E-Book, Deutsch, Band 1, 464 Seiten
Reihe: Camp Rainbow
Zett Camp Rainbow - Über mir der Himmel
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7517-7440-6
Verlag: ONE
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Queere YA-Romance mit Sommercamp-Setting von Bestseller-Autorin Alicia Zett (Mit Charakterkarte exklusiv in der 1. Auflage!) (Camp Rainbow, Band 1)
E-Book, Deutsch, Band 1, 464 Seiten
Reihe: Camp Rainbow
ISBN: 978-3-7517-7440-6
Verlag: ONE
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wenn es einen Ort gibt, an dem die 17-jährige Malin ganz sie selbst sein kann, dann ist es Camp Rainbow. Wie jedes Jahr fiebert sie den Ferien in den bayerischen Alpen entgegen: Drei Wochen voller Natur, Freiheit - und hoffentlich ganz viel Herzklopfen. Denn obwohl Malin im queeren Sommercamp eine Menge toller Menschen kennt, ist sie bisher noch ungeküsst. Das soll sich nun ändern! Kurzerhand erstellt sie mit ihren beiden besten Freund:innen eine Want-to-kiss-List, und wenig später beginnt es zwischen ihr und dem Camp-Schwarm Juan zu kribbeln. Doch Malin hat nicht mit Nora gerechnet, dem Mädchen, das alle von sich stößt - und das sie eigentlich niemals auf ihre Liste setzen wollte ...
Alicia Zettwurde 1996 geboren, hat Film studiert, und wenn sie nicht gerade auf ihren Social Media Kanälen (aliciazett) über queere Bücher, Filme und Serien spricht, verbringt sie ihre Tage am liebsten mit langen Spaziergängen in der Natur, dem Erstellen von Buchplaylisten oder stundenlangen Gesprächen mit ihren Freund*innen. Alicia schreibt Bücher, die sie selbst in ihrer Jugend gebraucht hätte. Nun nutzt sie ihre Geschichten, um zu zeigen, dass Liebe in allen Formen und Farben existiert.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
MALIN GUCK-IN-DIE-LUFT
Von meinem Zimmer aus kann ich die Sterne nicht sehen.
Schuld daran sei die Lichtverschmutzung, erklärte mir Papa, als ich alt genug war, ihn danach zu fragen.
»Papa, wieso ist der Himmel so dunkel?«, wollte ich von ihm wissen.
»Weil München zu hell ist, mein Schatz«, erwiderte er.
»Denkst du, die Sterne sind traurig, weil wir sie hier unten nicht sehen können?«
Darüber musste er lange nachdenken. Mama hätte mich besänftigt. Mir gesagt, dass Sterne gar keine Gefühle haben. Dass die meisten Lichter, die wir hier unten heute sehen, bereits vor vielen Hundert Jahren erloschen sind. Aber Papa kannte mich besser. Er verstand meinen Schmerz und meine Sorge, weil er ebenfalls viel und intensiv fühlte.
»Weißt du was? Wir zwei werden dafür sorgen, dass die Sterne sich gesehen fühlen, ja? Wir werden jeden Abend in den Himmel blicken und nach ihnen Ausschau halten. Und wenn es die Wolken gut mit uns meinen, werden wir ein paar von ihnen entdecken. Und dann sagen wir ihnen, wie lieb wir sie haben, okay?«
Ich nickte. Noch war ich zu klein, um mein Fenster zu öffnen und auf den Sims zu klettern, aber von nun an schob ich meinen kleinen Schemel jeden Abend unter das Fenster und blickte vor dem Schlafengehen in den Himmel. Wenn Papa von der Arbeit nach Hause kam, setzte er sich zu mir.
Es wurde zu unserem Ritual, gemeinsam in den Himmel zu blicken und uns über große Themen zu unterhalten. Nichtssagende Konversation gab es mit Papa nicht. Mit ihm ging es immer in die Tiefe, und ich wünschte, Gespräche würden auch mit den anderen Menschen in meinem Leben so verlaufen. Mit Lila zum Beispiel. Aber meine Zwillingsschwester schien eine vollkommen andere Sprache zu sprechen.
Kurz nach Omas Tod verriet Papa mir, dass er glaubte, wir Menschen würden zu Sternen, wenn wir diese Welt einmal verlassen.
