E-Book, Deutsch, 144 Seiten
Zumbach / Gold / Rosebrock Digitales Lehren und Lernen
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-17-036573-5
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 144 Seiten
ISBN: 978-3-17-036573-5
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Digitale Technologien bestimmen unseren Alltag und entwickeln sich stetig weiter. So wird auch digitales Lehren und Lernen immer mehr zur Notwendigkeit und Praxis.
Dieses Buch skizziert anhand von zahlreichen Beispielen, wie digitales Lehren und Lernen erfolgreich gestaltet werden kann. Auf Basis des jeweiligen mediendidaktischen und lernpsychologischen Forschungsstandes werden Ansätze wie Lernen mit Multimedia, Simulationen, kooperatives Lernen über das Internet, Adaptivität und Interaktivität, erweiterte und virtuelle Realität sowie weitere Besonderheiten digitaler Lernangebote vorgestellt. Zentrales Anliegen ist es, einen Über- und Einblick in Vor- und Nachteile unterschiedlicher digitaler Lehr- und Lernformen zu geben.
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2 Interaktivität und Adaptivität
Interaktivität und Adaptivität sind zwei zentrale Eigenschaften, die digitale Medien im Vergleich zu analogen Medien für Lehr- und Lernzwecke interessant machen. Mit Interaktivität ist dabei das Potenzial gemeint, mit dem eine Software oder eine App auf Eingaben von Lernenden reagieren kann. Adaptivität beschreibt den Grad der Anpassung digitaler Medien an die Nutzenden. 2.1 Interaktivität
Die Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden gilt als zentrales lernförderliches Element: Durch Informationsvermittlung und Rückmeldung entsteht ein Lernprozess, der dialogisch sowohl die Lernenden als auch die Lehrenden informiert und motiviert. Diese Art der Interaktion ist nicht allein auf die Präsenzlehre beschränkt, sondern kann auf beliebige Kommunikationsweisen erfolgen, also auch computervermittelt in Online-Kursen oder durch soziale Medien. Die Analyse von Hattie (2008, 2012) zeigt für den schulischen Bereich, dass gerade die Rückmeldung von Lehrenden an Lernende zu den zehn einflussreichsten Faktoren für erfolgreiches (schulisches) Lernen gehört (mit einer durchschnittlichen Effektstärke von d = 0,79). Im Bereich digitaler Medien bezeichnet die Interaktivität das Potenzial bzw. die Möglichkeit, mit dem Medium selbst in Interaktion zu treten. Nutzende machen demnach eine Eingabe (via Tastatur, Gestensteuerung, Berührung, Sprache etc.; vgl. Karpov & Yusupov, 2018), auf die das jeweilige Medium reagiert. Im Bereich der Lernmedien übernehmen je nach Gestaltung der Lernumgebung die Medien selbst die Lehrfunktion (z. B. durch Lernsoftware). Interaktivität lässt sich hier allgemein als Eigenschaft des Mediums verstehen, die Nutzenden Eingriffs- und Steuermöglichkeiten eröffnet. Aufbauend auf dieser grundlegenden Definition findet sich mittlerweile eine Vielzahl von Beschreibungen und Kategorien, in denen Interaktivität in unterschiedlichen Szenarien beschrieben und klassifiziert wird. Viele solcher Ansätze kommen dabei aus dem Bereich der Human-Computer-Interaction-Forschung (HCI; vgl. Dahm, 2006). In der Tat sind das Design von Software oder Apps, insbesondere das des Interfaces, und die Gestaltung möglicher Interaktionen untrennbar miteinander verbunden (Strzebkowski & Kleeberg, 2002): Ein interaktives Geschehen ermöglicht erst die Gestaltung verschiedener Manipulationsmöglichkeiten durch Nutzende (im spezifischen Fall: durch Lernende) auf Interfaceebene. Durch den Wechsel zwischen den (Re-)Aktionen seitens der Lernenden und den (Re-)Aktionen seitens des Programms entsteht letztlich das, was als Interaktivität zu verstehen ist. Digitale Lernmedien enthalten eine Vielzahl möglicher Aktivitäten, die Lernende ausführen können. Strzebkowski und Kleeberg (2002) unterteilen diese Aktivitäten in sechs Bereiche: 1. Lernumgebungs-Aktivitäten: Hierzu zählt u. a. die Wahl einer Lernstrategie, wie etwa das Sammeln von Informationen, das Speichern oder Öffnen von Dateien oder das Aufrufen der Hilfefunktion. Diese Aktivitäten stehen auf einer übergeordneten Ebene, die sich durch die nachfolgenden Aktivitäts-Dimensionen weiter eingrenzen lässt. 2. Navigations- und Dialogfunktionen: In diesen Bereich fallen alle Aktionen, mit denen sich Lernende innerhalb einer Lernumgebung bewegen, so etwa das Einschlagen bestimmter Lernpfade, das Stöbern nach Informationen innerhalb eines Informationsarchivs, das Abrufen kontextspezifischer Hilfen etc. 3. Aktivitäten bei der Informationspräsentation: Zu dieser Kategorie zählt z. B. die Wahl einer bevorzugten Präsentationsform, wie Text, Bild, Audio, Video, oder die Wahl der Variablen einer Präsentation, wie Lautstärke und Geschwindigkeit. 