E-Book, Deutsch, Band 81, 330 Seiten
Reihe: Tiroler Heimat
Antenhofer / Schober Tiroler Heimat 81 (2017)
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-7030-0932-7
Verlag: Universitätsverlag Wagner
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Zeitschrift für Regional- und Kulturgeschichte Nord-, Ost- und Südtirols
E-Book, Deutsch, Band 81, 330 Seiten
Reihe: Tiroler Heimat
ISBN: 978-3-7030-0932-7
Verlag: Universitätsverlag Wagner
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die "Tiroler Heimat" ist die traditionsreichste wissenschaftliche Zeitschrift, die sich der Geschichte und Kultur der historischen Region Tirol widmet. Die Zeitschrift wurde 1920 vom Historiker und Volkskundler Hermann Wopfner begründet, um nach der kurz zuvor erfolgten Grenzziehung, die Tirol teilte, die kulturhistorische Verbindung zwischen den Landesteilen aufrechtzuerhalten. Als Jahrbuch für Geschichte und Volkskunde sollte die „Tiroler Heimat" Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern grenzüberschreitend die Möglichkeit bieten, ihre historischen und ethnologischen Studien zur Tiroler Landesgeschichte vorzustellen.
Der Themenschwerpunkt hat sich seither ausgedehnt und umfasst im weitesten Sinne Beiträge zu Geschichte und Kultur Nord-, Ost- und Südtirols. Methodische und inhaltliche Vielfalt sowie ein hoher wissenschaftlicher Standard, der Landes- und Regionalgeschichte in einen überregionalen, europäischen Rahmen einbettet, kennzeichnen die Arbeitsweise.
Jeder Band enthält zudem einen ausführlichen Besprechungsteil, in dem aktuelle Publikationen mit Tirolbezug rezensiert werden.
Der diesjährige Band der Tiroler Heimat bietet einen Schwerpunkt auf akteurszentrierte und biographische Beiträge. Zwei Aufsätze zu Fragen der Religion und Konfessionalisierung fügen sich thematisch in das Luther-Jubiläumsjahr.
Inhalt von Band 81/2017
Patrizia Hartich: Jenseits der üblichen Kanäle: Kommunikation zwischen Schwaben und Tirol
Maria Prantl: Der Schatz der Katharina von Burgund
Michaela Fahlenbock: "Durch uns und unnser Landtschaften gemacht […]" – Landesfürst und Landstände am Tiroler Landtag des 15. Jahrhunderts
Robert Büchner: Die Geschäfte des Rattenberger Kaufmanns, Wirts und Bürgermeisters Lamprecht Auer († 1544) und die Geschichte seiner Familie
Georg Neuhauser / Hannah Kanz: "Wir haben ime darauf alle jar bis auf unnser widerueffen neunzig guldein Reinisch zu sold zugeben zuegesagt" - Eine Bestandsaufnahme und eine Annäherung an die Besoldung der Bergbeamten in Südtirol in der frühen Neuzeit
Ursula Schattner-Rieser/Heinz Noflatscher: Der hebräische Taufhymnus des Karl Sigmund Konstantin (1637). Ein Zeugnis jüdisch-christlicher Konversion am Hof Claudia de’ Medicis
Andreas Oberhofer: Verbotene Bücher im Ahrntal: Lesende Geheimprotestanten als Fallbeispiel für die Literalität einer ländlichen Gesellschaft im 18. Jahrhundert
Hansjörg Rabanser: "Ich würde zu viel Zeit brauchen, die Menge der schönen Stücke zu specificiren […]" – Die Reise des Andreas Alois Dipauli nach Genua und Turin (1785)
Evi Pechlaner: Anton Melchior von Menz (1757–1801), ein Bozner Kaufherr und Musikmäzen
Georg Jäger, Kurt Scharr, Ernst Steinicke: Gesamttirol im Blick. Tit. ao. Univ.-Prof. i. R. Dr. Hugo Penz zum 75. Geburtstag
Josef Riedmann: Nachruf. Hofrat Dr. Walter Neuhauser †
Josef Riedmann: Univ.-Prof. SR. Dr. Franz-Heinz Hye †
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Weltgeschichte & Geschichte einzelner Länder und Gebietsräume Deutsche Geschichte Deutsche Geschichte: Regional- & Stadtgeschichte
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Weltgeschichte & Geschichte einzelner Länder und Gebietsräume Europäische Geschichte Europäische Regional- & Stadtgeschichte
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Geschichtliche Themen Kultur- und Ideengeschichte
- Interdisziplinäres Wissenschaften Wissenschaften: Allgemeines Zeitschriften, Periodika, Abstracts, Indizes
Weitere Infos & Material
„Durch uns und unnser Landtschaften gemacht […]“
Landesfürst und Landstände am Tiroler Landtag
des 15. Jahrhunderts*
MICHAELA FAHLENBOCK
