E-Book, Deutsch, 278 Seiten, Format (B × H): 1350 mm x 2000 mm
Zembsch Die Ehre des Henkersweibs
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-943531-91-6
Verlag: Burgenwelt Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, 278 Seiten, Format (B × H): 1350 mm x 2000 mm
ISBN: 978-3-943531-91-6
Verlag: Burgenwelt Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
»Ich bin mehr als nur das, was andere aus mir gemacht haben.«
Marburg 1233 – Die einstige Magd Runhild ist seit einem Jahr das Weib des Henkers Meinulf. Beide setzen alles daran, über ein Gnadengesuch dem ehrlosen Dasein zu entkommen, das sie nur durch ihre innige Liebe zueinander ertragen.
Als mit einer Gesandtschaft von Rittern aus dem Deutschen Orden auch Meinulfs einstiger Kamerad Swidbert nach Marburg kommt, brechen alte Wunden wieder auf. Denn ehe er vier Jahre zuvor eines schlimmen Verbrechens denunziert, dafür verurteilt und so in das Amt des Henkers gezwungen wurde, war Meinulf ein angesehener Schildknappe kurz vor dem Ritterschlag.
Gemeinsam macht sich das Henkerspaar auf die Suche nach demjenigen, der damals das vermeintliche Verbrechen Meinulfs bezeugte. Schnell finden sie sich inmitten von Intrigen und Verrat wieder und wissen bald nicht mehr, wem sie überhaupt noch trauen können.
Erneut taucht Ute Zembsch in ihrem historischen Roman in das mittelalterliche Marburg ein und erzählt die packende Geschichte von Runhild, dem „Henkersweib“, weiter.
Autoren/Hrsg.
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Kapitel 2 Wie jeden Freitagmorgen füllte Runhild die Pottasche des Buchenholzes in Leinenbeutel und gab diese in ihren größten Eimer. Zusätzlich mit dem Korb voller Schmutzwäsche unter dem Arm, marschierte sie kurz darauf mit Juliana, der Abdeckerin und eine ihrer wenigen Freundinnen, zu dem Platz neben der Brücke. Wie immer waren sie unter sich, denn die anderen Weiber wuschen samstags. Die Wäschekörbe ließen sie am Ufer auf das Gras sacken und die Eimer tauchten sie mitsamt den Beuteln ins Wasser. Langsam bildete die auflösende Asche eine glänzende Schicht. Bis die Lauge soweit war, blieb ihnen Zeit für ein gemütliches Schwätzchen. Sie tauschten sich über die zunehmenden Pilgerströme aus, die auch geschäftstüchtige Betrüger anzogen. Einen davon musste Meinulf am Vortag auspeitschen. Der gab vor, ein Reliquienhändler zu sein. Ihm war im Übereifer ein dritter Daumen des Heiligen Franziskus aus der Tasche gefallen. Und das vor den Augen des Stadtpfarrers, der sich gebärdet haben solle wie ein Schankwirt bei einem Zechpreller. »Der Hund vom Bäcker bekam die scheinheiligen Knochen und die Wachen den Schwindler.« Runhild lachte. Bei ihrem nächsten Gedanken verging es ihr. »Nächsten Sonntag wird schon die dritte Messe für den Kutten-Konrad gelesen.« Sie verschwieg selbst ihrer Freundin gegenüber Meinulfs Anteil an dessen Tod. Und gehört hatten sie vom Erzbischof auch noch nichts. Ob der sich an sein Versprechen hielt? »Die Wochen vergehen so schnell, wie ein Vogel fliegt.« Juliana pflückte sich Sauerampfer und biss hinein. »Hinter der westlichen Stadtmauer bauen sie schon wieder ein Haus, das hat der Seifensieder meinem Georg erzählt. Bald müssen sie die Mauer ausbauen.« Mit der flachen Hand klatschte sie auf die Wasseroberfläche im Eimer. »Den Bläschen nach können wir anfangen. Das Plaudern war der vergnügliche Teil, jetzt geht es ans Walken und Rubbeln.« Runhild stimmte ihrer Freundin zu. »Im Badehaus hab ich lieber die Weiber eingeseift statt die Wäsche. Die Aschelauge trocknet die Hände mächtig aus. Aber dagegen gibt’s Ringelblumensalbe.