Zuckermann | Kunst und Publikum | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Zuckermann Kunst und Publikum

Das Kunstwerk im Zeitalter seiner gesellschaftlichen Hintergehbarkeit
1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-8353-0683-7
Verlag: Wallstein
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection

Das Kunstwerk im Zeitalter seiner gesellschaftlichen Hintergehbarkeit

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

ISBN: 978-3-8353-0683-7
Verlag: Wallstein
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In der Moderne lassen sich zwei Achsen eines grundlegenden Widerspruchs im Verhältnis von Kunst und Gesellschaft ausmachen. Moshe Zuckermann geht der Frage nach, welche Bedeutung die in der klassischen Romantik geforderte Autonomie der Kunst im Zeitalter einer zunehmenden Institutionalisierung von Kunst noch haben kann. Darüber hinaus untersucht er, weshalb ein in der Gegenwart mit Hochgenuß rezipiertes Werk Bachs als gegenwärtige Kunst mit der Begründung abgelehnt wird, daß die Bachschen Stil- und Ausdrucksmittel nicht mehr die gegenwärtigen - 'die unseren' - sein können. Was macht die Rezeption des historischen Bach in der Jetztzeit akzeptabel, das ihn zugleich als Ausdruck der Jetztzeit verbietet? Beide Problemstellungen sind zwar nicht ursächlich miteinander verknüpft, gehören aber doch in den gleichen Diskurszusammenhang. Bei der Erörterung der Fragen werden Themenkomplexe wie 'Moderne, Aufklärung und bürgerliche Gesellschaft', 'Kunst und das Politische', 'Das Problem des Gesamtkunstwerks', 'Kunstautonomie im Zeitalter der kulturellen Postmoderne' sowie 'Aspekte hoher und niedriger Kultur' anvisiert. Die Vorstellung von kunstsoziologischen Denkern wie Theodor W. Adorno, Walter Benjamin, Umberto Eco und Pierre Bourdieu liefert dabei das theoretische Begriffsinstrumentarium und bildet einen Abriß des über diese Fragestellungen seit Jahrzehnten herrschenden Diskurses.

Moshe Zuckermann, geb. 1949, ist Professor am Cohn Institute for the History and Philosophy of the Sciences and Ideas der Universität Tel Aviv. 2000-2005 leitete er zudem das Minerva Institut für deutsche Geschichte in Tel Aviv. Schwerpunkte seiner zahlreichen Veröffentlichungen sind der Holocaustdiskurs in Deutschland und Israel, Probleme der politischen Kultur in Israel, Themen der Geschichte der Sozialwissenschaften sowie der Kultur- und Kunstsoziologie.
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Autoren/Hrsg.


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1;Inhalt;5
2;Vorwort;7
3;Einleitung;10
4;Kunstsoziologische Denker;31
4.1;Theodor W. Adorno;32
4.2;Walter Benjamin;37
4.3;Umberto Eco;43
4.4;Pierre Bourdieu;52
5;Kunst und das Politische;63
6;Das Gesamtkunstwerk;85
7;Kunstautonomie im Zeitalter der Postmoderne;103
8;Drei Zeitungsnotizen;123
9;Aspekte "hoher" und "niedriger" Kultur;138
10;Kein Schlußwort;158
11;Register;185


(S. 10)

Das Reden über Kunst barg von jeher etwas Paradoxes in sich. Je tiefer und verstiegener sich die Versuche gestalten, das Wesen von Kunst begrifflich zu bestimmen, desto deutlicher trat zutage, wie sehr das Begriffliche dem Wesen der Kunst fremd ist. Sosehr der Begriff für jegliche Bewußtwerdung unabdingbar ist – es gibt eben, zumindest in der westlichen Tradition, kein begriffloses Bewußtsein –, vermag er das der Kunst innewohnende Begrifflose nicht zu erfassen.

Ob als unbeschreibbares Erleben oder eben kunstspezifisch als die sogenannte ästhetische Erfahrung, Kunst eignet – in ihrer klassischromantischen Auffassung zumal – stets ein Moment von Unbegrifflichem, und zwar gerade weil sie in ihren großen Momenten eine Dimension von nicht vollends Begreifbarem enthält. Anders ausgedrückt: Kunst entzieht sich der Definition, weil das Medium der Definition, der Begriff, etwas Wesenhaftes an der Kunst zwangsläufig nicht erfaßt.

