E-Book, Deutsch, 276 Seiten
Zimmer Abenteuer Bundestag
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7568-9501-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Zwölf Jahre im Maschinenraum der Demokratie
E-Book, Deutsch, 276 Seiten
ISBN: 978-3-7568-9501-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Zwölf Jahre Deutscher Bundestag -- davon berichtet diese Erinnerungen anschaulich und augenzwinkernd. Es geht dem Autor um die normalen Abläufe im Deutschen Bundestag, um die menschliche Seite, immer auch mit einer Prise persönlicher Wertung. So bietet dieses Buch einen kleinen Blick hinter die Kulissen dessen, was uns über die Medien als Haupt- und Staatsaktionen präsentiert werden: Menschlich, nicht frei von gelegentlichen Eitelkeiten der Akteure, aber auch mit Bewunderung für diejenigen, die sich ganz dem Gemeinwohl verschrieben haben.
Dr. Matthias Zimmer, Jahrgang 1961, Honorarprofessor an der Universität zu Köln, war von 2009 bis 2021 direkt gewählter Abgeordneter im Deutschen Bundestag im Wahlkreis Frankfurt am Main I (Wahlkreis 182).
Autoren/Hrsg.
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1. Vorwort
Der leider viel zu früh verstorbene Publizist Roger Willemsen hat 2014 ein Buch veröffentlicht mit dem Titel: Das Hohe Haus. Ein Jahr im Parlament.1 Er hatte, unbemerkt von allen, ein Jahr lang auf der Besuchertribüne die Debatten des Deutschen Bundestages verfolgt. Ergebnis war ein höchst unterhaltsames Buch, das zu Recht zu einem Verkaufsschlager wurde. Auch ich habe es mit großem Vergnügen gelesen. Allerdings hatte es einen kleinen Schönheitsfehler. Es hat die Arbeit des Bundestages ausschließlich aus der Brille der parlamentarischen Debatten beurteilt. Der Deutsche Bundestag ist aber viel mehr. Es ist zunächst ein Verfassungsorgan. Das spiegelt auch der Titel des Buches von Willemsen wider, wenn er, ganz unironisch, von dem Hohen Haus spricht. Nach unserer Verfassung, dem Grundgesetz, ist das Volk der Souverän, also der oberste Gesetzgeber. Die Souveränität wird in Wahlen und Abstimmungen wahrgenommen. Eine davon ist die Wahl zum Deutschen Bundestag. Die dann Gewählten sind, so steht es im Grundgesetz, Abgeordnete des gesamten deutschen Volkes und an Weisungen und Aufträge nicht gebunden. Sie sind also nicht nur Abgeordnete ihres Wahlkreises. Das ist sicherlich in der Praxis auch so. Aber die Väter und Mütter des Grundgesetzes wollten deutlich machen: Als Abgeordnete seid ihr dem großen Ganzen verpflichtet und nicht den Interessen eures Wahlkreises. Ein altertümliches Wort dafür ist der Begriff des Gemeinwohls. Abgeordnete sollen dem Gemeinwohl verpflichtet sein. Nicht den organisierten Interessen, nicht (das ist sogar strafbar) jemandem, der dem Abgeordneten für eine Entscheidung Geld gibt. Sondern dem Gemeinwohl. Das und die verfassungsrechtliche Stellung des Deutschen Bundestages als Ausdruck der Souveränität des Volkes begründet den Ehrentitel »Das Hohe Haus«. Das wird auch deutlich, wenn man die Frage nach den höchsten Repräsentanten des Staates stellt. In der Bundesrepublik Deutschland ist der Bundespräsident der höchste Repräsentant. Er wird gewählt von der Bundesversammlung, einem besonderen Organ, das nur zur Wahl des Bundespräsidenten zusammentritt. Es besteht zu einer Hälfte aus allen Mitgliedern des Deutschen Bundestages, zur anderen Hälfte aus gewählten Vertretern der Landtage in Deutschland. Eine solche Wahl ist immer