Zeltserman | Paria | E-Book | www2.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 34, 368 Seiten

Reihe: Pulp Master

Zeltserman Paria


Auflage 2013
ISBN: 978-3-927734-59-3
Verlag: PULP MASTER
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, Band 34, 368 Seiten

Reihe: Pulp Master

ISBN: 978-3-927734-59-3
Verlag: PULP MASTER
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Einst war Kyle Nevin Teil des mächtigen Triumvirats, das die irischen Gangster in South Boston anführte, bis Oberboss Red Mahoney ihn ans Messer lieferte und Kyle für acht Jahre weggeschlossen wurde. Frisch entlassen, bleiben ihm vorerst nur ein Platz auf der Couch seines Bruders Danny, der endlose Hunger nach Rache und eine bereits im Knast geplante Lösegelderpressung, die seinen alten Status wiederherstellen soll. Doch als die Entführung wider Erwarten schiefläuft und Kyle ungewollt in die Schlagzeilen gerät, bietet ihm ein großer New Yorker Publikumsverlag, der vom Medienhype profitieren will, einen Megadeal an, dem Kyle kaum widerstehen kann ... Mit seinem diabolischen Ideenreichtum befindet sich der amerikanische Autor Dave Zeltserman derzeit wohl auf der Noir-Überholspur; und mit diesem Buch legt er die Latte sehr hoch. In PARIA kombiniert er brutale Metafiktion mit einer Satire über den modernen Buchbetrieb und die Praxis des literarischen Diebstahls.

Dave Zeltserman wurde in Boston geboren und arbeitete dort mehrere Jahre als Software-Entwickler. Er begann zu schreiben und machte mit knallharten Noir Romanen in der Tradition eines Jim Thompson auf sich aufmerksam. Heute zählt er zu den einflussreichsten Krimi- und Horrorautoren der USA. Zeltserman lebt mit seiner Frau in Newton, Massachusetts und widmet jede freie Minute den Martial Arts.
Zeltserman Paria jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Kapitel 1

Anm. f. d. Lektorat: Ich war mehr als nur ein bisschen unter Druck, als ich das hier geschrieben habe, bin mir aber sicher, ihr könnt es nachvollziehen nach alledem, was gleich hier abgeht und worüber die Zeitungen inzwischen berichtet haben werden. Ich hatte gerade mal Zeit, einmal kurz drüberzugehen und ein paar Anmerkungen hinzukritzeln. Bedient euch, wenn ihr sie gebrauchen könnt. — K.N.

Mann, was für ein komisches Gefühl, Cedar Junction als freier Mann zu verlassen. Achter Juni. Ende einer achtjährigen Haftstrafe. Verplemperte Zeit, nur wegen einer Ratte. Bei dem Gedanken an Red Mahoney und wie er mich reingeritten hatte, kam mir wieder die Galle hoch. Ich riss mich zusammen, sagte mir, Schluss, es reicht. Nicht jetzt, nicht während der ersten Momente in Freiheit. Später würde ich genug Zeit haben, um über Red nachzudenken. Ich atmete tief durch und schlenderte hinüber zum Besucherparkplatz, genoss den Geruch der Luft außerhalb der Gefängnismauern und die Wärme der Sonne auf meinem Gesicht. Eigentlich sollte Danny mich abholen. Ich blieb stehen, warf einen Blick auf die parkenden Autos und hielt Ausschau nach ihm, als links von mir eine Hupe ertönte. Danny — ungefähr dreißig Meter entfernt, hinter dem Steuer eines verrosteten Honda Civic und mit einem breiten dämlichen Grinsen auf dem Gesicht. Er ließ den Motor an, schoss nach vorn und fuhr mich fast über den Haufen, bevor er wenige Zentimeter vor mir zum Stehen kam. Ich setzte mich auf den Beifahrersitz. In den acht Jahren hatte sich Danny mehr verändert, als ich erwartet hatte. Sein Haar war dünner und der Haaransatz so weit zurückgewichen, dass ich die Furchen sehen konnte, die sich auf seiner Stirn eingegraben hatten, und obwohl dieses breite Grinsen an seinem Gesicht klebte, waren seine Züge schlaff vor Müdigkeit und es schien, als wäre er derjenige, der gerade aus dem Gefängnis entlassen worden war. Doch ich überging das und wir umarmten uns wie Brüder, die sich eine Ewigkeit nicht gesehen hatten.

»Verdammt, das war ’ne lange Zeit«, sagte Danny.