Mitte des 15. Jahrhunderts tritt uns der Tiroler Landtag in seiner voll ausgebildeten Organisationsform aus den Quellen entgegen. Seit dieser Zeit findet sich die Teilnahme aller vier Tiroler Landstände – des Adels (Herren und Ritter), der Städte und Märkte, der Gerichte und schließlich der Prälaten (seit 1443)1 – an diesen Versammlungen belegt. Erst durch die politische Emanzipation der einzelnen gesellschaftlichen Verbände respektive Stände2 des Landes hatte sich auch der Landtag als solcher konstituieren können und war zum zentralen Forum des Miteinanderverhandelns3 von Landesfürst und Landständen geworden. Voraussetzung für die Entstehung der landständischen Verfasstheit war in Tirol wie auch anderenorts das Vorhandensein eines rechtlich abgegrenzten Landes4 – also einer Rechts- und Friedensgemeinschaft, die nach Otto Brunner durch ein Landrecht geeint sein musste.5 Die Ausbildung des Tiroler Landtags geschah demnach nicht innerhalb kürzester Zeit, sondern zog sich über mehrere Jahrhunderte. Eine wesentliche Rolle bei der Ausformung der tirolischen landständischen Verfassung – wie sie uns im 15. Jahrhundert mit ihren vier Kurien begegnet – spielte, wie schon angesprochen, die landrechtliche Einigung Tirols und der damit zusammenhängende Ausbau der landesherrlichen Gewalt. Landwerdung, Herrschaftsverdichtung und Verfassungsentwicklung verliefen naturgemäß nicht isoliert voneinander ab, sondern bedingten sich gegenseitig und wurden wiederum von überlieferten Rechtstraditionen bzw. -anschauungen geprägt.6 Wenn wir im Folgenden nach den Ursprüngen und der Entstehung der politischen Institution Tiroler Landtag fragen, müssen genau diese Entwicklungsprozesse näher betrachtet werden.7 Von besonderem Interesse werden dabei die Ausbildung der Gerichte bzw. Gerichtsgemeinden und ihre Aufnahme in den landständischen Körper sein,8 da in der gängigen Forschung die Erreichung der Landstandschaft seitens der Gerichte als das ausschlaggebende Moment für die Ausformung der spezifisch tirolischen landständischen Verfassung angesehen wird.9 Darauf basierend gilt es, den verfassungsrechtlichen Hintergrund und die endgültige Konstitution jenes politischen Forums im 15. Jahrhundert zu thematisieren. Anhand des Innsbrucker Landtags von 1474 soll das zuvor Ausgeführte abschließend exemplarisch veranschaulicht werden. 1. Ursprünge und Entstehung des Tiroler Landtags
Dass im 15. Jahrhundert politische Entscheidungen zum Wohle des Landes im Rahmen des Miteinanderverhandelns von Landesfürst und Landständen getroffen wurden, lässt sich nach Albert Jäger in seinen Ursprüngen auf Rechtstraditionen der „germanischen Völker“ zurückführen. So liest man in seinem in den frühen 1880er- Jahren erschienenen Standardwerk zur Geschichte der landständischen Verfassung Tirols dazu Folgendes: „Wurden auch die ursprünglichen Rechte der einzelnen Stämme in […] den nächsten auf die Völkerwanderung folgenden Jahrhunderten […] mannigfaltig verändert; so sehr beseitigt und ausgerottet wurden sie jedoch nicht, dass nicht Reste davon im Leben und in den Rechtsanschauungen der Abkömmlinge der Stämme sich erhalten hätten. […] Zu diesen gehörten namentlich die alten Volksversammlungen in der Form von Gautagen zum Zwecke gemeinsamer Berathung und Beschlussfassung über die wichtigsten das Volk betreffenden Angelegenheiten. Wenn nun auch die Volksversammlungen in dieser ursprünglichen Form […] verschwanden, so lebte doch die Erinnerung an sie fort, und das in ihnen enthaltene Prinzip sowie das Bedürfniss gemeinsamer Berathung über die Gesammtheit betreffende Angelegenheiten verschwand nicht mehr, sondern strebte in verschiedenen Formen sich wieder und wieder geltend zu machen. […] Die festgehaltene Erinnerung an das im ursprünglichen Volksrechte gegründete gemeinsame Versammlungs- und Verhandlungsrecht über öffentliche Angelegenheiten muss demnach als die älteste und tiefste Wurzel der landständischen Verfassung Tirols betrachtet werden.