E-Book, Deutsch, 192 Seiten
Zimmermann Freche Mädchen – freche Bücher!: Casting, Chaos, Lampenfieber
14001. Auflage 2014
ISBN: 978-3-522-65237-7
Verlag: Planet! in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 192 Seiten
Reihe: Freche Mädchen ? freche Bücher!
ISBN: 978-3-522-65237-7
Verlag: Planet! in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Irene Zimmermann lebt in Baden-Baden und ist seit den neunziger Jahren erfolgreich auf dem Kinder- und Jugendbuchmarkt vertreten, zuerst mit Kinderkrimis, dann in der Kultserie 'Freche Mädchen - freche Bücher!', in der sie diverse Bestseller schrieb. Viele ihrer Bücher wurden übersetzt, u.a. ins Türkische, Italienische und Chinesische, insgesamt in 14 Sprachen.
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Wie schaffe
ich es, unsichtbar zu werden? Wie schaffe ich es bloß, Lukas aus meinem Kopf zu kriegen? Wenigstens für ein paar Minuten …
Einen Augenblick lang überlege ich noch, bevor ich den Stift beiseitelege. Ich stopfe mir ein Kissen in den Rücken, ziehe die Bettdecke hoch und blättere dann erst einmal eine Seite zurück in meinem Tagebuch, wo ich natürlich sofort auf seinen Namen stoße – in riesengroßen Buchstaben und mit goldfarbenen und roten Herzchen verziert. Ich verbiete mir aber nochmals nachzulesen, von wem ich gestern geträumt habe – natürlich von Lukas. Wie könnte es auch anders sein? Ich träume ja nur noch von ihm. Höchste Zeit, dass ich endlich in der Wirklichkeit ankomme. Die hat gerade ziemlich viele Dezibel und hört sich reichlich nervig an. Und deshalb schreibe ich:
Wie schaffe ich es wenigstens, dass Jenny nicht den ganzen Vormittag dieselbe Arie schmettert?
Ich weiß, meine Mutter probt für eine wahnsinnig wichtige Opernaufführung, aber hier im Haus wohnen schließlich noch andere Leute – seit Kurzem auch ich wieder, nur mal so zum Beispiel – und in der Wohnung zwei Etagen unter uns … Womit ich schon wieder bei Lukas wäre! Ich habe immer noch nicht herausbekommen, wie lange er bereits hier wohnt, aber das ist ja auch egal. Tatsache ist, dass ich jeden Tag an seiner Wohnungstür vorbeihuschen muss, auf Zehenspitzen, mit angehaltenem Atem und heftigstem Herzklopfen. Denn Lukas darf ich auf keinen Fall begegnen. Auf gar keinen Fall! Obwohl ich mir andererseits nichts sehnlicher wünsche. Ich schließe die Augen.
Schluss jetzt mit diesen Träumen!, befehle ich mir und klappe entschlossen mein Tagebuch zu. Gerade noch rechtzeitig, denn Jenny klopft zwar (was sie »anklopfen« nennt: nur mal so mit zwei Fingern lässig gegen die Tür getippt), aber dann steht sie auch schon mitten im Zimmer und sieht mich erstaunt an.
»Carlotta? Hast du denn heute keine Schule?«
»Aber Mama«, erwidere ich mit ein klein wenig Tadel in der Stimme, »das hab ich dir doch schon gestern erklärt. Bei uns in der Schule gibt es Läuse und deshalb haben wir jetzt drei Tage Extraferien.«
Sie strahlt mich an. »Natürlich, es war mir nur in der Sekunde entfallen. Carlotta, das ist ja wunderschön. Ich meine natürlich nicht die Läuse, sondern dass du frei hast. Da könnten wir ja endlich mal etwas zusammen unternehmen. Vorher habe ich aber noch eine Bitte.«
Misstrauisch schaue ich hoch. »Und die wäre?«
»Nenn mich nicht immer Mama, vor allem nicht, wenn andere Leute dabei sind. Ich fühle mich sonst gleich so entsetzlich alt.« Und schon hat sie sich neben mich auf die Bettkante gesetzt und stößt mich kichernd an. »Wir sind doch eher wie zwei Schwestern. Findest du nicht?«
Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass eine Schwester – wenn ich denn eine hätte – dauernd auf Schwester und beste Freundin machen würde, aber weil Jenny mich erwartungsvoll anschaut, nicke ich schließlich. »Von mir aus, geht schon in Ordnung. Und was wollen wir jetzt unternehmen?«
Sie runzelt die Stirn. »Zoo vielleicht?«
Ich verkneife mir jeglichen Kommentar. Jenny könnte wirklich so langsam mitbekommen haben, dass sie eine erwachsene Tochter hat, na ja, eine ziemlich erwachsene jedenfalls. Mit mir in den Zoo gehen zu wollen, ist wie … Mir fällt kein passender Vergleich ein, so unterirdisch schlecht ist dieser Vorschlag.
»Oder lieber Radtour?«
Wortlos deute ich zum Fenster. Es regnet bestimmt schon seit Stunden, der Himmel ist grau und verhangen und nicht einmal Chris, mit dem ich bis vor vier Wochen noch zusammen war, würde bei diesem Wetter Rad fahren (dabei ist er übrigens der absolute Radfreak). Ich schüttle den Kopf und Jenny sieht mich fragend an.
