Zeindler / Hofheinz | Reformierte Theologie weltweit | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 332 Seiten

Zeindler / Hofheinz Reformierte Theologie weltweit

Zwölf Profile aus dem 20. Jahrhundert

E-Book, Deutsch, 332 Seiten

ISBN: 978-3-290-17735-5
Verlag: TVZ Theologischer Verlag Zürich
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Was heisst eigentlich 'reformiert'? Die Frage nach der reformierten Identität ist nicht neu, sie zieht sich wie ein roter Faden durch das 20. Jahrhundert. Die Positionen der vorgestellten zwölf wichtigen reformierten Theologinnen und Theologen des 20. Jahrhunderts zeigen, dass sie in verschiedenen Kontexten zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich beantwortet wurde. Dabei wird deutlich, wie sensibel reformierte Theologie jeweils auf die Probleme ihrer Zeit reagiert - und darum Kirche, Ökumene und Gesellschaft unübersehbar und nachhaltig geprägt hat. Karl Barth, Colin E. Gunton, Jürgen Moltmann, Christiaan Frederick Beyers Naudé, J.E. Lesslie Newbigin, Reinhold Niebuhr, Wilhelm Niesel, Oepke Noordmans, Soon Kyung Park, Letty Russell, Thomas F. Torrance und Willem Adolf Visser 't Hooft.

