Wurlitzer | Zebulon | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 300 Seiten

Wurlitzer Zebulon


1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-7017-4293-6
Verlag: Residenz
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 300 Seiten

ISBN: 978-3-7017-4293-6
Verlag: Residenz
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Zebulon Shook taumelt an der Grenze zwischen Leben und Tod durch einen psychedelischen Western - eine Kugel im Herzen dem letzten Horizont entgegen. Zebulon Shook heißt der Held dieses Western ohne Helden: Nachdem er Lobo Bill im Kampf um eine Frau, halb Irin, halb Indianerin, erschießt, verlässt der abgebrannte Trapper und Fellhändler seine Hütte am Gila-Fluss in New Mexico und zieht Richtung Westen. Sein Weg führt ihn durch ein Land, wo kein Gesetz herrscht und Amerika noch nicht begonnen hat. In einem Bordell trifft er seinen Stiefbruder Hatchet Jack wieder, verliert beim Poker gegen die trickreiche und schöne Hure Delilah, fängt sich eine Kugel ein, und als er tags darauf erwacht, weiß er nicht, ob er noch lebt oder nur ein Geist ist unter Geistern. Auf der Suche nach seinem Vater macht er sich auf nach Kalifornien, wo der Goldrausch Exzesse von Gier und Gewalt feiert, trifft in einer Opiumhöhle Delilah wieder und wird als notorischer Outlaw von den Kräften von Recht und Ordnung gejagt. Schließlich stößt er an die letzte Grenze, wo die Welt endet und etwas anderes beginnt ...

Rudolph Wurlitzer, geboren 1937 in Cincinnati, Ohio. Fünf Romane in knapp 40 Jahren (u.a. 'Nog' (1969), 'Slow Fade' (1984)) und mehrere Filmdrehbücher, u.a. für Sam Peckinpah ('Pat Garrett jagt Billy the Kid' (1973)), Alex Cox, Volker Schlöndorff und Bernardo Bertolucci, haben seinen Ruf als Kultautor begründet. 'Zebulon' ist sein jüngster Roman, er erschien 2008 unter dem Titel 'The Drop Edge of Yonder'. Wurlitzer lebt in New York und Nova Scotia.

