Zweig | Emile Verhaeren | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 330 Seiten

Reihe: Gesammelte Werke in Einzelbänden

Zweig Emile Verhaeren

(Fischer Klassik PLUS)
1. Auflage 2009
ISBN: 978-3-10-400189-0
Verlag: S. Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

(Fischer Klassik PLUS)

E-Book, Deutsch, 330 Seiten

Reihe: Gesammelte Werke in Einzelbänden

ISBN: 978-3-10-400189-0
Verlag: S. Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Mit einem Nachwort von Knut Beck. Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK. Der belgische Dichter Emile Verhaeren (1855-1916) gilt mit seiner Intensität der Sprache und seiner Lebensbejahung in der modernen, technisierten Zeit als europäischer Walt Whitman. Nach einer Begegnung im Sommer 1902 freundschaftlich mit ihm verbunden, schrieb Stefan Zweig 1904 einen ersten Aufsatz über Verhaeren. Seine Biographie »Darstellung Verhaerens« erschien im Rahmen der ersten deutschen Werkausgabe 1910. Als der Dichter 1916 in Frankreich tödlich verunglückte, hatten die Ereignisse des Ersten Weltkriegs die Freunde entzweit, dennoch veröffentlichte Stefan Zweig seine ?Erinnerungen an Emile Verhaeren? als Privatdruck. Diese Ausgabe der Biographie versammelt alle drei Texte, Aufsatz und Erinnerungen liegen hier erstmals in Buchform vor.

Stefan Zweig wurde am 28. November 1881 in Wien geboren und lebte ab 1919 in Salzburg, bevor er 1938 nach England, später in die USA und schließlich 1941 nach Brasilien emigrierte. Mit seinen Erzählungen und historischen Darstellungen erreichte er weltweit in Millionenpublikum. Zuletzt vollendete er seine Autobiographie ?Die Welt von Gestern? und die ?Schachnovelle?. Am 23. Februar 1942 schied er zusammen mit seiner Frau »aus freiem Willen und mit klaren Sinnen« aus dem Leben.
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1904

Emile Verhaeren


Was weinst Du, Sturm? – Hinab Erinnerungen!

Dort pulst im Dunst der Weltstadt zitternd Herz!

Es grollt ein Schrei von Millionen Zungen

Nach Glück und Frieden: Wurm, was will Dein Schmerz?

»Von allen französischen Dichtern unserer Tage, diesen Narzissen, die sich über die Ufer spiegelnd niederbeugen, ist Emile Verhaeren am wenigsten geneigt, sich bewundern zu lassen.« So sagt Remy de Gourmont in seinem ›Livre des Masques‹ von dem großen flandrischen Dichter. Und alle die Franzosen, die über ihn schreiben, beginnen ähnlich. Ein dunkles Gefühl lehrt sie, daß er nicht zu ihnen gehört, er, den sie so ungern aus ihrer Reihe missen wollen. Und doch: er ist ihnen zu groß. Seine starke und unbändige Vitalität, sein intensives und qualvolles Ringen um eine Weltanschauung – die spezifisch germanisch ist und jenen monistisch-pantheistischen Gottesbegriff mit der Idee immanenter Entwicklung vereint – schließlich die sinfonische Gestaltung seines dichterischen Werkes haben ihnen noch zu sehr den bitteren Nachgeschmack des Barbarentums, als daß sie seine intellektuelle Überlegenheit voll anerkennen könnten und sie der lauen Weisheit eines Sully Prudhomme, der matten Anmut François Coppées und dem Schatten des tönenden Erzes Victor Hugo wuchtig entgegenstellten. Nach Jahren hat er sich nun eine vorsichtige Achtung erzwungen. Man hat ihm eine zu nichts verpflichtende Rubrizierung gegeben, die der Notwendigkeit enthebt, sich mit ihm intensiv zu befassen: er heißt offiziell »le poète de demain« –