Dieses spezifisch Unbestimmbare an der Kunst macht u.a. das aus, was man als Kunst-Autonomie zu apostrophieren pflegte. Gemeint war in allererster Linie die Immanenz der Kunst, mithin der Selbstzweckcharakter wahrer Kunstpraxis. Kunst sollte durch keinerlei fremdbestimmte Ziele und Zwecke motiviert sein, keiner heteronomen Bestimmung unterworfen werden. Sosehr das Postulat des l’art pour l’art in einer bestimmten Phase des 19. Jahrhunderts zunehmend fetischisiert und ideologisiert wurde,1 meinte es doch im Ursprung das Kunstimmanente: Indem Kunst um der Kunst willen gemacht wird, läßt sich das ihr Eigene nur aus ihrem inneren (formalen) Aufbau und der diesem zugrunde liegenden eigentümlichen Logik erschließen.

Alle Auslegung und Bedeutung, die der Kunst »von außen « zugetragen wird, verstößt, so besehen, gegen die Forderung, Kunst von ihrem Innern her zu rezipieren. Nun ist Kunst aber auch eine gesellschaftliche Institution. Dies liegt schon darin begründet, daß sie von jeher auf Rezeption angewiesen war.

Ob man dabei den von Walter Benjamin so benannten Kult- oder den ihm dichotom entgegengesetzten Ausstellungswert im Auge hat, spielt zunächst eine geringe Rolle: Sowohl als magisches bzw. religiöses Kultobjekt als auch als das von funktionaler Zuord-nung emanzipierte Objekt rein ästhetischer Wahrnehmung bedurfte Kunst stets des schauenden Auges, des hörenden Ohrs – der Wahrnehmung. Daß Kunst darüber hinaus im gesellschaftlichen Produktionsprozeß eingebettet ist, ein soziales Wirkungsfeld und ihre außerkünstlerisch fundierten Organisationsformen hat, soll im weiteren noch bedacht werden.

Im hier erörterten Zusammenhang gilt es zunächst festzuhalten, daß allein die Gegenüberstellung des Autonomiepostulats und der realen Unabkömmlichkeit von Rezeption auf ein grundlegendes Spannungsmoment verweist, welches Kunst tendenziell eine Dimension der Aporie verleiht. Zu fragen wäre freilich, ob es sich bei diesen einleitenden Aussagen nicht um einen verengten Begriff von Kunst handelt.

Gibt es nicht genügend Kulturen in der Welt, bei denen Kunst für außerkünstlerische Belange vereinnahmt wird bzw. sich mit diesen so sehr vermengt hat, daß Termini wie »außerkünstlerische Belange« und »vereinnahmt« inadäquat erscheinen mögen, Kulturen, bei denen Kunst ganz und gar in den Alltag integriert, die Klassifikation von »hoch« und »niedrig« unbekannt ist, der Begriff der Kunstautonomie sich mithin als mehr oder minder irrelevant ausnimmt?

In der Tat handelt es sich bei den vorliegenden Erörterungen um einen vorwiegend westlichen Diskurs. Dies nicht nur deshalb, weil sich in ihm nun mal der Begriff der Kunstautonomie prägnant herausgebildet hat, sondern weil das gesamte Denken über das diffizile Verhältnis von Kunst und Gesellschaft ein spezifisch westliches ist, ein Diskurs eben, der mit dem wohl eigentümlichsten Spezifikum der westlichen Zivilisation einherging: der Moderne.


Zuckermann, Moshe
Moshe Zuckermann, geb. 1949, ist Professor am Cohn Institute for the History and Philosophy of the Sciences and Ideas der Universität Tel Aviv. 2000-2005 leitete er zudem das Minerva Institut für deutsche Geschichte in Tel Aviv. Schwerpunkte seiner zahlreichen Veröffentlichungen sind der Holocaustdiskurs in Deutschland und Israel, Probleme der politischen Kultur in Israel, Themen der Geschichte der Sozialwissenschaften sowie der Kultur- und Kunstsoziologie.
Veröffentlichungen u.a.: »Das Trauma des ›Königsmordes‹. Französische Revolution und deutsche Geschichtsschreibung im Vormärz« (1989), »Gedenken und Kulturindustrie« (1999), »Zweierlei Israel« (2003).



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