Zenner | Der Fluch des Merina-Amuletts | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

Zenner Der Fluch des Merina-Amuletts


1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7565-7071-3
Verlag: neobooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

ISBN: 978-3-7565-7071-3
Verlag: neobooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Im 18. Jahrhundert lernen sich Rachel und Horatio Bamforth auf Madagaskar kennen. Sie ist als reiche Witwe eine gute Partie für Horatio und kurz entschlossen heiraten die beiden. Seine Beziehung mit der einheimischen, feurigen Geliebten endet ohne Aussprache. Nach ihrer Rückkehr ins geliebte England ereilt Horatio eine heimtückische, unerklärbare Krankheit. Trotz der Bemühungen seines Arztes verschlechtert sich sein Zustand dramatisch. Der Doktor schlägt als letzten Ausweg eine Kur am Meer vor. Auf dem Weg nach Swanage verunfallt die Kutsche und Horatio zieht sich eine schwere Lungenentzündung zu. Als diese glücklich überstanden ist, bessert sich sein Zustand. Die lebenshungrige Rachel stürzt sich in eine Affäre mit dem behandelnden Arzt. Die Liaison endet jedoch abrupt und das Ehepaar kehrt nach Hause zurück. Dort erkrankt Horatio an denselben Symptomen erneut. Der Doktor vermutet: die Ursache seines Siechtums ist auf Madagaskar zu finden. Der Verdacht auf einen ungewöhnlichen Mordanschlag steht im Raum. Wird es dem Ehepaar gelingen, den Attentäter zu überführen?

Andreas Zenner lebt in einer Welt der Bücher. Vater und Großvater waren Verleger. Der Deutschlehrer benotete seinen Aufsatz über den Ersten Weltkrieg mit einer Eins, obwohl dieser 'Versuch' 60 Rechtschreibfehler enthielt. Der Lehrer: 'Wenn du so schreibst wie Hemingway, interessieren diese Fehler niemanden.' Das spornte ihn an, erste Bücher zu verfassen. Durch Kinder und Beruf trat seine Passion in den Hintergrund. Nach einer Karriere als Heilpraktiker knüpfte er wieder an seinen Jugendtraum an.
Zenner Der Fluch des Merina-Amuletts jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Der Arzt


Horatio fröstelte, ein Schauer lief über seine unbedeckten knochigen Schultern. Rachel zog fürsorglich die Bettdecke nach oben, bis nur noch die Nasenspitze aus den Federn lugte. Das Fenster zu schließen, dazu konnte sie sich nicht aufraffen.

Ihr Mann war kein Kostverächter, was Frauen betraf, das hatte sie bei ihrem Aufenthalt in Madagaskar schnell begriffen. Sicher versüßte ihm eine Geliebte unter dem Hauspersonal die schwülen Nächte, da unterschied er sich nicht von den anderen europäischen Kaufleuten. Welche der vielen Hausangestellten jedoch seine Gespielin war, interessierte sie nur am Rande. Sie forschte nicht nach. Das war vor ihrer Zeit. Mehr als eine flüchtige Liebelei zwischen den beiden konnte sie sich nicht vorstellen. Er, ein Europäer, der sich aus kleinen Verhältnissen in der Armee hochgedient hatte, mit einer ungewaschenen Eingeborenen. Bei diesem Gedanken schüttelte Rachel sich. Eine solche Beziehung war für sie undenkbar, und hatte er das Mädchen nicht verstoßen, um sie heiraten zu können? So behauptete Horatio wenigstens mit dem Brustton der Überzeugung. Rachel glaubte ihm. Sicher hatte er ihr eine großzügige Abfindung zukommen lassen, um sie loszuwerden. Für ein einfaches Hausmädchen sicher ein Vermögen.

Rachel sog die feuchte Morgenluft tief ein, dachte damit das beklemmende Gefühl, welches sie von Zeit zu Zeit beschlich, weg zu atmen. Sie konnte die düstere Ahnung, die aus dem Dunkel aufwallte, nicht einordnen. Doch was sie fürchtete, erfüllte sie mit schierer Angst. Sie schob diese Gedanken auf die Krankheit ihres Mannes.

Gewaltsam riss sie sich von ihren Vorahnungen los, wandte sich mit einem Ruck um, griff nach dem Klingelband und zog heftig. Sofort öffnete sich die Tür und Becky, das Hausmädchen huschte ins Zimmer. Sie wirkte, als habe sie hinter der Türe gelauscht. Rachel bedachte sie mit einem missbilligenden Blick.

