E-Book, Deutsch, 128 Seiten
Reihe: Achtsam Leben
Alsleben Achtsame Wege aus der Depression
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-95803-230-9
Verlag: Scorpio Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 128 Seiten
Reihe: Achtsam Leben
ISBN: 978-3-95803-230-9
Verlag: Scorpio Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Heike Alsleben ist Diplom-Psychologin und zertifizierte Lehrerin für Stressbewältigung durch Achtsamkeit und Achtsamkeitsbasierte Kognitive Therapie. Neben ihrer Arbeit als Dozentin in der Ausbildung von Psychologischen Therapeuten ist sie Autorin von Patientenratgebern zu den Themen Depression, Angst und Achtsamkeit.
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Um dem zerstreuten Geist zu ermöglichen, sich zu sammeln, ist es unterstützend, die Aufmerksamkeit im Alltag immer wieder neu für einige Momente auf den Atem zu lenken. Dieser steht uns jederzeit zur Verfügung. Der Atem ist uns Anker und Hafen zugleich, um uns im gegenwärtigen Moment zu sammeln und depressive Gedankenspiralen zu unterbrechen.
Die folgende Anleitung bietet Ihnen die Möglichkeit, eine Kurzform der Atemmeditation kennenzulernen und sich mit ihr vertraut zu machen.
ÜBUNG
Achtsamkeit auf
den Atem
Suchen Sie sich einen Ort, an dem Sie ungestört sind, und finden Sie eine Sitzposition, die es Ihnen ermöglicht, aufrecht und würdevoll zu sitzen.
Laden Sie die Achtsamkeit zu sich ein, in Form einer offenen, wachen, freundlichen und neugierigen inneren Haltung genau für diesen Moment.
Nehmen Sie sich einige Augenblicke Zeit, Ihren Körper in seiner Sitzhaltung wahrzunehmen. Lassen Sie, so gut es Ihnen gerade möglich ist, überflüssige Anspannung im Körper innerlich los, ohne dass Sie sich dafür bewegen müssen.
Richten Sie die Aufmerksamkeit nun einige Atemzüge lang auf den Atem. Spüren Sie, wie er in seinem eigenen Rhythmus in den Körper hinein- und wieder hinausströmt, Atemzug für Atemzug. Wie eine Welle am Strand, die kommt und wieder geht, und Sie sehen ihr dabei zu. Nehmen Sie währenddessen einzelne Körperempfindungen wahr, die mit dem Atemfluss einhergehen. Immer dann, wenn Sie Gedanken bemerken, die dazu führen, dass Ihre Aufmerksamkeit abschweift, sind Sie eingeladen, diese wie Wolken am Himmel weiterziehen zu lassen und mit der Aufmerksamkeit zum Atem zurückzukehren.
Führen Sie diese Übung 3 bis 5 Minuten lang fort.
Aversionen erkennen
Auf dem nun folgenden Pfad der Achtsamkeit geht es darum zu erkennen, wann wir auf das, was wir erleben, mit Aversionen antworten. Diese entstehen immer dann, wenn wir auf Schwierigkeiten oder eine unangenehme Erfahrung mit Angst, Ärger oder Ablehnung reagieren oder diese vermeiden wollen. In solchen Momenten neigen wir dazu, gedanklich abzuschweifen, uns in grüblerisches Denken und ins Sorgenmachen zu verlieren oder uns abzulenken, indem wir reflexhaften Handlungsimpulsen nachgeben. Diese automatischen Reaktionsmuster des »Etwas-nicht-erleben-Wollens« führen paradoxerweise dazu, dass sich unser emotionales Leid noch verstärkt. Das geschieht, weil das schmerzvolle Erleben durch unsere Ablehnung quasi eine Aufladung erfährt. Denken Sie an ein kleines Kind, das quengelt, weil es die Aufmerksamkeit seiner Mutter haben möchte. Wenn es sie nicht bekommt, wird sein Quengeln immer lauter. Erst einige Momente der Zuwendung durch die Mutter führen dazu, dass sich das kleine Kind wieder beruhigt.
Statt den gewohnheitsmäßigen Reaktionen auf Aversion einfach nachzugeben, bietet uns eine achtsame innere Haltung die Möglichkeit, eine andere Einstellung zu unerwünschten Erfahrungen zu entwickeln: indem wir uns ihnen zuwenden und sie näher erforschen.
Ein Nachbar beginnt in seinem Garten mit einem lauten Laubbläser zu arbeiten, als Sie gerade in Ruhe in einem Buch lesen möchten. Ihre Gedanken schlagen Alarm: »Warum gerade jetzt, das ist doch wieder typisch, unmöglich, dieser Lärm! Kann der sich nicht einen anderen Zeitpunkt aussuchen! Diese lauten Dinger gehören verboten!« – Sie bemerken die in Fahrt geratene Gedankenkette, halten inne und spüren: Da ist Ärger über den Lärm, den der Nachbar veranstaltet, indem er ein so lautes Gerät benutzt. Während des Innehaltens ist es Ihnen möglich zu erkennen, dass Sie sich mit dem Ärger nur selbst schaden und sich Ihre Laune vermiesen. Vielleicht können Sie sogar über sich schmunzeln und es kommt Ihnen ein Gedanke wie der von Viktor Frankl in den Sinn: »Über wen ich mich ärgere, bestimme immer noch ich selbst!«
Das Einnehmen einer erweiterten Perspektive eröffnet uns mehr Handlungsspielraum, einer depressiven Stimmung entgegenzuwirken. Auf dem nachfolgenden Pfad des Zu- und Seinlassens gehen wir noch einen Schritt weiter, indem wir uns darin üben, uns unangenehmen Erfahrungen direkt zu öffnen und ihnen Akzeptanz entgegenzubringen.
