Baumert / Teschmer / Heger | Zur Zukunftsfähigkeit des Religionsunterrichts | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 312 Seiten

Baumert / Teschmer / Heger Zur Zukunftsfähigkeit des Religionsunterrichts

Konfessionelle Kooperation auf dem Prüfstand
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-17-046626-5
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Konfessionelle Kooperation auf dem Prüfstand

E-Book, Deutsch, 312 Seiten

ISBN: 978-3-17-046626-5
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Seit der Einführung des konfessionell kooperativen Religionsunterrichts in Niedersachsen als erstem Bundesland sind nunmehr als 25 Jahre vergangen. Inzwischen wurde diese Form des Religionsunterrichts auch in weiteren Bundesländern eingeführt. Parallel wird gegenwärtig gesellschaftlich wie religionspädagogisch die Frage diskutiert, ob der konfessionell kooperative Religionsunterricht nicht längst ein überholtes Modell darstellt in einer Zeit, in der viele Schüler*innen ihre eigene Konfession kaum kennen, wenn sie überhaupt christlich getauft oder religiös sozialisiert sind. Der Ruf nach interreligiösen oder religionskundlichen Formaten und Organisationsformen religiöser Bildung im Klassenverband wird stetig lauter. Welchen aktuellen Herausforderungen und Transformationsprozessen hat sich ein zukunftsfähiger konfessionell kooperative Religionsunterricht zu stellen? Welchen Stellenwert können und sollten Bekenntnis und Konfessionalität im Religionsunterricht in einer Zeit einnehmen, in der sich immer weniger Menschen zu einer Konfession, zu einer der beiden großen Kirchen bekennen? Lässt sich angesichts der immer größer werdenden Zahl an orthodoxen Gläubigen in Deutschland an der alleinigen klassischen Kooperation der Katholischen und Evangelischen Kirche festhalten? Wie lässt sich in diesem Kontext der Vorstoß Niedersachsens beurteilen, einen christlichen Religionsunterricht als Nachfolgemodell des konfessionell kooperativen Religionsunterrichts einzuführen? Welche Konsequenzen ergeben sich für die Praxis der konfessionellen Kooperation? Mit diesem Band wird ein Wahrscheinlichkeitsraum eröffnet, der die Zukunftsfähigkeit des Religionsunterrichts aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet.

Prof. Dr. Britta Baumert ist Professorin für Praktische Theologie und Religionspädagogik am Fachbereich Kath. Theologie an der Goethe Universität Frankfurt am Main. Prof. Dr. Caroline Teschmer ist Professorin für Praktische Theologie mit Schwerpunkt Religionspädagogik an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
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1Ein Wort vorab – Einführung in den Band und Danksagung


Britta Baumert / Caroline Teschmer

1.1Einführung


Seit der Einführung des kokoRU in Niedersachsen als erstem Bundesland sind nunmehr 25 Jahre vergangen. Die Einführung des konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts erfolgte zunächst aus einer Notlage: der ungleichen Verteilung von katholischen und evangelischen Schüler:innen sowie einem Mangel an Lehrkräften beider Konfessionen, um einen konfessionsspezifischen Religionsunterricht flächendeckend zu gewährleisten. Dem Beispiel Niedersachsens folgten Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und seit 2021 auch Rheinland-Pfalz in einem Modellversuch. Gleichzeitig wird gegenwärtig gesellschaftlich wie religionspädagogisch die Frage diskutiert, ob der konfessionell-kooperative Religionsunterricht nicht längst ein überholtes Modell darstellt, in einer Zeit, in der viele Schüler:innen ihre eigene Konfession kaum kennen, wenn sie überhaupt christlich getauft oder religiös sozialisiert sind. Der Ruf nach interreligiösen Formaten und Organisationsformen religiöser Bildung im Klassenverbund wird stetig lauter. Religionskundliche Formate werden immer stärker gefragt. Andererseits betonen Befürworter:innen der Bekenntnisorientierung den Mehrwert der christlichen Binnenperspektive für religiöse Bildungsprozesse. Hier knüpfte die Fachtagung »Zur Zukunftsfähigkeit des Religionsunterrichts – Konfessionelle Kooperation auf dem Prüfstand« an, die am 16. und 17. November 2023 an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main stattfand. Religionspädagog:innen, Expert:innen der Systematischen Theologie sowie Vertreter:innen der schulischen und kirchlichen Praxis präsentierten hermeneutische, historische und empirische Perspektiven und ermöglichten durch Vorträge und Workshops einen fruchtbaren Diskurs zwischen den einzelnen Akteur:innen. Dabei waren folgende Leitfragen prägend:

  • Welchen aktuellen Herausforderungen und Transformationsprozessen hat sich ein zukunftsfähiger Religionsunterricht zu stellen und welche Rolle spielt dabei die konfessionelle Kooperation?
  • Welchen Stellenwert können und sollten Bekenntnis und Konfessionalität im Religionsunterricht in einer Zeit einnehmen, in der sich immer weniger Menschen zu einer Konfession, zu einer der beiden großen Kirchen bekennen?
  • Lässt sich angesichts der immer größer werdenden Zahl an orthodoxen Gläubigen in Deutschland an der alleinigen klassischen Kooperation der Katholischen und Evangelischen Kirche festhalten?
  • Wie lässt sich in diesem Kontext der Vorstoß Niedersachsens beurteilen, einen Christlichen Religionsunterricht als Nachfolgemodell des kokoRU einzuführen?
  • Welche Konsequenzen ergeben sich für die Praxis der konfessionellen Kooperation?