etwas Bedeutsames. Sie steht symbolisch für den föderalen Aufbau der Bundesrepublik: Bund und Länder wählen gemeinsam das Staatsoberhaupt. Der Bundespräsident hat also auch deshalb eine besondere Stellung, weil er die Legitimität des Bundes- und der Ländervertreter des deutschen Volkes hinter sich weiß. Ein starkes Signal der parlamentarischen Demokratie, wie ich finde! Der Stellvertreter des Bundespräsidenten ist der Präsident des Deutschen Bundestages. Erst an Platz drei der protokollarischen Rangfolge kommt der Bundeskanzler. Das liegt daran, dass ein Bundeskanzler eine abgeleitete Autorität hat: Er wird nämlich vom Deutschen Bundestag gewählt und braucht für politische Entscheidungen eine Mehrheit im Deutschen Bundestag. Auch das spiegelt die besondere Stellung des Deutschen Bundestages, vergleicht man ihn etwa mit der französischen Assemblee Nationale oder dem US-amerikanischen Kongress. Der Bundestag ist aber mehr als das. Er ist eine Institution, in der viele Teile zusammenwirken: Ausschüsse, Fraktionen, Arbeitsgruppen, die Verwaltung und vieles mehr. Für das parlamentarische Verfahren gibt sich der Bundestag eine eigene Geschäftsordnung. Damit werden viele mögliche Streitfragen im Vorhinein entschärft. Jeder, der selbst in einem Verein tätig ist, kann davon berichten, wie wichtig das ist. Es bleiben, auch auf der Verfahrensebene, noch genügend strittige Fragen, die notfalls durch Mehrheit entschieden werden müssen. Der Bundestag ist Arbeitgeber. Jeder Abgeordnete hat einige Mitarbeiter, die aus einem festen Budget bezahlt werden, das der Deutsche Bundestag zur Verfügung stellt. Daneben gibt es die Mitarbeiter der Fraktionen, und dann schließlich die vielen Mitarbeiter der Verwaltung. Die Gesamtanzahl der Mitarbeiter schwankt natürlich, weil sie auch abhängig ist von der Anzahl der Abgeordneten. Aber als Faustregel habe ich immer festgehalten, dass auf einen Abgeordneten etwa acht Mitarbeiter kommen, sowohl in den Abgeordnetenbüros, den Fraktionen und der Verwaltung. Also, grobe Messzahl: Bei 700 Abgeordneten etwa 5600 Mitarbeiter, die der Deutsche Bundestag beschäftigt. Eine Art großer mittelständischer Betrieb also, ziemlich weit entfernt von den Arbeitnehmerzahlen deutscher Großkonzerne. Und dann ist der Deutsche Bundestag auch die Summe der Personen, die dort arbeiten. Vor allem der Parlamentarier. Alle vier Jahre werden neue Persönlichkeiten in den Deutschen Bundestag gespült, andere kommen wieder, einige hören auf, freiwillig oder unfreiwillig; das ist Demokratie. Sie kommen in Berlin zusammen mit sehr unterschiedlichen Erfahrungen, Prägungen, Ideen, Hoffnungen. Manche sind ehrgeizig, manche opportunistisch, manche haben ein Projekt. Sie kommen aus den unterschiedlichsten sozialen Zusammenhängen. Freilich, ein getreues Abbild des deutschen Volkes sind die Parlamentarier nicht. Es überwiegen Männer und es überwiegen Akademiker. Ansonsten aber gilt: Die Mitglieder des Deutschen Bundestages sind nicht vom Volk unterschieden, sondern nur durch das Volk. Das ist ein wichtiger Unterschied. Zum einen mag es den einzelnen Abgeordneten ein wenig demütig machen, dass er ein Mandat auf Zeit hat und die Wahl nicht bedeutet, dass man nun gewissermaßen einen Adelstitel verliehen bekommen hat. Zum anderen sei das aber auch gegen die häufig zu hörende Anfeindung gesagt, »die da oben« seien ja fürchterlich abgehoben und lebten in ihrer eigenen Blase. Nein, so ist