»Deine Oma ist irgendwo dort oben und leuchtet auf uns herab. Ist das nicht ein schöner Gedanke?«, fragte er mich, als wir uns von der reizüberflutenden Beerdigungsfeier davongeschlichen hatten, um stattdessen am Kinderzimmerfenster zu sitzen.
»Wir können ihr Licht nicht sehen«, sagte ich untröstlich.
»Aber wir wissen, dass es da ist.«
Nach diesem Gespräch flehte ich meine Mutter an, mit mir in die Buchhandlung zu gehen. Dort bat ich sie, mir alle Bücher über den Himmel zu kaufen.
Sie würde sagen, dass ich zu dieser Zeit besessen vom Himmel war.
Meine Therapeutin nannte mir einige Jahre später ein anderes Wort, nachdem sie mir die ADHS-Diagnose gestellt hatte.
Hyperfokus. So bezeichnet man den Zustand starker, ausdauernder Konzentration. Während solcher Phasen nahm ich oft nichts anderes um mich herum mehr wahr. Es ist keine Superkraft, wie es so oft online heißt. Nein, das ist einfach meine Art zu denken. Sie ist nicht besser oder schlechter als die von anderen Menschen. Sie existiert einfach, und ich habe gelernt, sie für mich zu nutzen.
Auf meinen Himmel-Hyperfokus folgten viele weitere. Dinosaurier, Flugzeuge, die Ungerechtigkeit in der Welt, Taylor Swift, das Schmelzen der Polarkappen, jede Serie mit queeren Figuren und natürlich: die Astrologie. Aber während mich alle anderen Themen nur für wenige Wochen in ihren Bann zogen, blieb meine Faszination für den Himmel bestehen.
Mit sechs Jahren flehte ich meine Eltern an, mir ein Teleskop zu kaufen. Damals verstand ich noch nicht, dass das kein kleines Geschenk war. Geld war für mich eine unvorstellbare Größe. Etwas, das meine Eltern zur Genüge besaßen. Immerhin bezahlten sie alles mit einer kleinen silbernen Karte. Ein wahres Wunderwerkzeug, wie ich fand.
Statt eines Teleskops schenkten sie mir ein Fernglas. Was, wenn ich ehrlich bin, das enttäuschendste Geschenk meines jungen Lebens war. Es fühlte sich an, als hätte ich mir ein Fahrrad gewünscht und stattdessen einen Sattel bekommen.
Papa kam am Abend meines Geburtstages zu mir und setzte sich neben mich. In seinen Händen: ein zweites Fernglas.
Nach der anfänglichen Enttäuschung begann ich das Fernglas lieb zu gewinnen. Immerhin konnte ich so andere Menschen aus meinem Zimmerfenster beobachten. Und die Wolken am Himmel waren auch etwas näher.
Auch viele Jahre später noch saß ich abends am geöffneten Fenster und versuchte, in dem dunklen Blau etwas zu erkennen, das nicht von den Lichtern der Stadt verschluckt wurde.
Meine Zwillingsschwester Lila fragte immer öfter, was wir da machten. Wieso ich Abend für Abend zusammen mit Papa in ein Meer aus Schwarz starrte. Er reichte ihr sein Fernglas, damit sie auch hindurchschauen konnte, doch das lange Sitzen wurde ihr schnell langweilig. Insgeheim war ich froh darüber.
Als Lila und ich elf Jahre alt waren, ließen sich unsere Eltern scheiden. Sie sagten, sie würden sich im Guten trennen. Deshalb begriff ich nicht, wieso sie nicht zusammenblieben. Wenn sie sich doch noch mochten, wieso musste Papa dann ausziehen?
Mama sagte, sie hätten sich auseinandergelebt. Dabei schliefen sie jede Nacht im selben Bett. Ich verstand es nicht.
Doch Papa zog in eine Wohnung am anderen Ende der Stadt, und Lila und ich verbrachten nur noch jedes zweite Wochenende bei ihm.
Papa hatte mir versprochen, dennoch jeden Abend in den Himmel zu sehen, und wir verabredeten uns für eine gemeinsame Uhrzeit. Damals besaß ich noch kein Handy, aber er schickte Mama jeden Abend ein Bild. Das musste sie mir zeigen, darauf beharrte ich.
»Schatz, ich finde es toll, dass du und Papa dieses Ritual habt, aber willst du nicht lieber mit ihm telefonieren? Sieh mal, mein Handy besteht nur noch aus den immer gleichen grauen Bildern. Die Handykameras sind nicht gut genug, um Sterne einzufangen.«
Sie verstand nicht, worum es eigentlich ging.