Wer einmal objektiv die Geschichte der »Symbolistes« und »Décadents« und ihrer erstaunlich schnellen Erfolge darstellen wird, dem kann die eigentliche Ursache dieser Bewegungen – die man in Frankreich unterschlägt – nicht verborgen bleiben. Daß der »vers libre« –  – Nebensache ist und die jetzt schon sehr erbitterte Zänkerei um seine »Entdeckung« eine Farce, müßte er allerdings zur Voraussetzung nehmen. Die Grundtatsache ist, daß einfach fremdnationale Elemente in die französische Dichtung einsickerten. Paul Verlaine, der Elsässer, hat die musikalischen Elemente des deutschen Liedes gebracht. Maurice Maeterlinck, Emile Verhaeren, Max Elscamp, Albert Mockel sind Vlamen, François Vielé-Griffin ist Amerikaner, Stuart Merrill Engländer, Jean Moréas Grieche und der offizielle Initiator Gustave Kahn – da man ja jetzt auch in Frankreich die Unterscheidung zu machen beliebt – ein Jude. Oder kurz gesagt: die moderne französische Kunst, die auch gegenüber Wagner und Nietzsche sich ungemein aufnahmefähig erwies, hat das spezifisch Französische abgestreift und dadurch ungleich an Lebendigkeit und Farbe gewonnen. Und so allein konnte es unbemerkt bleiben, ein wie deutscher Dichter in ihrer Mitte schuf, wie er unbewußt die Fremdsprache umhämmerte, bis sie sich seiner gedanklichen Wucht gefügig erwies und eigentlich eine fremde war. An die grandiose Entwicklung des Lyrikers Emile Verhaeren, die durch ein fremdes Element hindurch heimatliche Denkweise in ihrem Kulminationspunkte erreichte, ließe sich vielleicht ein Sprachgesetz angliedern, das zu streng nationalen Konsequenzen führte, obwohl dieser Aufschwung in seiner Vollendung eher einen Ausnahmefall als eine Regel bedeutet.

Emile Verhaeren – die Aussprache ist Verhaaren, ebenso wie Maaterlinck – ist im Jahre 1855 zu St. Amand, nahe bei Antwerpen, geboren. Zu Gent drückte er zusammen mit Georges Rodenbach die Schulbank, um gleich nach der Befreiung vom Lyceum eine Revue ›La semaine‹ zu gründen, gemeinsam mit Van Dyk, dem berühmten Wagner-Sänger. 1883 erscheint sein erstes Versbuch ›Les Flamandes‹ Verhaeren ist hier absoluter Naturalist, Schüler Emile Zolas und des ihm näherstehenden Camille Lemonnier. Es ist ein Buch robuster Gesundheit, mit starkem Erdgeruch und bunten, stark aufgetragenen Farben. Fast ausschließlich bilden national-charakteristische Genrebilder die Motive. Die Ebenen mit ihrem wechselnden Farbenspiel, leere Speicher, das Brotbacken, das Melken, die Kuh selbst, die schläfrig und graß im Grünen liegt, die Ernten, die Sonntagsstube, die Kirmessen und die Liebesnächte. Die ganze flandrische Heimat ist mit der Sorgsamkeit der alten Holländer gezeichnet, vielleicht auch mit ihrer leisen Hölzernheit in den Empfindungen: es weht kein Atem durch das Buch, alles ist Kälte und Ruhe. Die Form ist komplementär: Verhaeren ist noch absoluter Parnassien. Und ebenso im nächsten Buche ›Les moines‹ das mit programmatischer Regelmäßigkeit das Leben der Mönche nachzeichnet, die in den alten wundersamen Klöstern Belgiens leben. Nur daß hier schon die Motive selbst leise seelische Schwingungen loslösen, daß die Mystik dieser frommen Seelen selbst schon mit geheimnisvollem Dufte die Verse übersprengt.

Plötzlich erfolgt ein jäher und folgenschwerer Umschwung. Nach diesen zwei Büchern sicherer Beobachtung und strotzenden Lebensgefühls erscheint die Trilogie ›Les soirs‹ ›Les débâcles‹ ›Les flambeaux noirs‹ ein maniakalisches, quälerisches, neurotisches Werk, das beispiellos ist in seiner seelischen Exaltation und seiner flagellantischen Selbstzerfleischung. Wie Vielé-Griffin mitteilt, entspricht es einer physischen Nervenkrise im Leben Verhaerens. Aus Traurigkeiten und Müdigkeiten wächst es empor. Tatsächlich ist Maeterlincks trüber Vers das Leitmotiv: »Et la tristesse de tout cela, o mon âme, et la tristesse de tout cela.« Ein trüber, gottleerer Himmel wacht über öden Flächen. Und Angst zuckt auf: vor einem ewigen Winter, vor einem eisigen, kalten Gotte, vor dem Schweigen, das mit seinen Messern das Herz zerschneidet. Und näher rückt der Wahnsinn und die Verzweiflung: »L’absurdité grandit comme une fleur fatale.« Bittere Schmerzen erwachen. Aber mit ihnen auch die perverse Wollust, sie zu erhöhen, sich selbst zu foltern.

»Sois ton bourreau toi même!

N’abandonne l’amour de te martyriser

A personne, jamais.«

[S. Z.]