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ALS DIE TAGE LÄNGER WURDEN und keilförmige Schwärme von Gänsen und Enten am Himmel erschienen, schnallte Zebulon seine Felle zwei Maultieren auf den Rücken und ritt auf seinem Pferd los. Er war ein hochgewachsener, grobknochiger Mann, der in schmierigen Hirschlederhosen durch die Berge zog, mit verfilztem blondem Haar, das ihm über die Schultern fiel, der knorrige Rumpf von oben bis unten übersät mit Narben von Messer- und Pfeilwunden und von geheimen, unvorstellbaren anderen Verletzungen. In dem Jahr fand das Rendezvous am Purgatory River statt, am Ausgang eines schmalen, mit Grüppchen von Pappeln und verkümmerten Erlen bestandenen Tals. Als Zebulon mit seinem Pferd auf das weitläufige Lager halb verhungerter Indianer und betrunkener Mountain Men zusteuerte, vertrat ihm eine uralte Arapaho-Squaw den Weg, die einen Zylinder und eine schmutzige braune Decke über einem langen roten Rock trug. In einer Hand hielt sie eine aus einer Wapiti-Geweihstange geschnitzte Kriegskeule, in der anderen eine Rassel. Während er sein Pferd um sie herum lenkte, glitt ein leuchtender Schleier aus rauchigem Licht zitternd ihren Körper hinab. Er musste daran denken, wie Nicht-hiernicht-da ihn mit zornigen, anklagenden Augen angestarrt hatte. Bei näherem Hinsehen löste sich die Gestalt in die einer Mulattin mit hohen Wangenknochen und schließlich in die starre Totenmaske einer weißhaarigen mexikanischen Vettel auf. Die Arapaho lachte über seine Angst. Sie schüttelte ihre Rassel und umkreiste ihn drei Mal, bis ihm die Sinne schwanden und er kopfüber vom Pferd fiel. Als er sich aus dem Schlamm aufrappelte, war sie verschwunden, als sei sie nie dagewesen. Er ritt weiter auf das Lager zu, angespornt von langgezogenen Juchzern und Pistolenschüssen der versammelten Trapper, die Vorräte mit Fellen bezahlten, Pferde tauschten, Glücksspiele machten und Händel austrugen. Diesmal würde er die Sau rauslassen, sagte er sich, das hatte er sich verdient, obwohl die knickrigen Agenten der Gesellschaften einem die Vorräte – Whiskey, Kaffee und Schießpulver, unter anderem –, ohne die kein Mountain Man leben konnte, er selbst schon gar nicht, nur für zwei Monate auf Pump verkauften. Und obwohl er wusste, dass sich die Gespräche an den Lagerfeuern nicht mehr darum drehen würden, wer skalpiert worden oder ertrunken war oder wer wem was und warum angetan hatte. Nichts da. An diesem einen Abend war er nicht in der Stimmung, sich das Gejammer über den Niedergang des Pelzhandels anzuhören, über den ausufernden kalifornischen Goldrausch oder über die Massen ignoranter Flachländer, die über die Berge ausschwärmten wie Heuschrecken, oder über die letzten Tage des freien Trappers, das Ende jener Zeiten, als ein Mountain Man reiten konnte, wohin er wollte, und jeden Unfug anstellen durfte, der ihm in den Sinn kam. Eine Lebensweise, die von neuen Drecksnestern und ahnungslosen Greenhorns aus dem Osten immer mehr verdrängt wurde, die vom Einzug der Zivilisation und vom Feiertagsgebot faselten – das zu befolgen zumindest für ihn und seinesgleichen nicht in Frage kam. Nicht mit mir, bekräftigte er. Als einer dieser Verrückten aus den Bergen würde er die Zähne in alles schlagen, was ihm vor die Nase kam, und die Freuden dieses Rendezvous genießen bis zum Umfallen. Komme, was da wolle. Nachdem er für seine Felle ein zu niedriges Angebot in bar akzeptiert hatte, ließ er sich bis zur Bewusstlosigkeit vollaufen. Vor rauschhafter Begeisterung überschäumend, beteiligte er sich an einem Wettkampf im Tomahawkwerfen, dem sich mehrere Runden Three Card Monte anschlossen, dann eine schnelle Nummer mit einer Pawnee-Squaw und, zusammen mit einem Dutzend anderer Berg-Desperados, eine wüste Massenprügelei in fettem Schlamm, die ein jähes Ende nahm, als ein durchgedrehter Polacke ihm die Unterlippe abbeißen wollte. »Ein Hurra auf die Berge!