Zedinger Maria Luisa de Borbón (1745-1792)

Großherzogin der Toskana und Kaiserin in ihrer Zeit
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-205-21513-4
Verlag: Böhlau
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Großherzogin der Toskana und Kaiserin in ihrer Zeit

E-Book, Deutsch, Band 22, 195 Seiten

Reihe: Schriftenreihe der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jahrhunderts

ISBN: 978-3-205-21513-4
Verlag: Böhlau
Format: EPUB
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Erstmals in der historischen Forschung wird der Kaiserin und Erzherzogin von Österreich, Maria Luisa de Borbón, der Frau Kaiser Leopolds II., eine eingehende Biographie gewidmet. Als Tochter des spanischen Königs Carlos III. und der kursächsischen Prinzessin Maria Amalia konnte die Infantin auf französische und habsburgische Vorfahren zurückblicken, erstreckten sich ihre Wurzeln über das gesamte europäische Machtgefüge. Mit Erzherzog Leopold 1765 verheiratet, sollte das junge Paar nach dem Verlust Lothringens nun in der Toskana die Dynastie der 'Lorena' weiterführen. Tatsächlich aber entwickelte sich der großherzogliche Hof zur politischen und familiären Drehscheibe, konnten sich Informationen von hier aus schneller verbreiten. Mit den Erfahrungen des Madrider Hofes war Maria Luisa den Anforderungen gewachsen, sie schlüpfte mühelos in die Rolle der Königin und Kaiserin am Vorabend großer politischer Veränderungen und ganz nebenbei sicherte sie mit großer Kinderschar den Bestand der Dynastie.

Renate Zedinger ist Historikerin mit Forschungsschwerpunkt 'Lothringische Geschichte im 18. Jahrhundert'. Sie ist Mitglied der Académie Stanislas in Nancy/Frankreich.
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Auftakt 1765


Habsburg-bourbonischer Allianzenwechsel;
Innsbrucker Hochzeit 1765

Maria Luisa Antonia de Borbón1, Infantin von Spanien (Abb. 1), und Erzherzog Peter Leopold2 (Abb. 2) führten im Großherzogtum Toskana den Bestand des Hauses Lothringen fort und begründeten mit ihren 16 Kindern die neue habsburgisch-lothringische Dynastie. Das Paar verdankte seinen gemeinsamen Lebensweg den beharrlichen Bemühungen des Hof- und Staatskanzlers Kaunitz, Maria Theresia von einem Wechsel der habsburgischen Bündnispolitik zu überzeugen; der traditionelle habsburgische Verbündete war jahrhundertelang England gewesen, das sich aber im Kampf Maria Theresias um den Erhalt ihres Erbes als unverlässlich erwiesen hatte. Schon während seiner Zeit als Gesandter am Hof von Versailles hatte sich Kaunitz mit Hilfe der Madame Pompadour das Vertrauen Ludwigs XV. erworben, als Hof- und Staatskanzler arbeitete er seit 1753 unermüdlich auf eine Allianz mit Frankreich hin. Nach dem Tod Karls VI. und dem Regierungsantritt Maria Theresias hatte Friedrich von Preußen die Gunst der Stunde genutzt und Schlesien annektiert, das seit 1526 zum habsburgischen Länderkomplex gehört hatte; beharrlich verfolgte der Preußenkönig das Ziel, Österreich territorial und politisch zu schwächen. Aber auch die französische Politik hatte sich von der Allianz mit Preußen vor allem in Übersee effizientere Unterstützung erhofft, dazu war es nicht gekommen. Somit sah Kaunitz die Gelegenheit, sowohl Frankreich als auch die Wiener Politik zum Bündniswechsel zu bewegen. Maria Theresias Ziel war die Rückgewinnung Schlesiens.

