Zach | Donaumelodien - Fiakertod | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 4, 311 Seiten

Reihe: Geisterfotograf Hieronymus Holstein

Zach Donaumelodien - Fiakertod

Historischer Kriminalroman
2023
ISBN: 978-3-8392-7518-4
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Historischer Kriminalroman

E-Book, Deutsch, Band 4, 311 Seiten

Reihe: Geisterfotograf Hieronymus Holstein

ISBN: 978-3-8392-7518-4
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Wien, 1877. Ein junger, vornehm gekleideter Mann wird ermordet aufgefunden. Die Polizei legt den Fall schnell als Lustmord zu den Akten. Zu ihrer Überraschung werden Geisterfotograf Hieronymus Holstein und sein Freund, der „bucklige Franz“, von Pathologe Salomon Stricker mit der Aufklärung des Falls beauftragt. Doch nichts ist, wie es scheint. Waren etwa die Fiaker involviert? Und was hatte die berühmte Hellseherin Madame Asima mit dem Opfer zu schaffen?

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II
Die Tabakschwaden in der Kellerschenke »Zum roten Säbel« wogen schwer. Gleich einem seidenen Vorhang schienen sie sich zu öffnen, wenn ein Gast durch sie hindurchwankte, und schlossen sich in kräuselnden Formationen, wenn er sie passiert hatte. Über Jahrzehnte hatten sie das einst ausgeweißelte Gewölbe dunkel gefärbt, hatten die Wandmalereien gebräunt, waren in jede Ritze gekrochen und hatten sich in einer immer dicker werdenden Staubschicht auf dem Gebälk zur Ruhe gesetzt. Jene Gerüche, die der Rauch nicht zu übertünchen vermochte, waren die nach abgestandenem Bier, verschüttetem Wein und kaltem Schweiß. Die Lokalität war wie immer gut besucht. Doch kaum einer kam hierher, um der Gesellschaft anderer zu frönen. Vielmehr zogen es die meisten vor, neben den anderen allein zu bleiben. Allein mit sich, ihren Gedanken, ihren Sorgen. Überhaupt stellten Letztere den eigentlichen Grund dar, weshalb man sich hierherbegab, von der Außenwelt die schmale Wendeltreppe hinab in die Schank, wo es weder Tag noch Nacht zu geben schien. Ein Raum, losgelöst von der Zeit, entrissen dem Alltag. Hieronymus stierte auf seinen Bierkrug. Der wenige Schaum, der nach dem Einschenken die Krone gebildet hatte, war nun an den Wänden des Krugs getrocknet, eine verkrustete Erinnerung an jeden Schluck. Am Boden hatte sich ein hauchdünner Satz Bier gesammelt, warm und bar jeder Kohlensäure. Hieronymus griff das Trinkbehältnis, setzte es an die Unterlippe und wartete geduldig, bis auch der letzte Tropfen hinabgelaufen und in seinen Schlund getropft war. Lauter, als er es vorgehabt hatte, stellte Hieronymus das Gefäß auf den Tisch und winkte dem Wirt, ihm ein neues Bier zu bringen. Anschließend fingerte er mit ungeschickten Bewegungen das silberne Zigarettenetui aus seiner Rocktasche, ließ es aufklappen und entnahm mit gespitzten Lippen einen Glimmstängel der Marke Eckstein. Mit der Flamme der Kerze am Tisch entzündete er sie. Hieronymus’ Lungen brannten, ihm wurde schwindelig. Seine Augen suchten hektisch nach etwas, woran sie sich festhalten konnten. Mit einem Tusch stellte der Wirt, der ob seines aufgedunsenen Gesichts und seiner geröteten Wangen sein eigener bester Kunde zu sein schien, das frisch gezapfte Bier auf den Tisch vor Hieronymus, daneben ein kleines Glas mit klarer Flüssigkeit. »Den Obstler hab ich nicht bestellt«, sagte Hieronymus mit hörbar schwerem Zungenschlag und ergriff sofort das Stamperl. »Trink ihn trotzdem.