb. 19: Haus Fritz, 1931/32 Abb. 20: Haus Bohle, 1927/28 Mündet der Eingang in einen Vorraum und nicht in ein Stiegenhaus, so wird zwischen Eingang und Vorraum ein Windfang geplant. Der eher beengt wirkende Windfang hat nicht nur eine klimatische Funktion, er gehört auch zum guten Ton eines Hauses. So widmet sich Hermann Muthesius im bereits erwähnten Buch Wie baue ich mein Haus? der Frage, wie man sich einem Eingang nähert und wie man in das Haus gelangt.81 Er empfiehlt, die Haustüre etwas zurückliegend anzuordnen und mit einem kleinen Dach zu schützen. Wenn ein Besucher nicht sofort eingelassen wird, sondern vor der Türe warten muss, während er gemeldet wird, so bringt ihn das in „Augenblicke der Verlegenheit“. Es sollte ihn währenddessen ein kleiner Vorraum aufnehmen, „[...] in dem er ein menschenwürdiges Unterkommen findet“, zum Beispiel ein Windfang, „nett ausgebildet“, mit einer Bank versehen, die zwar niemand benutzen wird, die aber den Raum gemütlicher macht.82 Vom zentral gelegenen Vorraum aus erschließt sich das Erdgeschoss, das die Wohnräume beherbergt. Im Obergeschoss befinden sich die Schlafräume sowie das Badezimmer. Die ins Obergeschoss führende Treppe mündet in den oberen Vorraum, von dem aus die Zimmer zu begehen sind. Die Zimmer im Erdgeschoss sowie im Obergeschoss lassen sich nicht nur über den Vorraum betreten, sondern verfügen meistens auch über Verbindungstüren. Insbesondere in den im Dachraum liegenden Obergeschossen enthält die Planung Einbaumöbel, um die Winkel, die sich durch die lebhafte Dachgestaltung ergeben, zu nutzen. Auch der Weg im Haus – der Vorraum bzw. der Gang – wird gestaltet, indem Alfons Fritz den Vorraum durch die Einfügung von wenigen Stufen hinauf- bzw. hinabsteigen lässt. Im Grundriss des Hauses Fritz, erster Entwurf, bezeichnet er diese Stufen als „Differenzstiege“ (Abb. 20, 21). Architekten wie etwa Frank Lloyd Wright oder Adolf Loos verwenden die rauminternen Höhenunterschiede bewusst, um einen Raum im Raum zu gestalten, um einen großen Raum durch unterschiedliche Bodenniveaus zu gliedern, bzw. wie Adolf Loos, um in einem Raum auf Kosten eines untergeordneten Raums eine größere Raumhöhe zu erzielen.83...