es nicht: Die Abgeordneten führen auch ein ganz normales Leben, haben Familie und nehmen an vielen allen Sorgen und Nöten teil, die das Leben so zu bieten hat: Schlechte Noten der Kinder, Krankheiten, Pflegebedürftigkeit in der Familie, Ärger mit Behörden, mit Handwerkern, um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Richtig ist aber auch: Finanzielle Sorgen gehören nicht dazu, zumindest nicht während der Zeit im Bundestag. Die Tätigkeit als Abgeordneter ist recht gut bezahlt, schon um keinen Anreiz zu liefern, käuflich zu sein. Die Diäten sichern die Unabhängigkeit des Abgeordneten. Es gibt immer schwarze Schafe, das ist richtig: Aber nicht aus materieller Not, sondern aus Gier. Dagegen helfen auch noch so hohe Diäten nicht. Am Ende ist es, wie so häufig, eine Frage des Charakters. Und Menschen, die weniger charakterfest sind, gibt es überall. Auch im Deutschen Bundestag. Nach meiner Beobachtung aber weniger häufig. Nicht, weil die Wahl schon eine Charakterprüfung wäre, aber doch eher, weil man sich auf Dauer in der Politik nur halten kann, wenn man nicht allzu offensichtlich ein Lump ist. All das ist der Bundestag auch. Hinzu kommt natürlich noch das Ergebnis der Arbeit: Viele Gesetze, tausende Drucksachen pro Legislaturperiode, Berichte, Anfragen, Protokolle, eine wahre Leseflut demokratischer Vorgänge. Über diese will ich weniger berichten, aber mehr über einen Blick hinter die Kulissen. Wie das Zusammenspiel der unterschiedlichen Gremien im Bundestag funktioniert, wo es menschelt, wie es zu Konflikten kommt und vieles mehr. Ich stütze mich dabei auf eine lange Erfahrung als Parlamentarier. Und ich will kein Sachbuch vorlegen, sondern eine sehr persönlich gefärbte Schilderung der Erfahrungen, die ich machen durfte. Den Werturteilen wird mancher widersprechen wollen, und das ist in Ordnung. Ich habe mich davon leiten lassen, positive Beispiele besonders und namentlich hervorzuheben, die negativen Beispiele aber eher unter Ausklammerung persönlicher Kritik vorzutragen – mit der Ausnahme jener Fälle, die öffentlich bereits diskutiert worden sind. Der Leser, der ein Enthüllungsbuch erwartet, wird deshalb gut daran tun, dieses Buch gleich wieder zur Seite zu legen; diese Erwartung kann ich nicht erfüllen. Der Leser, der allerdings einen Einblick bekommen möchte, wie es hinter den Kulissen vor sich geht, den darf ich zu weiterer Lektüre ermuntern. Zu den schönsten Aufgaben des Parlamentariers gehörte es für mich immer, Gästegruppen aus meinem Wahlkreis zu betreuen. Das ist ein segensreiches Programm des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung: Jeder Abgeordnete darf pro Jahr drei Gruppen mit je 50 Menschen aus seinem Wahlkreis einladen. Den Teilnehmern wurde ein großartiges Programm geboten, organisiert durch das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung: Besuche im Bundestag, in den Ministerien, in Gedenkstätten, alles unter dem Schirm der politischen Bildung. Fester Bestandteil des Programms war immer auch eine Debatte mit dem Abgeordneten. Ich habe das immer zum Anlass genommen, weniger über aktuelle Fragen zu sprechen als vielmehr ein wenig darüber zu erzählen, was denn ein Abgeordneter so tut, wie sein Arbeitsalltag zwischen Berlin und dem Wahlkreis so aussieht und habe auch viel Anekdotisches erzählt. Mein Eindruck war: Das hat viel dazu beigetragen, das Bild, das man über »die in Berlin« aus den Medien kennt, zu...