Berger | Bakterien in Krieg und Frieden | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 476 Seiten

Reihe: Wissenschaftsgeschichte

Berger Bakterien in Krieg und Frieden

Eine Geschichte der medizinischen Bakteriologie in Deutschland 1890?-?1933
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-8353-2089-5
Verlag: Wallstein Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection

Eine Geschichte der medizinischen Bakteriologie in Deutschland 1890?-?1933

E-Book, Deutsch, 476 Seiten

Reihe: Wissenschaftsgeschichte

ISBN: 978-3-8353-2089-5
Verlag: Wallstein Verlag
Format: PDF
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Die »Ausrottung« aller »unsichtbaren Feinde« des Menschen durch die medizinische Bakteriologie: Aufstieg und Fall einer Leitwissenschaft der Moderne.

Als die WHO 1980 den »Tod der Pocken« verkündete, rückte die Vision einer Welt ohne Infektionskrankheiten in greifbare Nähe. Das Auftauchen neuer und die Rückkehr überwunden geglaubter Erreger machten jedoch wenig später klar, dass dies eine Illusion war. Silvia Berger beschäftigt sich mit der Geschichte jener Wissenschaft, durch deren Leistungen - allen voran der Entdeckung der pathogenen Bakterien - die »Ausrottung« der Seuchen erstmals möglich schien: die medizinische Bakteriologie. Die Autorin zeigt mit Blick auf Deutschland zwischen 1890 und 1933, dass der Glaube an die Beherrschbarkeit von Infektionskrankheiten nicht erst in neuester Zeit erschüttert wurde. Bereits nach dem Ersten Weltkrieg erfuhr die Bakteriologie eine tiefgreifende Krise. Der von Militärbakteriologen zwischen 1914 und 1918 rigoros verfolgte Traum von der Vernichtung aller »unsichtbaren Feinde« und der Herstellung »reiner« Körper und Territorien rückte in weite Ferne. Die einstige Renommierwissenschaft musste in den 1920er Jahren eingestehen, dass sie mit ihren Denkfiguren das komplexe Zusammenspiel von Mikro- und Makroorganismen nicht mehr erklären konnte. Statt als »Krieg« konzipierte man nun das Verhältnis zwischen Bakterien und Menschen mit Begriffen wie »Gleichgewicht« oder »Symbiose«, einer Art friedlichen Koexistenz.

Die Studie wurde 2008 mit dem Henry-E.-Sigerist-Preis für Nachwuchsförderung in der Geschichte der Medizin und Naturwissenschaften ausgezeichnet und 2009 mit dem Förderpreis der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaft und Technik

»a highly original work, constituting an outstanding contribution to the history of preventive medicine and to German history«
Paul Weindling, Oxford

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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1;Inhalt;6
2;Einleitung;10
3;I. Formation. Genese einer Leitwissenschaft, 1840–ca. 1890;28
3.1;1. Konstruktion ›pathogener Bakterien‹;29
3.2;2. Das bakteriologische Denkkollektiv;45
3.3;3. Konfiguration des bakteriologischen Denkstils;55
3.4;4. Öffentliche Resonanzen;78
4;II. Dissonanz. Bakteriologie zwischen Beharrung und Reform, 1890-1914;92
4.1;5. Exoterische und esoterische Dissonanzen;93
4.2;6. Bakteriologische Offensive: Stabilisierungen am Vorabend des Ersten Weltkriegs;144
5;III. Krieg! Das pathogene Bakterium im Ersten Weltkrieg;172
5.1;7. Auftakt;173
5.2;8. Bakteriologische ›Kriegsführung‹: Metaphern – Praktiken – Orte;187
5.3;9. Sieg über die Bazillen? Bilanzen und Ausblicke nach zwei Kriegsjahren;253
5.4;10. »Eine reine Seite gibt es nicht mehr« – Das Kriegsende und seine Folgen;268
6;IV. Frieden? Destabilisierung und Wandel der Bakteriologie in der Weimarer Republik;292
6.1;11. Der sinkende Stern der Bakteriologie;293
6.2;12. Transformierte Bakteriologie, 1924/25-1933;332
7;Ausblick;392
7.1;13. Bakteriologie nach der Machtergreifung;392
8;Anhang;414
8.1;Abbildungsnachweis;414
8.2;Abkürzungen;415
8.3;Bibliographie;416
8.4;Dank;472
8.5;Register;474


IV. FRIEDEN? (S. 291-292)

Destabilisierung und Wandel der Bakteriologie in der Weimarer Republik

Die letzten Dekaden des 19. Jahrhunderts markierten den Beginn des Zeitalters der Bakteriologie. In der aufregenden Phase neuer Erkenntnisse und neuen Erkennens blickten medizinische Fachwelt und Öffentlichkeit gebannt auf die Welt des Kleinsten. Die Lehre von den pathogenen Mikroorganismen versprach nicht nur praktische Hilfe für die leidende Menschheit, sie schürte zugleich die Hoffnung, die Infektionskrankheiten in Zukunft vollständig auszurotten.

Obwohl das bakteriologische ›Gold‹ um die Jahrhundertwende an Glanz verlor, gelang es Koch und seinen Schülern, die Bakteriologie als potente epidemiologische Feldwissenschaft zu etablieren. Im Weltkrieg erlebte die Disziplin, inthronisiert als wissenschaftlicher Schutzgeist Deutschlands, nach dem ›Sturm und Drang‹ der 1880er Jahre einen zweiten Höhepunkt an Einfluss und Ansehen. Es sollte, wie ich im Folgenden zeigen werde, der letzte sein.

Der militärische Zusammenbruch, die Revolution, das »Schanddiktat von Versailles« und die wirtschaftlich-soziale Notlage führten nicht nur in Bezug auf die politischen, ökonomischen und mentalen Ordnungsstrukturen zu einschneidenden Transformationsprozessen.? Auch für die Formation des bakteriologischen Denkstils und das Prestige der Bakteriologen bedeutete die Weimarer Zeit eine Zäsur. Im Zuge der paradoxen Realitätseinbrüche am Kriegsende und in den Folgejahren erfuhren die bewährten Wahrheiten und Denkkategorien eine zunehmende Destabilisierung.

Die Influenza, ihre irritierenden Nachfolgekrankheiten und insbesondere das Ausbleiben der von allen erwarteten, im Zentrum der Aufmerksamkeit stehenden Kriegsseuchen offenbarten eindrücklich, dass die traditionellen bakteriologischen Modelle und Denkfiguren nicht mehr imstande waren, die offensichtlich doch um einiges komplexeren Beziehungen von Makro- und Mikroorganismen zu erklären.

Der Zusammenbruch der bakteriologischen Harmonie der Täuschungen (Fleck) frieden? mündete Mitte der 1920er Jahre in einen grundlegenden Wandel des Denkstils. Anstelle der martialischen Bilderwelten verwendete man jetzt Denkfiguren, die Infektionskrankheiten als Störungen diffiziler »Gleichgewichte « oder »Symbiosen« (eine Art friedliche Koexistenz) von Menschen und Bakterien entwarfen und den »unreinen« Körper als Normalfall installierten – vollkommen neue Koordinaten begannen sich in der bakteriologischen Ordnung des Wissens zu etablieren.


Berger, Silvia
Silvia Berger, geb. 1973, studierte Geschichte, Politikwissenschaft und Völkerrecht in Zürich und Berlin. Sie ist Postdoktorandin im Graduiertenkolleg »Geschichte des Wissens« am interfakultären Kompetenzzentrum von ETH und Universität Zürich.



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