Annahme und Akzeptanz
Akzeptanz ist die grundlegende Haltung aller achtsamkeitsbasierten Übungswege (im vierten Kapitel gehe ich noch näher darauf ein, was das Wesen der Achtsamkeit ausmacht). Die ihr innewohnende »Fähigkeit«, den Dingen im Leben ihren natürlichen Lauf zu lassen und das Unvermeidliche anzunehmen, kann sich hilfreich auf die Bewältigung von Stress, chronischen Erkrankungen und psychischen Belastungen auswirken.
Nichtsdestotrotz bereitet Akzeptanz vielen Menschen Unbehagen. Denn wie wir schon erfahren haben, ist der menschliche Geist ständig damit beschäftigt, Dinge, die er ablehnt, verändern zu wollen. Denken Sie zurück an den Nachbarn mit seinem Laubbläser. Dieser Widerstand erinnert oft an einen Kampf gegen Windmühlen: Sich gegen unerwünschte Erfahrungen aufzulehnen oder sie zu leugnen, verbraucht viel Energie und verändert doch nichts.
Diese Haltung des Annehmens und Akzeptierens kann uns helfen, klarer zu sehen. In dem Moment, in dem wir aufhören, sinnlos zu kämpfen, entsteht in uns innerer Freiraum, und wir können wahrnehmen, worum es im jeweiligen Augenblick wirklich geht. Wir können beispielsweise erkennen, dass wir es selber sind, die sich mit der Auflehnung oder dem Ärger über unangenehme Erfahrungen Leid zufügen. Selbstmitgefühl spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle (darauf werde ich an anderer Stelle noch näher eingehen). Je mehr Mitgefühl Sie für sich selber haben, desto mehr Offenheit und tröstliches Verständnis können Sie auch für andere aufbringen.
Ein weiterer Haltungswechsel besteht darin, dass wir uns dazu ermutigen, anzuerkennen, dass wir etwas nicht mögen, ohne uns dagegen aufzulehnen. Diese Offenheit, mit der wir die Gegebenheiten annehmen, wie sie sind, hilft uns zu erkennen, was wir, wenn überhaupt, verändern möchten und können. Statt uns von dem Strudel eines brausenden Wasserfalls mitreißen zu lassen, treten wir sozusagen hinter den Wasserfall und schauen von dort aus auf das Geschehen. So können wir wahrnehmen, was die Situation gerade erfordert.
Wenn Sie sich ermutigen, die Dinge nicht anders haben zu wollen, als sie sind, und sich dem öffnen, was gerade ist, dann verändert sich automatisch auch Ihre Beziehung zu Ihren Erfahrungen. Sie verspüren weniger Stress und stattdessen mehr Wohlwollen gegenüber schwierigen Gedanken und Gefühlen. Auch diese achtsame Haltung wirkt der Entstehung von depressionsfördernden Gedankenspiralen und Stimmungen entgegen.
Gedanken sind keine Tatsachen
»Sind wir uns nicht bewusst, dass wir denken,
so tragen uns unsere Gedanken in
viele verschiedene Welten.«
Wie schon gesagt, produziert der Kopf unaufhörlich Gedanken. Und zwar nicht nur im Alltag, sondern auch während der Achtsamkeitsübungen. Dass der Geist denkt, ist völlig normal. Oftmals aber sind uns die Gedanken so vertraut, dass sie uns gar nicht auffallen, wenn wir nicht bewusst darauf achten. Oder wir schenken ihnen vorbehaltlos Glauben, ohne sie infrage zu stellen. So kann es beispielsweise sein, dass eine negative Stimmung unbemerkt einen Strom von negativen Gedanken nach sich zieht, der uns, ebenfalls unbemerkt, in eine Depression hineingeraten lässt. Um die Art und Weise zu illustrieren, wie die Gedanken uns forttragen, wird häufig das Bild eines Zugs verwendet, auf den wir automatisch aufspringen. Erst nachdem der Zug längst in Fahrt ist oder vielleicht sogar schon einige Stationen passiert hat, wird uns bewusst, dass wir uns von unserem Startpunkt entfernt haben. Mitunter gelingt es uns an dieser Stelle, den Zug zu verlassen und uns neu zu orientieren. Im Rahmen einer Depression setzt sich diese Zugfahrt allerdings nicht selten über längere Zeit fort, ohne dass wir uns in der Lage fühlen auszusteigen. Es kommt uns vor, als seien wir an unserem Sitzplatz festgenagelt. Allerdings gilt dieser Automatismus auch umgekehrt, indem negative Gedanken unbemerkt die Stimmung eintrüben. So kann der Gedanke »Ich fühle mich der Depression hilflos ausgeliefert!« weitere Gedanken nach sich ziehen wie: »Nichts hat mir bisher geholfen!« – »Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll!« – »Das wird nie mehr aufhören!« – »Es hat alles keinen...