4. Aktivitäten, mit denen die präsentierten Inhalte bearbeitet werden können: Dies umfasst etwa das Markieren bestimmter Stellen durch Lesezeichen, den Export von Informationen oder das Markieren von Stellen in audiovisuellen Präsentationsformaten. 5. Die Bearbeitung der Datenbasis eines Lernprogramms: Darunter fällt das Verändern, Hinzufügen oder Löschen von Informationen bzw. von deren Verknüpfungen. 6. Aktivitäten der Anwendung und des Transfers von Gelerntem: Als eine weitere Ebene betrachten Strzebkowski und Kleeberg (2002) außerdem solche Aktivitäten, bei denen beispielsweise das Wissen überprüft werden kann, etwa durch das Ergänzen von Informationen oder das Bedienen von Simulationen. Insgesamt zeigen diese Ebenen und die dabei exemplarisch geschilderten Beispiele ein breites Spektrum dessen, was innerhalb digitaler Lernmedien an Interaktivität ermöglicht werden kann. Allerdings sind diese Dimensionen noch weitgehend an technischen Kriterien orientiert, welche eher indirekt denn tatsächlich in direkter, didaktisch geplanter Form Einfluss auf den Aufbau von Wissensstrukturen nehmen. Entsprechend vage sind die Auswirkungen der geschilderten Aktivitäten hinsichtlich der Gestaltung digitaler Lernumgebungen. Einen eher praktisch orientierten Zugang zur Beschreibung von Interaktivität bzw. des Ausmaßes der Interaktion von Lernenden und Medium wählt Haak (2002). Auf der »untersten Ebene« steht die implizite Interaktion (»covert interaction«) von Lernenden mit einem Instruktionsmedium, die sich als passive Rezeption der Lerninhalte durch Lernende charakterisieren lässt. In aller Regel erfolgt diese in einer durch AutorInnen festgelegten Reihenfolgen (etwa Seite für Seite beim Lesen eines Buches oder beim Betrachten einer Präsentation). Eine stufenweise Erweiterung ergibt sich durch zunehmende Entscheidungs- und Navigationsfreiheiten, die Lernenden zur Verfügung stehen (vgl. auch Hannafin & Peck, 1988): • Der lernendengesteuerte Zugriff auf Informationen und deren Sequenz: Dazu gehören die freie Informationsauswahl sowie das Blättern, Suchen und Zugreifen bezüglich der gewünschten Informationen. • Die interaktive Zugriffsform, basierend auf einfachen Rückmeldemechanismen: Hierzu zählt die Verfügbarkeit einer verzweigten Navigation, bei der verschiedene Navigationsmöglichkeiten zur Auswahl stehen, die zu unterschiedlichen Informationen führen. Darüber hinaus sind in dieser Rubrik Multiple-Choice-Fragen anzusiedeln, deren Beantwortung ein Feedback des Lernprogramms an Lernende nach sich zieht. • Die direkte Manipulation von Informationen: Diese umfasst das Markieren bestimmter Abschnitte, Passagen, oder den Vermerk von Zusatzinformationen. • Der Austausch mit einem Lernprogramm unter Einbezug einer automatisierten inhaltlichen Auswertung der Eingaben Lernender: Letztere erfolgt in der Regel durch die Repräsentation einer Wissensbasis in einem Lernprogramm und den kontinuierlichen Vergleich mit der individuellen Wissensstruktur der Lernenden. Dadurch wird ein sokratischer Dialog ermöglicht, bei dem ein Intelligentes Tutorielles System (ITS) beispielsweise Fehleranalysen durchführen kann und gezielt Hinweise zur Förderung bzw. Überwindung von Misskonzeptionen gibt. • Der freie, ungebundene Dialog mit anderen Lernenden oder Lehrenden: Dieser erfolgt gewöhnlich durch die Nutzung computervermittelter Kommunikation (z. B. über soziale Netzwerke oder Lernplattformen). Diese Grundformen stellen keine exklusiven Kategorien dar, sondern können vielmehr in Lernumgebungen miteinander kombiniert werden. Auch hinsichtlich der technischen Gestaltung von Interaktion gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten: Diese reichen von einfachen, »klassischen« Eingabemöglichkeiten mittels Tastatur und Maus über tangible Oberflächen (z. B. bei Smartphones und Tablets), Sprachsteuerung (z. B. bei Apples »Siri« oder Amazons »Alexa«) und Gebärdenerkennung (z. B. »Xbox Kinect«) bis hin zu anderen Zugängen wie Tonhöhen- bzw. -längenerkennung (z. B. bei »UltraStar«), Elektroenzephalogramm-Steuerung etc. (vgl. z. B. Evans & Rick, 2014; Karpov & Yusupov, 2018). Zusammenfassend zeigt sich, dass es durchaus unterschiedliche Zugänge und Möglichkeiten zur Gestaltung von Interaktivität gibt. Interaktivität umfasst verschiedene Dimensionen instruktioneller Software. Diese erstrecken sich von technischen bis hin zu didaktischen Interaktionen, wobei beide untrennbar miteinander verbunden sind. Auf die Frage nach einer Definition für didaktische Interaktivität bleibt festzuhalten: Es sind die verschiedensten Möglichkeiten der gegenseitigen Beeinflussung zwischen...