Aus der erstickten Stille erwachen jähe Schreie. Alle Wünsche sind tot. Nur absurde Träume flackern auf: die eherne Götzenfratze im Tempel zu Benares zu sein und in eigener Ohnmacht die Gläubigen zu verlachen. Oder im Grabe zu liegen und die Würmer zu belauschen, die den müden Leib zerfressen. Oder eine Dornenkrone zu tragen, deren Spitzen die Nerven zerstechen, in denen die bösen Gedanken nagen. Schmerz, unglaublicher Schmerz durchflutet diese Seele und brandet gegen die Enge des verzweifelt hämmernden Herzens. Gleichsam zu einem Siedepunkt sind die fiebernden Gefühle aufgepeitscht und drohen das schwanke Gefäß zu zersprengen.

Jede Steigerung in dieser solipsistischen Richtung wäre Wahnsinn gewesen. Aber der Paroxysmus löst die Seele aus dem Krampfe. Gleichsam ein Ventil öffnet sich. Die ganze ungeheure Wucht dieser exaltierten und in subjektives Erleben komprimierten Gefühle ergießt sich in die Welt. Und solche Fülle ist in ihnen, daß alle Objekte aus ihnen ein erträumtes und mächtiges Leben gewinnen, daß gleichsam die ganze Welt dem Dichter durchflutet scheint von diesen schmerzlichen Erregungen und fiebernden Schauern. »Exalter la vie!« ist jetzt Verhaerens Bemühen, das ganze Leben mit Empfindungen zu durchtränken und sich selbst mitzuwerfen in diesen wirbelnden Strom der Allwelt. Die verhängnisvolle Fieberglut wird zu einer gesunden beseelenden Flamme, in deren Schein sich nun vielfältiges Leben spiegelt. Verhaeren projiziert sein eigenes Empfinden in erlesene symbolische Gestalten. Vorerst noch in einzelne. In den Büchern ›Les villages illusoires‹ und ›Les vignes de ma muraille‹ erfüllt er fremde Seelen mit den schmerzlichen und angstvollen Gefühlen der eigenen. Seine fieberische Angst ist es, die in der Gestalt des einsamen Schiffers bebt, der steuerlos in das mörderische Dunkel treibt, seine fieberische Erregung, die den Glöckner im brennenden Turme weithin ins Land die wahnsinnigen Glockenrufe schleudern läßt. Seine heiße Seele erschafft die grandiose Vision der Fischer, die an ihren schwarzen Netzen nur ihr eigenes Leid rastlos schleppen, sie erträumt den Sträfling, der all seinen Zorn in Arbeit umhämmert, den alten Müller, der einsam in seiner Mühle lebt, den Totengräber, die erschreckten Menschen der jäh aufflammenden Scheunen – dieses ganze Land grauer Regentage und leidenschaftbewegter Gestalten. Aber die fiebrige Kraft in ihm sehnt sich noch nach vielfacheren Belebungen, nach wilderen, größeren Gewalten. Die Horizonte wachsen unter der Wucht dieser aufschäumenden Gefühle. Nicht mehr der einzelne ist groß genug, daß sich diese wilde Seele in ihn ergießen könne, sondern nur die Vielheit befriedigt die Halluzinationen.

»[Comme une vague en des fleuves perdue,

Comme une aile effacée au fond de l’étendue,]

Engouffre-toi

Mon cœur, en ces foules battant les capitales

De leurs fureurs et de...


Zweig, Stefan
Stefan Zweig wurde am 28. November 1881 in Wien geboren und lebte ab 1919 in Salzburg, bevor er 1938 nach England, später in die USA und schließlich 1941 nach Brasilien emigrierte. Mit seinen Erzählungen und historischen Darstellungen erreichte er weltweit in Millionenpublikum. Zuletzt vollendete er seine Autobiographie ›Die Welt von Gestern‹ und die ›Schachnovelle‹. Am 23. Februar 1942 schied er zusammen mit seiner Frau 'aus freiem Willen und mit klaren Sinnen' aus dem Leben.

Stefan ZweigStefan Zweig wurde am 28. November 1881 in Wien geboren und lebte ab 1919 in Salzburg, bevor er 1938 nach England, später in die USA und schließlich 1941 nach Brasilien emigrierte. Mit seinen Erzählungen und historischen Darstellungen erreichte er weltweit in Millionenpublikum. Zuletzt vollendete er seine Autobiographie ›Die Welt von Gestern‹ und die ›Schachnovelle‹. Am 23. Februar 1942 schied er zusammen mit seiner Frau 'aus freiem Willen und mit klaren Sinnen' aus dem Leben.



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