Der vorliegende Band greift diese Fragen auf und ergänzt die auf der fachwissenschaftlich ausgerichteten Tagung präsentierten Perspektiven um weitere Beiträge, deren Themen sich im Diskurs der Tagung als zentrale Dimensionen herausstellten und die zum Ziel haben, der Multiperspektivität und Ambiguität des Themas gerecht zu werden. Anhand der zuvor aufgezeigten Fragestellungen sollen die einzelnen Beiträge dieses Bandes im Folgenden kurz vorgestellt und eingeordnet werden.

Welchen aktuellen Herausforderungen und Transformationsprozessen hat sich ein zukunftsfähiger Religionsunterricht zu stellen und welche Rolle spielt dabei die konfessionelle Kooperation?

Säkularisierung und Pluralisierung prägen die religiöse Landschaft in Deutschland. Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung ist inzwischen konfessionslos. Religiöse Bildung soll vor allem über Religion informieren, einen Beitrag zur Wertebildung leisten und somit die Dialog- und Toleranzfähigkeit fördern. Nach Artikel 7,3 GG bedarf es jedoch einer positionellen Ausrichtung des Religionsunterrichts, der sich von religionskundlichen Ansätzen, die rein sachkundlich über Religion informieren, abgrenzt. Gleichzeitig stellt sich die Problematik, dass der Bekenntnischarakter des Religionsunterrichts von immer mehr Schüler:innen, Eltern und zunehmend auch Religionslehrer:innen in Frage gestellt wird.

Arnulf von Scheliha eröffnet den Band mit seinem Beitrag, der genau dieses Spannungsfeld thematisiert. So setzt er aus der Perspektive der Systematischen Theologie theologische Impulse in Bezug auf gegenwärtige Diskurse zu kooperativen Unterrichtsformaten, die sich im Rahmen des geltenden Religionsrechts bewegen. Dabei folgt er der Implikation, dass religiöse Bildung zunächst in einer Religion aus der Binnenperspektive zu verorten ist, und grenzt sich ab von pluralistischen Ansätzen, da diese einer Art »globalen Airports« gleichen, »deren Sicht gerade nicht von den religiösen Akteuren vor Ort oder von der Selbstauskunft der Religionsgemeinschaften gedeckt ist, mit denen und auf die hin man Religionsunterricht zu konstruieren hat. Vielmehr steht sie ihnen tendenziell sogar entgegen«.[1]

Hieran anknüpfend nimmt Bernhard Grümme eine kriteriologische Rahmung für einen konfessionell-kooperativen Religionsunterricht vor, indem er sein Potential für eine pluralitäts- und heterogenitätsfähige Bildung an öffentlichen Schulen auslotet. Über die Aporien der bestehenden Interrelevanz von Müssen und Können entfaltet er in vier Schritten den Diskurs, welche Anforderungen an einen zukunftsfähigen konfessionell-kooperativen Religionsunterricht herangetragen werden und inwiefern dieser mit seinen regionalen Besonderheiten jenen gerecht werden kann oder gerade nicht. Unter Berücksichtigung der empirischen Forschung sowie der fachlichen Diskurse der Gegenwart greift er insbesondere die Verortung der konfessionslosen Schüler:innen in der Modelldiskussion auf und lotet den Horizont für alternative Konzepte aus.

Bernd Schröder und Johanna Hock unterfüttern die Bedeutung der Perspektive der konfessionslosen und religiös kaum sozialisierten Schüler:innen mit ihren empirischen Perspektiven aus der VI. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung. So bieten sie anhand des sozialökologischen Ansatzes Bronfenbrenners eine religionspädagogische Deutung der elterlichen Positionierung zu Religion, die über den Zusammenhang von religiösen Überzeugungen und religiöser Sozialisation aufzeigt, dass die Bildungsorte Familie und Kirche für religiöse Bildungsprozesse immer weniger Kindern und Jugendlichen Anknüpfungspunkte bieten. Die Autoren präsentieren dabei eine differenzierte Aufschlüsselung der verschiedenen elterlichen Konstellationen und deren eigener Religiosität und religiöser Erziehung.

Welchen Stellenwert können und sollten Bekenntnis und Konfessionalität im Religionsunterricht in einer Zeit einnehmen, in der sich immer weniger Menschen zu einer Konfession, zu einer der beiden großen Kirchen bekennen?

Mirjam Schambeck nähert sich dem Themenfeld der Konfessionalität und Bekenntnisorientierung über das Feld der Positionalität. Dabei beschränkt sie sich nicht wie die kirchlichen Papiere auf die repräsentative Ebene der Positionalität, sondern nimmt gezielt Positionierungsprozesse im Unterrichtsgeschehen in den Blick. Insbesondere die Bedeutung konfessorischer Sprechakte wird durch eine empirische Vergewisserung relativiert und um die positionelle Ausrichtung didaktischer Entscheidungen und Handlungen ergänzt. Auch die Positionalität von Schüler:innen sowie die Ermöglichung und Initiierung von Positionalisierungen werden in den Blick genommen.

Als Gegenpol zur Positionalität kann das Schweizer Prinzip der Neutralität verstanden werden. Vielfach postuliert als zukunftsfähige Variante religiöser Bildung, die der Neutralität des Staates, der religiösen Pluralität der Gesellschaft und der zunehmenden Säkularisierung Rechnung trägt, wird das Neutralitätsgebot im Schweizer Religionsunterricht im Beitrag von Thomas Schlag dekonstruiert. So zeigt er neben den Potenzialen dieser Perspektive auch die Kehrseiten des Modells auf und reflektiert unter Berücksichtigung empirischer Erkenntnisse den Schweizer Weg kritisch.

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Prof. Dr. Britta Baumert ist Professorin für Praktische Theologie und Religionspädagogik am Fachbereich Kath. Theologie an der Goethe Universität Frankfurt am Main. Prof. Dr. Caroline Teschmer ist Professorin für Praktische Theologie mit Schwerpunkt Religionspädagogik an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.



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