“10 Einen weiteren Keim der landständischen Verfassung Tirols sah Albert Jäger in den Folgen der Auflösung der alten Herzogtümer Sachsen und Bayern gegeben. An deren Stelle traten schließlich kleinere Landesherrschaften, die nunmehr Hoftage11, Gerichtstage bzw. Landdinge/Landtaidinge12 oder Landgerichte13 abhielten, in denen die alten Versammlungs- und Verhandlungstraditionen weiterlebten.14 In diesen öffentlichen und allmählich in regelmäßigen Abständen stattfindenden placita (Gerichts-/Rats- versammlungen), die an sogenannten Ding- und Malstätten unter freiem Himmel stattfanden, wurde über wichtige Rechts- und Verwaltungsangelegenheiten beraten. Bedeutende Entscheidungen bedurften dabei schon damals der Zustimmung der dort versammelten Landesgenossen.15 Albert Jäger führt diesbezüglich etwa für den Tiroler Raum – in dem seit Anfang des 11. Jahrhunderts die Bischöfe von Trient und Brixen im Besitz der Grafengewalt waren –,16 den auf einer Wiese in der Nähe der Burg Formigar17 stattgefundenen Hoftag des Bischofs Adelbert von Trient im Jahr 1163 an. Die dort geladenen Grafen und Domherren sollten verschiedene Rechtsfragen gemeinschaftlich abhandeln. Ebenso hat sich die Abhaltung von Hoftagen seitens der Brixner Bischöfe für die Jahre 1070 zu Rasen im Pustertal und 1225 in der Domkirche zu Brixen in den Quellen überliefert.18 Im 13. Jahrhundert begannen auch die Grafen von Tirol solche Tage abzuhalten. Beispielhaft sei das unter offenem Himmel durchgeführte Landtaiding im Jahr 1229 genannt. Graf Albert III. von Tirol und Bischof Heinrich von Brixen beriefen hierzu sämtliche Ministerialen der Kirche von Brixen an die Ladritscher Brücke, um gemeinsam einen dreijährigen Landfrieden zu beschließen.19 Sind diese Versammlungen als frühe Vorläufer der späteren Landtage20 zu betrachten, so gab die unter Graf Meinhard II. von Tirol-Görz21 erfolgte Landwerdung Tirols22 den konkreten Anstoß für dessen landständische Verfassungsentwicklung. Der Großteil der Gebiete der später begründeten Landesherrschaft Tirol hatte ursprünglich dem bayerischen Herzogtum angehört. Im 11. Jahrhundert setzte mit der Verleihung der Grafschaften des Inn-, Etsch- und Eisacktals durch das Reichsoberhaupt an die Bischöfe von Trient und Brixen ein erster Loslösungsprozess dieser Herrschaftsgebiete vom bayerischen Herzogtum ein.23 Aufgrund ihres geistlichen Standes, der es ihnen untersagte das Schwert zu führen und sich mit weltlichen Belangen abzugeben, ließen die Bischöfe die damit verbundenen Grafschaftsrechte stellvertretend von Vögten adeliger Herkunft administrieren. Letztere erhielten in der Folge jene Grafschaften, deren Rechte sie bereits ausübten, von den Bischöfen als Vasallen zu Lehen. Grafschafts- und Vogteirechte wurden somit zunehmend in den Händen dieser Vasallen respektive einzelner Adelsgeschlechter gebündelt, die dadurch machtpolitisch immer mehr an Bedeutung gewannen.24 Besonders erfolgreich zeigten sich in diesem Prozess die Grafen des Vinschgaus, die sich seit dem 12. Jahrhundert nach ihrer bei Meran gelegenen Burg Grafen von Tirol nannten. Ihnen gelang es, die meisten Grafschaften des Inn-, Etsch- und Eisacktals in ihre Herrschaftsgewalt zu bringen und die Trienter und Brixner Hochstiftsvogteien zu erwerben. Durch das politisch zielstrebige, taktisch-kluge und oft auch aggressive Vorgehen Graf Meinhards II. von Tirol-Görz wurde auf Kosten der Rechte der Bischöfe von Trient und Brixen schließlich das dominium Tyrolis geschaffen,25 dessen landrechtliche althergebrachte26 Einheit sich Meinhard II. von Bischof Konrad von Chur am 20. Jänner 1282 vor dem königlichen Hofgericht bezeugen ließ.27 Mit dem Ulmer Spruch vom 25. Mai 1282 erkannte der römisch-deutsche König Rudolf I.28 schließlich offiziell an, dass die Grafschaft Tirol niemals zum Herzogtum Bayern oder Schwaben gehört habe. Damit trat die terra montium ohne die ehemaligen land- und lehensrechtlichen Abhängigkeiten als Land Tirol in die Geschichte ein.29 Diese nach außen bzw. oben hin erfolgte rechtliche Abgrenzung seines Landes im Gebirge konnte Meinhard II. – der in diesem Sinne auch als erster Landesfürst Tirols anzusprechen ist – nur erreichen, indem er seine Machtposition nach innen hin stärkte. So veränderte er grundlegend die Verwaltungs- und Gerichtsorganisation und betrieb gleichzeitig eine aggressive Erwerbs- und Entfeudalisierungspolitik in seinem Herrschaftsbereich. Einhergehend mit diesem...