Die am 1. Mai 1756 vertraglich fixierte „Umkehr der Bündnisse“3 wurde nach alter Tradition mit Ehevereinbarungen zwischen den Häusern Bourbon und Habsburg besiegelt. Noch während der Verhandlungen war die Hochzeit zwischen Erzherzogin Marie Antoinette, geboren am 2. November 1755, und dem späteren Ludwig XVI., geboren am 23. August 1754, vereinbart worden, die letztlich im Jahr 1770 stattfinden sollte. Allerdings gab es in beiden Familien Prinzen und Prinzessinnen im heiratsfähigen Alter, da musste man nicht so lange warten; daher begann sich das Hochzeitskarussell sehr schnell zu drehen, die Wiener Politik knüpfte Verbindungen zu den Bourbonen in Parma, Neapel, Spanien; als erste Heirat wurde im Oktober 1760 jene zwischen dem späteren Kaiser Joseph II. und Isabella von Bourbon-Parma4, der Enkelin des französischen Königs Ludwig XV., vereinbart. Im Gespräch war auch eine Verbindung des Kronprinzen mit Maria Luisa, der Tochter des neapolitanischen, später spanischen Königspaares gewesen, der Wiener Hof entschied sich vorerst für die politisch wichtigere und direktere Anbindung an Frankreich, hatte Isabella doch jahrelang am Hof von Versailles gelebt. Aber auch der neapolitanische König Carlos VII. entstammte dem Haus Bourbon, er war ein jüngerer Bruder des spanischen Königs; als dieser nun am 10. August 1759 kinderlos verstarb, folgte er ihm als Carlos III. auf dem spanischen Thron nach. Nun wurde die Verbindung des zweitgeborenen Erzherzogs Karl mit der nunmehr spanischen Königstochter Maria Luisa attraktiv. Karls unerwarteter Tod im Jänner 1761 vereitelte das Projekt, ließ jedoch sowohl in Wien als auch in Madrid den Plan entstehen, die Infantin mit dem nächstgeborenen Erzherzog Peter Leopold zu verheiraten. Kaiser Franz I. Stephan hatte beabsichtigt, seinem Zweitgeborenen die Nachfolge im Großherzogtum Toskana zu sichern und so „erbte“ Peter Leopold nicht nur die Braut seines Bruders, sondern auch dessen Herrschaftsgebiet5. Im Rahmen der Eheverhandlungen verfügte Kaiser Franz I. Stephan, das ihm als Entschädigung für Lothringen überlassene Großherzogtum Toskana als Sekundogenitur für seinen Sohn Leopold einzurichten, hier sollte der Erzherzog das Haus Lothringen weiterführen; letztlich regierte die Dynastie „Lorena“ das Großherzogtum mit kleinen Unterbrechungen bis 1859. Mit diesem Beschluss wollte Franz Stephan von Lothringen die Anbindung an den habsburgischen Länderkomplex für alle Zeiten verhindern. Diese Bestimmung stellte aber auch für den spanischen König eine unabdingbare Voraussetzung dar, sollte seine Tochter doch eine repräsentative Stellung in eigener Herrschaft einnehmen und nicht nur den jüngeren Bruder des späteren Kaisers Joseph II. heiraten6. Den beiden Brautleuten konnte nichts Besseres passieren, sie wurden ein kongeniales Paar.

Abb. 1: Maria Ludovica als Großherzogin der Toskana, österreichischer Maler, Hofburg Innsbruck, © Burghauptmannschaft Österreich, Foto Bunge (Firma Neubauer).

Abb. 2: Leopold als Großherzog der Toskana, österreichischer Maler, Hofburg Innsbruck, © Burghauptmannschaft Österreich, Foto Bunge (Firma Neubauer).

Da dem spanischen König Carlos III. sehr daran gelegen war, diese Verbindung zum Abschluss zu bringen, der Wiener Hof das „Beylager“ aber nicht vor dem 18. Geburtstag des Erzherzogs vollziehen wollte – er war zwei Jahre jünger als die Infantin –, wurde in Madrid bereits 1764 die Hochzeit ‚per procura‘ mit einem wahren Festesreigen ausgerichtet. Natürlich wurde auch in Wien gefeiert, der Hof veranstaltete ein großes öffentliches Diner und einen Ball im Redoutensaal der Hofburg mit „Zuziehung der hier anwesenden fremden Herrn Botschafter“7.