»Tatsächlich?«

Sein Grinsen verlor an Breite. »Dass ich dich nicht besucht hab, Kyle, das tut mir leid, aber weißt du, erst verfrachten sie dich nach Texas, dann nach Kansas und als sie dich hier eingelocht haben, mit der Arbeit und all dem anderen Scheiß, der dazugekommen ist — «

»Vergiss es«, fiel ich ihm ins Wort. »Ich hätte sowieso nicht gewollt, dass du mich in einem dieser Löcher besuchst. Lass uns endlich von hier verschwinden.«

»Trotzdem, spätestens nachdem sie dich hierher nach Walpole verlegt haben, hätte ich mich sehen lassen müssen. Scheiße, ich weiß nicht, die Dinge sind einfach aus dem Ruder gelaufen — «

»Ich sagte, vergiss es.«

Er nickte wie in Zeitlupe, hatte einen traurigen Zug um die Augen, dann fuhr er zum Gefängnistor. Der Wärter dort verlangte, dass wir den Kofferraum öffneten, erst danach ließ er uns passieren.

»Was hat der denn gedacht?«, fragte Danny. Er mühte sich redlich, doch diesmal wollte ihm das Grinsen nicht so recht gelingen. »Dass wir ein paar von deinen Kumpels rausschmuggeln?«

Ich ging nicht darauf ein, sondern erklärte ihm, dass ich zuallererst Ma besuchen wolle. »Halt irgendwo an, wo man ein paar Blumen kaufen kann.«

Er antwortete mit dem gleichen langsamen Nicken, das Grinsen war jetzt völlig verschwunden und an seine Stelle war eine geradezu feierliche Miene getreten. Wir verfielen in Schweigen. Ich zog ein Päckchen Marlboro 100s aus der Tasche meines Knasthemdes und klopfte die letzte Zigarette heraus. Nachdem ich sie angesteckt hatte, warf ich die zerknüllte Schachtel aus dem Fenster, lehnte mich zurück, inhalierte, spürte den Rauch in meinen Lungen und fand etwas Tröstliches darin. Mir entging nicht, dass Danny mir einen Blick zuwarf. Als Jugendliche hatten wir beide gequalmt, wollten uns beweisen, was für harte Typen wir waren, und wir hatten beide die Finger davon gelassen, nachdem Red rumgemosert und es als Schweinekram bezeichnet hatte. Im Gefängnis hatte ich wieder angefangen. Jetzt, wo ich draußen war, wollte ich es auf jeden Fall aufgeben, es aber locker angehen lassen. Ich bat Danny, irgendwo anzuhalten, damit ich ein paar Kippen besorgen konnte. Er nickte lustlos, machte am erstbesten Laden halt und ich sprang rein und kaufte eine Stange. Als ich herauskam, steckte ich mir eine frische Schachtel ins Hemd und fragte ihn, ob er eine Fluppe wolle, doch er lehnte ab. Nachdem er sich wieder in den Verkehr eingefädelt hatte, fing er an, über die Patriots und die Sox zu quatschen, so ganz nebenbei, als hätte es die letzten acht Jahre nie gegeben.

»Da müssen die dich erst in den Knast stecken, damit die Sox endlich mal die World Series gewinnen. Stell dir mal vor, wir beide als Buchmacher in New York und die Sox liegen gegen die Yankees mit drei zu null hinten. Wir hätten abgesahnt. Diesen Arschlöchern von Yankees-Fans die Kohle abzunehmen, das toppt doch alles. Und dann die Patriots. Heilige Scheiße. Drei beschissene Super Bowls? Ist das zu glauben? Mann — «

Ich fiel ihm ins Wort und wollte wissen, was mit seinem BMW war.

»Ich musste ihn verkaufen«, sagte er, kraftlos lächelnd.

Wir sehen uns ziemlich ähnlich, Danny und ich, bis auf eine entscheidende Sache: sein weicher Mund. Der lässt ihn manchmal irgendwie feminin aussehen. Ich denke, da kommt er nach unserem Dad, denn das Gesicht von Ma strahlte immer nur Stärke aus.