« Der Wirt knurrte etwas Unverständliches und verschwand wieder hinter der Wand aus Rauch. Mit dem Blick trunkener Erkenntnis betrachtete Hieronymus das kleine Glas in seiner Hand – des Teufels flüssige Manifestation – und leerte es in einem Zug. Nun brannten ihm auch die Kehle, die Speiseröhre, der Magen. Doch all dies war nichts im Vergleich zu dem Schmerz in seiner Seele. »Karolína«, formten seine Lippen lautlos, mit grausamer Gewissheit. Anscheinend, so kam Hieronymus in den Sinn, war er noch nicht betäubt genug. Er zuckte unwillkürlich mit den Schultern. Und wenn schon. Der nächste Krug voll abgestandenem, kellerkühlem Bier würde es wohl richten. Und wenn nicht, dann der Krug danach. »Da steckst du also, du Taugenichts!« Hieronymus kannte die Stimme. Benommen blickte er auf. Vor ihm stand ein kleiner, korpulenter Mann. Das Haupt kaum von den spärlichen grauen Haaren bedeckt, dafür mit buschigen Augenbrauen. Sein Wanst war so beachtlich wie sein Buckel. Franziskus Maria Rudolphi, Weggefährte und engster Verbündeter von Hieronymus. »Franz.« Hieronymus grinste schmierig und verwies auf die beiden leeren Stühle an seinem Tisch. »Ich würde dir ja gern ein Platzerl anbieten, aber wie’st sehen kannst, sitzt da schon wer.« Der Bucklige setzte ein mindestens ebenso schmieriges Grinsen auf. »Ah, die Herren Schuld und Reue. Habe d’Ehre!« Der andere machte eine lapidare Handbewegung. »Nein, die sind erst morgen bei mir zu Gast. Im Augenblick sitzen hier die Gebrüder Istmiralleswurscht.« »Nüchtern betrachtet bist du besoffen noch weniger zu ertragen, mein Freund und Kupferstecher.« Hieronymus hob herausfordernd sein Glas. »Da ich dich sowieso nicht davon abhalten kann, so gesell dich halt zu uns.« Er stutzte, verengte die Augen. Sein Blick fixierte die hagere Gestalt, die hinter Franz stand und wirkte, als lauerte sie auf etwas. »Momenterl! Wen hast du da im Schlepptau?« Franz trat zur Seite, die hagere Gestalt einen Schritt nach vorn. Ein Mann Mitte dreißig, in einen edlen Frack gekleidet, eine Nickelbrille im scharfkantigen Gesicht, den Oberlippenbart zu einer präzisen Linie rasiert. Hieronymus stieß ein unüberhörbares Seufzen aus. »Ist nicht dein Ernst!« »Ich freue mich auch, Sie wiederzusehen, Herr Holstein«, sprach der Mann mit näselnder Stimme und norddeutschem Akzent. »Ich hab mich schon immer gefragt, wie einer wie Sie seine Zeit vertrödelt. Und nun, da ich es weiß, wünschte ich, ich wüsste es nicht.« Hieronymus griff das Schnapsglas, versuchte verzweifelt, noch einen letzten Tropfen mit der Zunge zu ergattern. Vergebens. Resigniert ließ er es über den Tisch kullern. »Warum genau schleppst du den Leichenschänder zu mir?« Der Pathologe Salomon Stricker goutierte die Insultation mit einem lakonischen Zucken der rechten Augenbraue. Seitdem er vor einem Dreivierteljahr die Bekanntschaft des Geisterfotografen Hieronymus Holstein und seines Begleiters, dem buckligen Franz, gemacht hatte, waren sich die Herren so sympathisch wie Hund und Katze. Franz rückte den einen Stuhl für seinen Gast zurecht. Auf den anderen ließ er sich ächzend fallen, was dieser ebenso ächzend quittierte. »Ich weiß«, begann Franz, während Salomon ebenfalls Platz nahm, »du bist hier, um von mir und allen anderen, denen du am Herzen liegst, möglichst weit weg zu sein. Hab ich in den letzten Wochen auch respektiert, oder?« Hieronymus machte eine zwiespältige Handbewegung. »Also, von mir aus kannst du dir den Seelenschmerz wegsaufen. Oder –« »Dann hätten wir das auch besprochen«, unterbrach ihn der Geisterfotograf. »Danke für die Visite.« »Jetzt reißen Sie sich mal am Riemen, Mensch!