Matthias Zeindler, Dr. theol., Jahrgang 1958, ist Titularprofessor für Systematische Theologie/Dogmatik an der Theologischen Fakultät Bern und Leiter Bereich Theologie der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn.
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|23| Karl Barth (1886–1968) – ein reformierter Reformierter
Theologie für eine durch Gottes Wort zu reformie­rende Kirche Michael Weinrich Vor allem in Deutschland wurde Karl Barth von seinen Kritikern immer wie­­­der mit dem Stigma seines Re­for­mier­tentums etikettiert – beson­ders in­­ten­siv zur Zeit des Kirchen­kamp­fes. Häufig wurde damit zu­min­dest indirekt eine grundsätzli­che Dis­qua­­lifikation annonciert, die Grund ge­nug war, Barth gegenüber einen prin­zi­piellen Abstand zu wah­ren. Gleich­zei­tig befand sich Barth in einer durch­aus bemerkenswerten Kons­tanz gerade auch mit den Re­formier­ten in einer kritischen Auseinan­der­set­­zung – und das keineswegs nur am Rande. Von beiden Seiten schlug ihm Skepsis entgegen, die zwar sehr un­ter­­­schied­lich begründet war, aber in jedem Fall mit dem reformierten Profil seiner Theologie zu tun hatte; was den einen (in der Regel ohne nähere Benennung der problematischen Aspekte) zu reformiert war, erschien den anderen zu wenig reformiert, weil die spezifische Prägekraft der reformierten Tradition zu wenig her­ausgestellt werde (Barth liess jeden reformierten Stallgeruch vermissen). Bei aller Unterschiedenheit waren beides mehr gefühlte als tatsächlich ausgewiesene Vorbehalte. Tatsächlich aber wirkte Barth, verglichen mit den geltenden kon­fessio­nel­len Verlässlichkeiten, wie ein programmatisch agieren­des unregelmäs­siges Verb, indem er nicht nachliess, die überkom­mene Regelmässigkeit in den theologischen Deklinationen anzu­greifen. |24| Barth attackiert die Harmlosigkeit gewohnheitsmässigen Theolo­gietrei­bens, das mit den üblichen Regelmässigkeiten verbunden ist und eben dann in der Regel auch nur zu mässigen Einsichten führt. Die angedeutete diffuse Gemengelage legt die Frage nahe, wie es sich nun tatsächlich mit Barths Beziehung zur reformierten Tradition verhält. Ist Barth im konfessionellen Verständnis ein reformierter Theologe und wenn ja, in welchem Sinne ist er es? Der erste Teil der Frage wird sich relativ einfach beantworten lassen, während eine Antwort auf den zwei­ten Teil der Frage durchaus mit einigen Schwierigkeiten verbunden ist. Immerhin wurde Barth 1921 ausdrücklich für die reformierte Theolo­gie von seiner Schweizer Pfarrstelle an die Theologische Fakultät in Göt­tingen berufen, nicht zuletzt unter dem Einfluss des profunden Kenners der reformierten Bekenntnisschriften in Erlangen, Ernst Friedrich Karl Müller (1863–1935). Es wurde von Barth erwartet, dass er insbesondere den reformierten Studierenden das spezifische Profil der reformierten Theologie lehren solle, wozu er als Mitglied einer reformierten Kirche in der Schweiz als besonders prädestiniert angesehen wurde. Barth hinge­gen war zwar Mitglied einer reformierten Kirche, weil in der Schweiz die protestantische Kirche eben vorzüglich reformiert ist, aber er sah sich nun durch den Ruf nach Göttingen seinerseits das erste Mal dazu herausge­fordert, sich in substantiell vertiefter Weise mit der reformierten Tradi­tion auseinanderzusetzen, um schliesslich auch für sich selbst eine Ant­wort auf sein Verhältnis zur reformierten Tradition zu finden. In der volks­kirchlichen Mehrheitssituation der Schweiz war offenkundig auch für Barth die reformierte Tradition die selbstverständlich hingenommene geschichtliche Prägung seiner Kirche, die er in ihrem Alltag von anderen Fragen in Atem gehalten sah als von ihrem konfessionellen Profil.1 Das änderte sich grundlegend mit dem Wechsel nach Göttingen. Barth war nun zu differenzierter akademischer Auskunft über die reformierte The­o­logie herausgefordert und hat diese Herausforderung auch entschlossen und intensiv angenommen. |25| Barth hat dabei einen ganz eigenen Weg eingeschlagen, auf dem er sich zwar auf verschiedene Leitmotive der reformierten Tradition beruft, die er aber ausdrücklich einem reformierten Traditionalismus mit seinen konfessionalitischen Neigungen entgegenstellt.2 Wenn Barth sich auf die reformierte Tradition bezieht, will er konsequent als ein Theologe evan­gelischer Freiheit verstanden werden, der sich um eine unter den gegen­wärtig gegebenen Umständen einzunehmende Position bemüht. Das möch­te ich an drei ausgewählten Beispielen ein wenig illustrieren. Zu­nächst möchte ich mich mit Barths Verhältnis zum Bekenntnis beschäfti­gen (1.). Sodann soll mit einigen Andeutungen Barths besonderes Ver­ständnis des Wortes Gottes angesprochen werden, das die Theologie einer­seits zu einer prinzipiellen Vorbehaltlichkeit nötigt – dafür steht der bleibend dialektische Charakter seiner Theologie – und andererseits ihr eine Freiheit eröffnet, hinter der sie in ihren geschichtlichen Koalitionen und mit ihren ängstlichen Zögerlichkeiten faktisch in beschämender Per­manenz zurückbleibt (2.). Schliesslich möchte ich mich einer unbeachteten Platzanweisung zuwenden, die Barth für die Reformierten in der Öku­mene gleichsam als eine konkrete Konsequenz der Freiheit im Auge hatte (3.). Zum Schluss wird dann eine vorläufige Bilanz gezogen (4.). 1. Von der Besonderheit des Bekenntnisses