»Ich musste meinen Anwalt bezahlen«, fuhr Danny fort. »Scheiße, auf dem Bau verdiene ich nun mal nicht genug, um mir einen BMW oder so leisten zu können. Ich konnte nicht länger über meine Verhältnisse leben. Aber der Honda ist in Ordnung. Er fährt. Und darauf kommt’s doch an, oder?«

Ich quittierte das mit einem kalten Blick. »Was für ein Baujahr ist diese Schrottmühle?«

»An dem Wagen ist nichts auszusetzen. ’88er Baujahr, also was soll’s.«

Ich linste hinüber und sah, wie der Tacho Richtung 300.000 marschierte. »Weißt du, wie unangenehm mir das eben war, als ich gesehen habe, mit was für ’nem Haufen Blech du vorfährst? Meine Güte, Danny, was ist los mit dir? Hast du keine Selbstachtung mehr? Es will mir einfach nicht in den Schädel, dass du bereit warst, aus Southie wegzuziehen.«

»Du machst einen Riesenaufriss wegen dem Auto, Kyle. Es ist ein Transportmittel, mehr nicht. Es bringt einen von A nach B. Es bestimmt nicht, wer man ist. Ist ja nicht so, als hätte ich acht Jahre wegen bewaffnetem Raubüberfall im Knast gesessen.«

Ich registrierte das kleine Fick-dich-Lächeln, das in seinem Gesicht aufblitzte. Da war etwas Wahres dran an dem, was er gesagt hatte, mehr, als er sich vorstellen konnte. Meine Verhaftung hatte ich weggesteckt wie ein Mann. Ich hatte geschwiegen. Mich auf keine Deals eingelassen — nicht mal nachdem ich die Wahrheit über Red herausgefunden hatte. Ich hatte meine gesamte Strafe abgesessen, alle acht Jahre; die ersten fünf im Bundesjustizvollzug, aufgeteilt zwischen Beaumont und Leavenworth, die letzten drei im übelsten Rattenloch, das Massachusetts zu bieten hat. Die ersten frühen Angebote in Sachen Bewährung, mit denen sie mich hatten locken wollen, hatte ich abgelehnt. Ich wollte frei und unbelastet sein, wenn ich rauskam. Anders Danny, der sich, nachdem sie ihn wegen einer Schutzgeldsache mit einem Nachtklub hochgenommen hatten, auf ein Gnadengesuch einließ mit der Auflage, sich von seinem alten Leben zu verabschieden. Der Deal sah vor, dass Danny aus Southie wegzog und sich von alten Kumpanen fernhielt. Und wofür? Um einem Jahr oder zwei in Billerica oder in einer anderen Institution der mittleren Sicherheitsstufe zu entgehen? Das wäre eher Club Med gewesen verglichen mit den Orten, wo ich gesessen hatte. Aber das musste er mit sich selbst ausmachen. Ich konnte Gott nur danken, dass mein Bruder niemanden verpfiffen hatte.

Danny hielt an und kaufte ein paar Blumen für Ma. Den Rest der Fahrt kam kein Gespräch mehr zwischen uns auf. Als wir am Friedhof in West Roxbury ankamen, wo man Ma begraben hatte, bemerkte ich, wie Danny mich von der Seite ansah.

»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte er.

Ich nickte, nicht sicher, ob ich meiner eigenen Stimme trauen konnte.

Ihre Grabstelle lag unter einem Fächer-Ahorn. Es war hübsch. Das Grab sah sauber und gepflegt aus. Da lehnte ein kleiner Kranz am Grabstein und darum herum waren Blumen arrangiert. Ich nahm die Blumen, die Danny gekauft hatte, und legte sie dazu. Ich stand da, las die Inschrift des Grabsteins und dachte an Ma. Sie starb, zwei Jahre nachdem man mich eingesperrt hatte. Ich seh sie noch immer vor mir, wie sie im Gerichtssaal in Tränen ausbrach, als der Richter mich zu fünf bis acht Jahren verurteilte. Ich werde wohl nie vergessen, wie sich ihr weiches rundes Gesicht verzerrte, als sie weinte. Immer wenn ich die Augen schließe und Ma schluchzend vor mir sehe, schwöre ich, Red eines Tages dafür büßen zu lassen.

»Es sieht friedlich aus«, sagte ich. »Es sieht gut aus. Du hast für Ma das Richtige getan.«

»Ich komme jede Woche hierher und kümmere mich darum«, sagte Danny. Er legte mir eine Hand auf die Schulter und fügte hinzu: »Ma ist schnell gestorben. Sie musste nicht lange...


Dave Zeltserman wurde in Boston geboren und arbeitete dort mehrere Jahre als Software-Entwickler. Er begann zu schreiben und machte mit knallharten Noir Romanen in der Tradition eines Jim Thompson auf sich aufmerksam. Heute zählt er zu den einflussreichsten Krimi- und Horrorautoren der USA. Zeltserman lebt mit seiner Frau in Newton, Massachusetts und widmet jede freie Minute den Martial Arts.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.