»Dann sag du doch mal«, meint sie. »Was willst du denn gerne?«
Was ich gern will? … Mir fällt ein, was ich in mein Tagebuch geschrieben habe, aber das würde ich Jenny natürlich niemals erzählen. Erstens, weil es kindisch ist, unsichtbar sein zu wollen, zweitens, weil meine Mutter sich überhaupt nicht vorstellen kann, dass ich mich verliebe. Für sie war schon mein erster Freund Jannis nichts anderes als eine Art Sandkastenschwärmerei und Chris ebenso. Ich seufze …
Jenny ist aufgesprungen. »Weißt du was?«, ruft sie. »Ich habe eine grandiose Idee und die passt auch genau zu diesem Sauwetter! Was hältst du davon, wenn wir … Nein, ich sag es nicht. Rate, was mir eben eingefallen ist!«
»Och nee! Mach’s bloß nicht so spannend.«
»Was hältst du davon, wenn wir die Wohnung streichen?«
»Die Wohnung …? Streichen …?«
»Ehrlich gesagt, ich wollte das schon die ganze Zeit erledigen. Aber jetzt, wo wir so schön zu zweit sind, macht es doch wesentlich mehr Spaß und anders als bei einer Radtour haben wir hinterher auch noch viel Freude daran. Welche Farbe hättest du denn gern für dein Zimmer? Rosa vielleicht? Aber sicher doch! Alle Mädchen lieben Rosa.«
Weiter kommt sie nicht, denn zum Glück klingelt in diesem Moment das Telefon und meine Mutter tänzelt in den Flur hinaus.
»Tür zu, bitte!«, rufe ich ihr hinterher. Hätte ich mir aber auch sparen können. Mir bleibt nichts anderes übrig, als selber zur Tür zu gehen, und wenn ich schon mal aufgestanden bin, könnte ich eigentlich auch gleich aufbleiben, Regen hin oder her. Unschlüssig stehe ich da, als Jenny schon wieder ins Zimmer schwirrt.
»Rosa wäre aber wirklich nicht schlecht, oder?«
Ich lasse mich rücklings aufs Bett fallen und starre an die Decke. Meine Laune ist nämlich zurzeit wirklich nicht die allerbeste, was auch damit zusammenhängt, dass mein Vater und Natascha – seine neue Frau, meine Ersatzmutter sozusagen – mich seit letzter Woche einfach ausquartiert haben. Okay, ausquartiert klingt vielleicht ein bisschen hart. Ich sehe ja ein, dass ich nicht ganz allein in dem großen Haus bleiben kann, während Natascha auf Tournee ist (sie ist Schauspielerin) und mein Vater im Ausland seine Maschinen verkauft, in China, in Ungarn, was weiß ich. Und natürlich war auch ausgemacht, dass ich in solchen Fällen für eine Weile wieder zu meiner Mutter ziehe, schließlich bin ich trotz der Scheidung immer noch ihr Kind, und ich hab sie ja auch sehr gern. Aber – und das ist das Entscheidende – zwei Stockwerke unter Jenny wohnt neuerdings Lukas, und ich habe jede Menge Mühe, ihn von meinem Radar zu kriegen. Doch anstatt das auch nur ansatzweise zu schaffen, sehe ich schon wieder sein Gesicht vor mir, mit diesen strahlend blauen Augen, wie er mich damals anlächelte und bei mir das Chaos im Kopf und vor allem im Herzen auslöste.
»Carlotta, wir sollten am besten gleich loslegen!«, höre ich da meine Mutter rufen. Sie sprüht förmlich vor lauter Unternehmungsgeist. »Wenn wir Rosa für dein Zimmer nehmen, könnten wir das Wohnzimmer gelb streichen. Das wirkt so schön sonnig. Und die Diele grün, angeblich ist Grün ja so beruhigend. Hat auch den Vorteil, dass wir diese Farben sozusagen streichfertig noch im Keller haben.«
»Von mir aus«, murmle ich.
Vielleicht ist die Idee doch nicht so schlecht, vielleicht komme ich so ja auf andere Gedanken. Doch als Jenny gleich darauf verlangt, dass ich in den Keller gehe, um Farbeimer und Malersachen zu holen, ist es schon wieder aus und vorbei mit meiner Begeisterung. »Nee, muss das denn sein?«
Jenny mustert mich ratlos. »Was ist nur los mit dir? Probleme in der Schule? Nein? … Warum meldet sich eigentlich dieser Junge nicht mehr, wie hieß er noch mal? … Chris?«
»Bin schon unterwegs!«, rufe ich, bevor gleich wieder eine Mutter-Tochter-Diskussion losgeht, und schnappe mir beim Hinausrennen den Kellerschlüssel. Ich lausche ins Treppenhaus – alles still, zum Glück – dann rase ich los und in neuer Rekordzeit stehe ich vor unserem Kellerabteil.
Sind da nicht plötzlich Stimmen im Hausflur zu hören? Kommt womöglich gleich jemand in den Keller und ist dieser Jemand womöglich Lukas, der vielleicht sein Rad holen will? Voller Panik knipse ich das Licht aus, halte den Atem an und lausche angespannt. Die schwere Eingangstür fällt ins Schloss, in der Waschküche nebenan tropft ein Wasserhahn, aber ansonsten ist es wieder still.
Fehlalarm, beruhige ich mich; trotzdem zittern meine Finger gewaltig, als ich nach dem Lichtschalter taste und dann das Schloss zu unserem Kellerabteil öffne. Leider hat Jenny mit keinem Wort erwähnt, dass hier unten jede Menge Farbeimer herumstehen. Vergeblich versuche ich, die Aufschriften zu entziffern, doch da ist nichts mehr zu lesen. Jetzt könnte ich natürlich jeden einzelnen Deckel hochheben und nachschauen, aber dazu habe ich eigentlich wenig Lust. Denn wie ich mein Glück kenne, taucht Lukas tatsächlich noch hier auf. Nein, denke ich, das Risiko gehe ich keinesfalls ein.
Und so greife ich also nach den beiden Eimern, die mir am wahrscheinlichsten erscheinen (an dem einen kann man mit...