Nachdem Erzherzog Peter Leopold am 5. Mai 1765 sein 18. Lebensjahr vollenden würde, musste der Wiener Hof nun entscheiden, wo die kirchliche Trauung stattfinden sollte. Sowohl das Kaiserpaar als auch der Brautvater hatten sich gegen die Haupt- und Residenzstadt Wien ausgesprochen. Maria Theresia bestimmte nunmehr die Stadt Innsbruck, sie wollte das Land Tirol, die Stadt und das Statthalterpaar Graf und Gräfin Enzenberg8 besonders auszeichnen9. Nachdem entschieden war, dass die feierliche Hochzeit Anfang August 1765 in Innsbruck stattfinden sollte10, konnten nun an beiden Höfen die notwendigen Vorbereitungen getroffen werden: Die kaiserliche Familie würde sich Mitte Juli 1765 auf den Weg machen, die Infantin hatte die längere Fahrt vor sich, sie würde per Schiff nach Genua reisen und von dort in kleineren Etappen über den Brenner nach Innsbruck gelangen. So geschah es und während die kaiserliche Familie beizeiten in Innsbruck eintraf, verspätete sich die Infantin infolge schlechten Wetters während der Seereise. Noch am 24. Juni 1765 schrieb die Prinzessin ihrer Großmutter, dass sie sich am nächsten Tag in Cartagena einschiffen würden und hofften, innerhalb von sieben bis acht Tagen Genua zu erreichen. Tatsächlich kamen sie erst am 17. Juli 1765 nach fürchterlichem Sturm und hohem Seegang an11. Es war aber gut so, denn Erzherzog Peter Leopold hatte sich eine Darmerkrankung zugezogen und zeitweise ging es ihm so schlecht, dass überlegt wurde, ihm die Sterbesakramente zu verabreichen. Langsam erholte er sich. Maria Luisa sah ihren Ehemann erstmals in Brixen, am 1. August 1765. Erzherzog Peter Leopold hatte Innsbruck am 29. Juli verlassen, um seine Braut außerhalb des familiären und höfischen Trubels, in kleinem Rahmen zu begrüßen. Der Vater war dem Sohn schon vorausgeeilt. Kaiser Franz I. Stephan war nach Bozen gefahren, nicht um schnellstens die zukünftige Schwiegertochter zu begutachten, sondern um bei der reichen Bozener Kaufmannschaft eine Anleihe von 200.000 Gulden aufzunehmen – die bevorstehende Hochzeit war fernab der heimatlichen Residenz nicht nur eine logistische, sondern auch eine finanzielle Herausforderung. Tatsächlich war es für die reiche Stadt Bozen aber kein Problem, die Summe innerhalb weniger Stunden zur Verfügung zu stellen. So konnte sich der Kaiser zur Begrüßung der Erzherzogin/Infantin unter die Honoratioren stellen – inkognito, wie er meinte. Aber sein prächtiges Mantelkleid verriet ihn: Maria Luisa, vertraut mit den Gepflogenheiten des spanischen Hofzeremoniells und darin geübt, im Begrüßungsrummel die wichtigen Persönlichkeiten zu erkennen, war sich sehr schnell bewusst, wer da vor ihr stand. Nach nächtlichem Feuerwerk und Böllerschießen fuhren der Kaiser und Maria Luisa gemeinsam nach Brixen, wo sich die Brautleute erstmals persönlich gegenüberstanden12.

In Innsbruck hatte die kaiserliche Familie seit dem 15. Juli auf das Eintreffen der Braut gewartet. Als Graf Thurn13, der Obersthofmeister Peter Leopolds, am 18. Juli 1765 erstmals der Erzherzogin/Infantin in Genua gegenüberstand, war er begeistert14. Graf Thurn hat es wohl richtig vorhergesehen, Peter Leopold und Maria Luisa verstanden sich auf Anhieb, ihre Ehe wurde eine Partnerschaft auf Augenhöhe.

Am 5. August 1765 konnte die feierliche Hochzeit in der Innsbrucker Pfarrkirche Sankt Jakob stattfinden (Abb. 3), der Altersunterschied von zwei Jahren war der Beziehung eher förderlich. Maria Luisa betreute ihren immer noch kränkelnden Ehemann liebevoll und behutsam, so wie sie es nach dem Tod der Mutter mit den jüngeren Geschwistern gemacht hatte. Ihre Fürsorge wurde allgemein anerkannt, Maria Theresias Sekretär Koch berichtete darüber am 18. August 1765 an Lebzeltern, den...



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