„Geh in die Küche“, wies Rachel die junge Frau an. „Rabesa soll ein leichtes Frühstück für Mr. Bamforth zubereiten: Eier, gebratenen Schinken, einen Toast und eine Kanne schwarzen Tee. Aber hurtig.“

Das Mädchen knickste und verschwand geräuschlos, froh den kranken Ausdünstungen entronnen zu sein.

Rachel trat wieder ans Fenster, ließ ihren Blick über das erste zarte Grün des Gartens schweifen. Sie seufzte, gerne wäre sie zwischen den Hecken spazieren gegangen, statt untätig bei ihrem Mann zu sitzen.

Minuten später klopfte es. Der madagassische Koch balancierte das Frühstück auf einem Silbertablett. Das Essen appetitlich angerichtet. Der Geruch von gebratenem Speck zog durch die muffige Schlafkammer des Hausherrn, überlagerte für Sekunden die üblen Gerüche. Rabesa schob das Tablett vorsichtig auf den Beistelltisch, schenkte den dampfenden schwarzen Tee ein. Der Koch trat einen Schritt zurück und beobachtete Horatio lauernd aus den Augenwinkeln. Rachel vermeinte kurz ein gehässiges Grinsen in seinem Gesicht zu sehen. Aber da konnte sie sich täuschen.

„Es ist gut, Rabesa“, sagte sie, „du kannst dich entfernen.“

„Jetzt wird gegessen“, kommandierte Rachel und bestrich eine Scheibe Toast mit gesalzener Butter. Sie legte den knusperig gebratenen Speck darauf und schnitt das Brot in kleine Stückchen, wie für einen zahnlosen Greis. Die Brocken spießte sie auf eine Gabel.

„Mund auf“, befahl sie und kam sich lächerlich dabei vor. Schließlich war ihr Mann kein kleines Kind mehr, das gefüttert werden musste. Gehorsam öffnete Horatio den Mund einen Spalt, gerade so viel, dass Rachel das Brot hineinschieben konnte. Er kaute lustlos auf dem Bissen herum, würgte ihn schließlich mit einem Schluck Tee hinunter. Ohne sich um seinen matten Protest, das angeekelte Gesicht zu kümmern, stopfte sie ihm ein zweites Stück in den Mund. Horatio brauchte unendlich lang, bis er auch diesen Brocken geschluckt hatte. Zwischendurch löffelte Rachel ihm ein wenig vom Ei in den Mund. Weichgekocht schluckte es sich leichter als das trockene Brot. Sie ließ nicht locker, bis ihr Mann ein halbes Toastbrot gegessen hatte. Eine mühsame Angelegenheit und ohne Rachels sanften Druck wäre Horatio wohl elendiglich verhungert. Angewidert schob er schließlich den Teller zurück, presste die Lippen fest zusammen. Vor Erschöpfung fielen ihm die Augen zu und ein kurzer Schauer rann über seinen geschwächten Körper. Rachel gab auf.

„Ruh dich aus. Später sieht Doktor Raeburn nach dir.“

Sie strich ihrem Gatten über die wachsbleiche Stirn, versuchte dabei ein heiteres unbeschwertes Gesicht zu ziehen. Es wurde ein verzogenes Grinsen daraus. Die Anspannung der letzten Wochen hatten sie gezeichnet. Zu deutlich sah man ihr an, dass sie sich schreckliche Sorgen machte. Nachdem Horatio sich nicht rührte, nicht einmal mehr die Augen öffnete, schlich sie auf Zehenspitzen aus dem Raum. Draußen holte sie erst einmal tief Luft. Ihre mühsam aufrecht erhaltene Fassung fiel in sich zusammen und ihre Gesichtszüge entgleisten. Nicht mehr zurückzuhaltende Tränen kullerten über ihre Wangen und tropften auf die frisch gestärkte Bluse.

Marjorie, die Hausdame eilte über den Flur. Mit einem Blick erfasste sie, wie es um Rachel bestellt war.

„Meine arme kleine Lady“, sagte sie und schloss Rachel in die Arme. „Wein ruhig ein bisschen.“

Marjorie hatte Rachel mit großgezogen, auf sie aufgepasst, wenn die Eltern zu einer Gesellschaft aufgebrochen waren. Dann saß das kleine Mädchen auf dem Schoß der Hausdame und ließ sich mit Leckerbissen füttern. Marjorie liebte Rachel wie ein eigenes Kind. Später dann als erwachsene Frau vertraute sie der Hausdame noch immer all ihre großen und kleinen Geheimnisse an. In Marjories Armen fühlte sich Rachel geborgen. Nachts, wenn sie sich schlaflos im Bett von einer Seite auf die andere wälzte, litt sie am meisten unter der erzwungenen Einsamkeit. Da konnte ihr die Vertraute nicht helfen.