« »Oh ja, als Tochter eines adeligen Herren muss des Henkers Weib natürlich zarte Finger haben, im Gegensatz zum arbeitenden Volk.« Juliana zwinkerte ihr grinsend zu und erntete von Runhild einen Wasserschwall. »Du weißt genau, wie hart ich arbeite. Das macht mir auch nichts aus, wenn die Leute uns nur nicht verachten würden.« Ihren Unmut ließ sie an der Wäsche aus, walkte mit aller Kraft die Stücke durch und rieb ungeduldig die fleckigen Stellen, bis in den aufgequollenen und mit Schaum bedeckten Fasern kein Schmutz mehr zu sehen war. Ihr Tun ließ sie ruhiger werden. »Wenn wir fertig sind«, Runhild wischte sich über die Stirn, »können wir das, was wir jetzt tragen, gleich mitwaschen.« Sie streckte sich und bog den Rücken weit nach hinten. Juliana lachte. »Von der Hitze her könnten wir rumlaufen, wie der Herrgott uns schuf. Und grad bei deinem Anblick würden sich die Mannsbilder nicht sattsehen.« »Gott bewahre. Meinen bloßen Leib zeig ich nur Meinulf. Außerdem, wenn wir endlich Gnade erhalten, sollen uns die Leute auch mit Achtung behandeln.« Die Abdeckerin kniete sich dicht ans Wasser, um das Wäschestück auszuwaschen. Kurz darauf tat Runhild es ihr gleich. Wäre der Weg ihres Gnadengesuchs doch an seinem hoffentlich guten Ende angekommen. Hufschlag riss sie aus ihren Gedanken. Reiter ließen die Höfe auf der anderen Seite der Brücke hinter sich und trabten auf sie zu. Juliana schubste sie an. »Das müssen ganz Vornehme sein. Tragen sogar Wappen.« Die schwarzen Kreuze auf den Schildern, der Brust und auf der Herzseite des Umhangs traten auf dem weißen Untergrund schon von Weitem gut sichtbar hervor. »Das sind Ritter vom Deutschorden.« Runhild wandte sich der Abdeckerin zu. »Der Ministeriale meines Vaters bringt mir auch einiges über Wappen bei, wenn Meinulf mit dem Schwert übt. Er nennt es Heraldik.« Die Ordensleute überquerten gerade die Lahn auf ihren Streitrössern. Runhild kniff ihre Augen zusammen, denn auf den polierten Schildern und Helmen spiegelten sich die Sonnenstrahlen. Wo die drei wohl hinwollten? Der Graubärtige unter ihnen zeigte auf die Büsche mit den Brombeeren und Himbeeren. »Die kommen uns gelegen. Es dauert schließlich noch eine Weile, bis wir am Tisch unseres Gastgebers sitzen.« Dicht ritten die Fremden an ihnen vorbei, ohne sie zu beachten. Runhild zog noch einmal die Bruche durchs Wasser und legte sie zum Trocken auf die Wiese. Im Augenwinkel bemerkte sie, dass einer der Ritter schwerfällig vom Pferd stieg. Er setzte vorsichtig den linken Fuß auf und verzog schmerzlich sein Gesicht. Runhild beugte sich zu Juliana. »Ich kann nicht untätig zusehen, wenn es jemandem schlecht geht.« Sie stand auf und wischte sich im Gehen die Hände an ihrer Schürze trocken. Mit ein paar Schritten Abstand blieb sie vor den Ankömmlingen stehen. »Verzeiht, werter Herr, dass ich Euch anspreche, doch ich sehe, dass Euch Euer Bein quält.« »Was geht dich das an?« Die ersten grauen Strähnen in seinem dunklen Haar ließen ihn noch grimmiger wirken. »Ich bin eine der hiesigen Heilkundigen.« Er zog die Augenbrauen zusammen und drehte sich von ihr weg. Schon beim nächsten Schritt konnte er ein Aufstöhnen nicht unterdrücken. »Bitte, hoher Herr, lasst mich Euch helfen. Ich zähle zwar erst zwanzig Lenze, doch Ihr könnt mir vertrauen. Mit den Gebeinen kenn ich mich gut aus.« Besonders durch die Pflege der Gefolterten und den Anblick derer, die von ihren Mördern übelst verprügelt oder in Stücke gehackt wurden. Inzwischen erwarb sie mehr Fertigkeiten, als ihr lieb war. Der Leidende blickte sie an. »Du siehst mir aus wie ein Waschweib. Zudem jung und unerfahren. Wer war dein Lehrmeister?