« Salomons Stimme hallte durch das Gewölbe des Sabelkellers. Gespräche verstummten. Hieronymus antwortete auf den energischen Einwand mit einem demonstrativ großen Schluck Bier, gefolgt von demonstrativem Schweigen. »Also gut«, versuchte sich Franz erneut zu erklären. »Hör dir an, was der Herr Stricker zu berichten weiß. Wenn du dich danach immer noch vernichten willst, stehen wir auf und gehen.« Hieronymus überlegte, was angesichts seines nicht unbeträchtlich alkoholisierten Zustands länger dauerte, als er selbst wahrnahm. Schließlich winkte er dem Wirt, Nachschub zu liefern. »Na dann packen Sie mal aus, Sie Fleischhackerbub. Aber zuerst –« Der Wirt stellte drei Krüge mit Bier am Tisch ab und ging erneut wortlos. »Zuerst trinken wir. Wird Zeit, dass der Herr aus dem Norden den original Wiener Fensterschwitz1 kennenlernt.« Franz verdrehte genervt die Augen. Dann stießen die drei Männer an und tranken. Mit diebischer Freude beobachtete Hieronymus, wie es den Pathologen bei jedem Schluck würgte. Und dass dieser sich sein Unwohlsein tunlichst nicht anmerken lassen wollte. »Wohlan«, gab Hieronymus sich höfisch. »Was ist Euer Begehr?« Salomon atmete tief durch, was aufgrund der schlechten Luft einen hässlichen Hustenanfall mit sich zog. Nachdem er sich ausgiebig geräuspert hatte, wurde er todernst. »Zunächst einmal können Sie mir glauben, dass ich im Augenblick überall sonst lieber wäre als hier bei Ihnen. Und dennoch bin ich gekommen, da ich vermeine, nur Sie können mir helfen. Sie und Ihr freundlicher Freund.« »Geh, ich bin einfach der bucklige Franz«, warf der ein, ohne dass dies in irgendeiner Weise vonnöten gewesen wäre. Hieronymus fixierte sein Gegenüber. »Eine Angelegenheit, bei der nur wir Ihnen helfen können? Was ist denn geschehen? Sind Sie aufgrund Ihrer hochtrabenden Art bei Polizeipräsident Marx in Ungnade gefallen?« Er hielt inne. »Nein! Sagen Sie nichts! Sie haben eine Mamsell aufgeschnitten und dabei erkannt, dass sie noch gar nicht tot war, doch nun ist sie es?« Salomon rang nach Worten. Franz rieb sich peinlich berührt die Stirn. »Oder haben Sie –« »Ein Bekannter von mir wurde ermordet.« Salomons Worte klangen kalt und unnahbar, offensichtlich um zu verhehlen, wie nahe sie ihm gingen. »Ein … Mord?« Nun wurde auch Hieronymus ernst. »Sollten Sie damit nicht zur Polizei gehen?« »Dort war ich schon«, antwortete der Pathologe. »Doch dort gedenkt man, einen feuchten Kehricht zu tun.« Hieronymus zog an seiner Zigarette und sah zu Franz. »Warum in Gottes Namen sollte es der Heh2 wurscht sein?« Der andere zuckte mit den Schultern. »Erklär ich Ihnen später«, fuhr Salomon unbeirrt fort. »Aber –« »Was ist mit Polizeipräsident Marx?«, schlug Hieronymus vor. »Belästigen Sie doch ihn damit. Der freut sich immer über –« »Der Herr Polizeipräsident weilt mit seiner Frau Gemahlin zur Kurfrische in Baden. Und sein Stellvertreter hat so viel Rückgrat wie ein französischer Soldat.« »Also sollen der Franz und ich in der Sache für Sie ermitteln. Hab ich Sie da richtig verstanden?« Salomon nickte...


Zach, Bastian
Bastian Zach wurde 1973 in Leoben geboren und verbrachte seine Jugend in Salzburg. Das Studium an der Graphischen zog ihn nach Wien, als selbstständiger Schriftsteller und Drehbuchautor lebt und arbeitet er seither in der Hauptstadt. 2020 wurde sein Krimi-Debüt „Donaumelodien - Praterblut“ für den Leo-Perutz-Preis nominiert. Wiens morbider Flair ist es auch, der ihn zu seinen Kriminalromanen inspiriert, und seine Liebe, Historie mit Fiktion zu verweben, lässt das Wien um die Jahrhundertwende wieder lebendig werden.



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