Gegen Mittag fuhr der Einspänner von Doktor Raeburn vor. Rachel hörte es am Knirschen des Kieses in der Einfahrt und dem Bellen der Hunde. Der rundliche Doktor kletterte behände vom Kutschbock und griff sich seinen Arztkoffer, der neben ihm auf dem Bock stand. Sonnenstrahlen spiegelten sich auf dem fast kahlen Schädel, als er seinen Zylinder abnahm und sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn wischte. Er übergab dem Stallburschen die Zügel und sprang mit jugendlichem Schwungeiner Beweglichkeit die Treppe hinauf, den hatte man ihm gar nicht angesehen.

Lady Bamforth erwartete ihn bereits im Foyer.

„Ein herrlicher Morgen, heute“, begrüßte der Doktor die Hausherrin vergnügt. „Wie geschaffen für einen ersten Ausritt.“

Rachel reichte ihm die Hand, er küsste sie galant. Die Dame des Hauses überragte den Doktor um Hauptesbreite. Sie trug und ein schwarzes bodenlanges Kleid im Empirestil, das in allen Nuancen von Schwarz changierte. Die toupierten schwarzen Haare, betonten ihr blasses Gesicht. Rachel war noch immer eine Schönheit, auch wenn der Kummer Falten in die Stirn und um die Mundwinkel gegraben hatte. Der Doktor verehrte die Frau heimlich, ließ sich aber nichts anmerken.

„Wie geht es unserem Patienten heute?“, erkundigte sich der Arzt jovial. Es betrübte ihn, Rachel leiden zu sehen.

„Ach“, seufzte sie, „nicht gut. Er wird von Tag zu Tag schwächer. Inzwischen ist er so hinfällig, dass er kaum mehr essen mag. Heute habe ich ihn mit Mühe und Not mit einem halben Toastbrot gefüttert. Dabei hat er früher so gerne und so viel gegessen.“

„Die Krankheit Ihres Mannes ist mir rätselhaft,“ sinnierte der Doktor. „So einen progredienten Verlauf habe ich in all meinen Praxisjahren noch nicht gesehen. Ich vermute, Ihr Mann hat sich auf Madagaskar eine bislang unbekannte Tropenkrankheit zugezogen.“

„Und warum habe ich dann keine Symptome?“, fragte Rachel.

Der Doktor zuckte mit den Achseln, sah sich überfragt.

„Wird er sterben?“

„Das kann ich beim besten Willen nicht sagen. Aber wenn das Siechtum weiter so schnell fortschreitet, kann ich das nicht ausschließen. Wir müssen uns, wenn nicht ein Wunder geschieht, auf das Schlimmste gefasst machen.“

Rachel zuckte zusammen. Natürlich konnte sie sich ein eigenes Bild vom Zustand ihres Mannes machen und sie hatte sich gewappnet. Trotzdem traf sie die unverblümte Antwort des Arztes wie ein Messerstich mitten ins Herz.

„Kopf hoch“, sprach ihr der Doktor Mut zu. „Sie sind eine tapfere Frau. Jetzt sehen wir uns erst einmal unseren Patienten an.“

„Eine Tasse Tee vorher?“

„Später, später“, lehnte Doktor Raeburn ab. „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.“

Sie stiegen nebeneinander die Treppe zum ersten Stock hinauf. An den holzvertäfelten Wänden hingen Bilder mit heiteren Landschaften: Bauern bei der Ernte, in der Ferne ein sich durch die Auen schlängelnder Fluss, am Himmel zog sich ein Gewitter zusammen. Der Doktor klopfte und betrat, nachdem er nichts hörte, das Krankenzimmer. Trotz des sperrangelweit geöffneten Fensters stach ihn der Geruch von frischem Blut und vergorenem Stuhl in der Nase.

„Morgen, Sir“, begrüßte der Arzt den Hausherren. „Wie geht es uns denn heute?“

Horatio Bamforth öffnete die Augen, machte eine schwache, wegwerfende Handbewegung.

„Schon wieder dieser blutige Durchfall?“

Mr. Bamforth nickte und streckte die Finger in die Luft. Seine Stimme versagte.

„Fünf Mal“, registrierte der Doktor. „das ist nicht gut, gar nicht gut.“

Er öffnete seinen Koffer, holte sein hölzernes Hörrohr heraus und hörte den Patienten ab. Horatio folgte ihm mit glanzlosen Augen.

„Meine Mittel haben nichts...



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.