« Einen Teil verschweigen, war nicht gelogen. »In unserem Dorf lernte ich einige Jahre von der Kräuterkundigen und half, wo ich konnte. Vor zwei Jahren kam ich nach Marburg und durfte mich zuerst im Hospital der Landgräfin Elisabeth um die Kranken kümmern. Kurz danach nahm ich eine Stellung bei dem Bader Johannes an. Er und die anderen Mägde brachten mir einiges bei.« Er warf dem Jüngsten einen fragenden Blick zu. Dieser pflückte sich noch eine Beere und trat an seine Seite. Der gestutzte blonde Bart des Mannes war gut gepflegt, seine braunen Augen blitzten vergnügt. »Herr Swidbert, Ihr stammt doch von hier. Was wisst Ihr über diesen Bader?« »Nur Gutes. Sein Haus ist anständig, seine Fertigkeiten sind in höheren Kreisen sehr gefragt. Ich selbst ließ mich bis zum Ende meiner Knappenzeit von ihm und seinen Mägden behandeln.« Er legte seinem Kameraden die Hand auf die Schulter. »Herr von Horneck, schaden kann es nicht, Euch in die Hände dieses Weibes zu geben.« Das sah wohl nun auch von Horneck ein. »Sobald ich es bewege, schmerzt es. Auch am Fußgelenk.« Er zeigte auf sein linkes Bein. »Bitte setzt Euch auf den Boden, damit ich es besser untersuchen kann.« Herr Swidbert half ihm, sich auf das Gras niederzulassen. Vorsichtig tastete Runhild das Bein zwischen Knie und Fuß ab. Das Bein sah geschwollen aus, war sehr warm und die Muskeln fühlten sich hart an. Sie zog den Beinling ein Stück hoch. »Die Säfte in Eurem Bein fließen nicht mehr richtig, zudem treten einige Adern bereits unter Eurer Haut hervor. Und es ist kein Wunder, dass Euer Gelenk schmerzt. Ich behandle dieses eitrige Geschwür, ehe es noch größer wird.« Der Graubärtige beobachtete ihr Tun. »Das junge Weib scheint sich tatsächlich auszukennen.« Runhild nickte, doch wo sollte sie jetzt so schnell alles Notwendige hernehmen? Sie sah sich um. Erleichtert entdeckte sie einige Schritte entfernt eine Beinwell-Pflanze. Ihr Messer trug sie stets bei sich. »Dürfte ich die werten Herren bitten, ein kleines Feuer zu entzünden? Ich brauche es zum Reinigen der Klinge, da ich die Beule aufstechen muss.« »Von Bosweil, Ihr seid der Geschickteste von uns mit dem Feuerstein.« Von Horneck nickte dem Graubärtigen zu. »Ich verlasse Euch für einen Moment, um die richtige Wurzel zu holen.« Runhild ging zu dem Beinwell. Eilig begann sie, ihn mit ihrem Messer auszugraben. Musste die Erde so fest sein? Es staubte mehr, als dass sie vorwärtskam. »Ich helfe dir.« Herr Swidbert zog seinen Dolch aus der Scheide und kniete sich neben sie. »Nur, damit es schneller geht.« Meinulf half Runhild nie, die Pflanzen zu ernten, jedoch hatte sie auch normalerweise die richtigen Werkzeuge dabei. Der junge Herr schien nett zu sein. »Ich danke Euch sehr, werter Herr Swidbert.« Sie langte nach der Wurzel und zog ein dickes Stück heraus. »Es heißt Herr von Leimbach.« Lachend stand er auf. »Verzeihung, Herr. Ich hörte nur, wie Euch Euer Freund anredete.« Sie erhob sich gleichfalls und hastete zum Wasser, um die Wurzel zu reinigen. Rasch tauschte sie einen Blick mit ihrer Freundin. Juliana beobachtete gespannt das Geschehen. Ein großer flacher Stein am Übergang zwischen Fluss und Wiese eignete sich für Runhilds Vorhaben. Sie legte die Wurzel dort hin, um kräftig mit einem faustgroßen Kiesel auf die Pflanze zu drücken. Der Schleim des Beinwells quoll hervor, genug, dass es reichen dürfte. Sie trennte die Blätter ab und gab die Paste auf eines. Der Erkrankte aß bei ihrer Rückkehr gerade Beeren, die ihm seine Kameraden gepflückt haben mussten. Auch den Beinling hatte er bereits bis übers Knie...