Ausweislich des Protokolls der Sitzung der Göttinger Theologischen Fa­kultät am 12. Mai 1921 wird Barths Lehrtätigkeit ausdrücklich auf die «Einführung in das reformierte Bekenntnis, reformierte Glaubenslehre und reformiertes Gemeindeleben» beschränkt.3 Barth musste sich also unweigerlich intensiv mit dem reformierten Bekenntnis und seiner Tradi­tion |26| beschäftigen. Gleich in seinem ersten Semester hält Barth eine Vorle­sung über den Heidelberger Katechismus. Es folgen Vorlesungen über Calvin4 und Zwingli5 und im Sommer 1923 eine Vorlesung über die Theolo­gie der reformierten Bekenntnisschriften6. In dieser Zeit erwirbt Barth nicht nur umfängliche Kenntnisse über das reformierte Bekenntnis und die reformierten Bekenntnisse, sondern er bestimmt zugleich auch sein eigenes Verhältnis zur reformierten Tradition und erarbeitet sich ein eigenes Verständnis von der Bedeutung und Reichweites eines Bekennt­nisses einschliesslich der damit verbundenen Konsequenzen. Das bedeu­tet weniger, dass er nach seinem persönlichen Zugang zu den Bekennt­nissen fragt, wohl aber, dass er konsequent die Forderung erhebt, dass es nicht allein darum gehen könne, die reformierten Bekenntnisse zu pfle­gen, sondern auch die Art und Weise dieser Pflege habe eine reformierte zu sein. Es reiche nicht aus, die reformierten Bekenntnisse in Ehren zu halten und sich an ihnen zu orientieren, sondern es komme auf einen seinerseits ausdrücklich reformierten Umgang mit ihnen an, der sich durchaus von dem lutherischen Umgang mit den Bekenntnissen unter­scheidet. Ich möchte dies an einem konkreten Beispiel veranschaulichen. Ge­rade weil es in diesem Beispiel um die Frage eines erst zu formulierenden Bekenntnisses geht, wird an ihm besonders deutlich, was für Barth mit einem Bekenntnis auf dem Spiele steht. Am 30. Juni 1924 erhielt Barth vom Generalsekretär des Reformiertes Weltbundes, John Robert Fleming, die offizielle Anfrage, ob er bereit wäre, in einem Vortrag auf der zwölf­ten Generalversammlung 1925 in Cardiff auf die Frage zu antworten, ob eine gemeinsame Glaubenserklärung bzw. Bekenntnis für die reformier­ten Kirchen der Welt wünschenswert und möglich sei.7 Das ist eine Frage, |27| die den Reformierten Weltbund schon länger bewegt hat und offenkun­dig bis heute immer wieder aufbricht, wenn erneut nach der reformierten Identität gefragt wird.8 In der veröffentlichten Langfassung des Vortrags formuliert Barth fol­gende konzise Definition für ein Bekenntnis im reformierten Verständnis: «Ein reformiertes Glaubensbekenntnis ist die von einer örtlich um­schrie­benen christlichen Gemeinschaft spontan und öffentlich formu­lier­te, für ihren Charakter nach aussen bis auf weiteres massgebende und für ihr eigenes Lehren und Leben bis auf weiteres richtungge­bende Darstellung der der allgemeinen christlichen Kirche vorläufig ge­schenkten Einsicht von der allein in der Heiligen Schrift bezeugten Offenbarung Gottes in Jesus Christus.»9 Beim einmaligen Hören lassen sich die vielen Aspekte kaum fassen, die in dieser kompakten Definition stecken. Da stehen relativierende Aspekte (örtlich, bis auf weiteres, vorläufig geschenkte Einsicht) neben anderen, in denen die Verbindlichkeit annonciert wird (massgebend, richtunggebend, allgemeine christliche Kirche). Das entscheidende Kriterium wird am Schluss genannt: die Offenbarung Gottes in Jesus Christus, wie sie in der Heiligen Schrift bezeugt wird – eine Assoziation zu der ersten These der einige Jahre später verabschiedeten Barmer Theologischen Erklärung drängt sich geradezu auf. Doch bevor wir auf die theologische Kri­teriologie zu sprechen kommen, wollen wir uns zunächst mit den äus­seren Anforderungen beschäftigen, unter denen sich für Barth die For­mulierung |28| eines Bekenntnisses als sinnvoll und dann eben auch als not­wendig darstellt. Die entscheidende Anforderung ist die, dass ein Bekenntnis konkret sein muss. Aus dieser Anforderung leiten sich im Grunde alle weiteren Anforderungen ab. Was aber meint hier «konkret»? Um dies näher erfas­sen zu können, müssen wir uns den spezifischen Akzent ansehen, den Barth für das reformierte Kirchenverständnis reklamiert. Gewiss gilt für die Kirche entschieden, dass sie eine über die ganze Erde verstreute und somit im substantiellen Sinne eine katholische, d. h. universale Kirche ist. In ihr wird auf das Wort Gottes gehört, geglaubt,...


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