Papa schickte mir weiterhin Bilder, und ich saß jeden Abend am Fenster.
Bis zu dem Tag, an dem er kein Bild schickte. Erst glaubte ich, er habe es vergessen. Ich ging alle fünf Minuten zu Mama und fragte, ob nun ein Bild gekommen sei.
»Er musste sicher länger arbeiten oder schläft schon, Schatz. Morgen schickt er dir bestimmt eins.«
Doch Papas nächstes Bild kam erst drei Tage später. Er erzählte mir, er habe jemanden kennengelernt und stundenlang mit ihr geredet. Er entschuldigte sich lang und breit bei mir, doch das Gefühl blieb. Er hatte mich vergessen.
Papas Bilder kamen immer seltener. Diese neue Frau in seinem Leben nahm alles ein.
Lila und ich lernten sie ein halbes Jahr später kennen. Sie hieß Veronica und hatte bereits zwei Kinder. Zwei Söhne, die viel jünger waren als Lila und ich.
Veronica kam eigentlich aus Berlin und war nur wegen ihres Ex-Mannes nach München gezogen. Sie wollte zurück in ihre Heimatstadt, doch Papa versprach Lila und mir, dass er in München bleiben würde.
»Ich bin doch euer Papa.«
Die Wochenenden bei ihm waren laut, weil Veronicas Söhne immerzu durch die Wohnung rannten und die drei Zimmer zu klein für uns alle waren. Zudem gab es nur ein Fenster, von dem aus man den Himmel richtig sehen konnte, und das lag in Papas und ihrem Schlafzimmer, in das wir nicht gehen durften.
»Ein bisschen Privatsphäre müsst ihr uns schon lassen«, meinte Veronica.
Lila kam ganz gut mit ihr klar. Die beiden gingen shoppen oder ins Kino. Veronica schwärmte davon, dass sie sich immer eine Tochter gewünscht habe. Nur passte ich wohl nicht in dieses Bild.
Zwei Jahre ging das so, und dann besuchte Papa uns in unserem alten Haus. Erst sprach er mit Mama, dann mit Lila. Als Letztes kam er zu mir.
Wir saßen an meinem Fenster, und er nahm meine Hand.
»Ich liebe sie sehr, mein Schatz, aber sie ist hier in München so unglücklich. Sie vermisst ihre Familie, ihre Geschwister. Kannst du das verstehen?«
»Aber wir sind deine Familie. Und wir sind hier.«
Sein Blick sank hinab auf seine Hände.
»Es tut mir leid. Ich werde mit ihr und den Jungs nach Berlin ziehen. Aber du und Lila könnt mich in den Ferien besuchen kommen. Und ich verspreche dir, dass ich auch immer in den Himmel schauen und nach den Sternen sehen werde, okay?«
Er hatte mir in den letzten zwei Jahren nur zehn Bilder vom Himmel geschickt. Ich glaubte nicht mehr daran.
»Okay«, sagte ich.
Papa zog nach Berlin, Mama lernte Holger kennen. Einen netten Mann, der Bestatter war und der sie glücklich machte. Er verstand nichts von Sternen.
Ich zog mich immer mehr zurück. Saß stundenlang am Fenster, presste mir die metallene Fassung so fest in die Haut, dass sie rote Ränder hinterließ. Aber ich hörte nicht damit auf.
Mama und Holger machten sich Sorgen. Sogar Lila versuchte mit mir zu sprechen. Aber ich blockte ab. Ließ niemanden an mich heran.
Papa war nicht gestorben. Aber es fühlte sich so an.
Ich zeichnete Sternbilder in mein Notizbuch, las jedes meiner Astrologiebücher erneut. Versuchte, so viel Wissen in mich aufzusaugen, wie nur möglich. Denn wenn ich das tat, hatte ich das Gefühl, Papa wieder nahe zu sein.
Kurz nach Papas Umzug kam Lila in mein Zimmer. In letzter Zeit hatte sie mein Fernglas immer argwöhnischer gemustert, doch nun stellte sie sich neben mich.
»Darf ich auch mal?«, fragte sie.
»Was?«
»Darf ich auch mal durchschauen? Ich will wissen, was da so Besonderes ist.«
»Du hast doch schon mal durchgeschaut. Da fandest du es langweilig.«
»Na und? Vielleicht verstehe ich es jetzt.«
»Lass mich, ich darf den Winkel jetzt nicht...