«, rief Zebulon, trieb dem Polacken mit einem Faustschlag die Nase halb in den Schädel und trat ihm noch seine letzten paar Zähne aus. Dann torkelten die beiden Männer Arm in Arm zu den anderen Verrückten hinüber, die am Ufer des Hochwasser führenden Purgatory rauchend und trinkend um ein Feuer saßen. Sie soffen die ganze Nacht durch, und der vom Tauwetter angeschwollene Fluss rauschte an ihnen vorbei, während sie schlabberige Bisonkutteln in ihre gut geölten Schlünde stopften, Lieder sangen und die windigen Lügengeschichten eines langen Winters austauschten. Am nächsten Morgen stampfte er durch einen trommelschlagenden, fiedelkratzenden Fandango und spielte dann Poker auf einer über die gefrorene Erde gebreiteten, zerrissenen Decke. Er gewann mehr, als ihm zustand, wenn man bedachte, dass er nicht in der Lage war, die Zahlen auf den Karten auseinander zu halten. »Je schlechter, je besser«, schrie er, während er sein Siegerblatt Karte für Karte hinknallte. In früheren Jahren hätte er nicht aufgehört, ehe er nicht seine gesamte Winterausbeute verloren hatte und bei der Fur Company bis über beide Ohren verschuldet war. Das war die Alles-oder-Nichts-Parole, nach der er immer gelebt hatte. Das nächste Jahr kam bestimmt, und wenn sein Beutel endlich leer war und sein Körper zerschunden und zerbrochen, kehrte er in die Berge zurück, um seine Wunden verheilen zu lassen, zu jagen und zu wandern, wohin immer der Wind und seine primitiven Instinkte ihn trieben. Es war ein großartiges, rundum freies Leben, das er für selbstverständlich hielt und von dem er glaubte, es würde nie enden. Doch dieses Jahr war alles anders, und er besaß immerhin noch die Geistesgegenwart, eines seiner Maultiere zu verkaufen und davonzureiten, bevor er ganz mit leeren Händen dastand. Alles hat ein Ende, sagte er sich, während er seine Möglichkeiten erwog. Pferde stehlen und züchten – darin besaß er genügend Geschick und Erfahrung, um sich eine Rinderfarm am Oberlauf des Green zu sichern. Vielleicht konnte er sein Glück auch einmal im kalifornischen Goldrausch versuchen, obwohl diese Massenorgie der Habgier auf seiner Liste ganz unten stand. Eins war jedenfalls sonnenklar: Er wurde nicht jünger; verdammt, er war fast fünfunddreißig – oder gar vierzig? Er hatte nie mitgezählt, und seine Leute hatten sich nie die Mühe gemacht, es ihm zu sagen. Wie auch immer, er fuhr auf einem ramponierten Floß einen Fluss ohne Wiederkehr hinunter und würde früher oder später in die Stromschnellen geraten, wenn er sich nicht bald etwas einfallen ließ. Er konnte oft nicht mehr richtig klar denken, sein Körper war nicht mehr, was er einmal gewesen war, und immer deutlicher spürte er die unheilvolle Gegenwart eines dunklen Schattens, der hinter ihm emporstieg. Auf dem Rückweg in die Berge wollte er sich den Luxus einer Rast in Panchito gönnen, einer verwahrlosten Siedlung in der Hochwüste, wo er schon öfter Unterschlupf gesucht hatte – mit einem Bauchschuss, auf der Flucht vor kriegerischen Indianern oder nach Pferdediebstählen auf einer der riesigen spanischen Ranches südlich von Santa Fe. Hier konnte er in aller Ruhe einen trinken und bei einer erfahrenen Hure liegen, ohne befürchten zu müssen, dass er eine Kugel in den Rücken verpasst bekam oder beim Poker von Falschspielern ausgenommen wurde. Zwei Tagesritte vor Panchito kam ein Sturm von Norden herabgefegt, und zweimal wurde er aus dem Sattel geworfen, von eisblauen Hagelschauern, die ihn wie Rasierklingen ins Gesicht schnitten. Da er in dem steinigen Gelände kein Lager aufschlagen konnte, ließ er Pferd und Maultier einfach ohne Halt und ohne jedes Richtungsgefühl weitertrotten. Mehrmals schaute er zurück, als würde er verfolgt, aber nichts regte sich hinter dem schweren Leinenvorhang aus fallendem Schnee. Als er endlich eine geschützte Mulde erreichte, pflockte er das Pferd und das Maultier an, grub sich in eine Schneewehe ein und deckte sich mit einem Bisonfell zu. Tags darauf flaute der Sturm ab, und er ritt weiter durch hohe Schneewehen, seine Mokassins und Leggings steifgefroren, die Augen des halbtoten Pferdes und des Maultiers mit Eis verkrustet. Am Abend riss die Wolkendecke auf, und er konnte die Sangre de Cristo Mountains sehen, deren kalte zinnoberrote Gipfel ein gewisses Maß an Erlösung versprachen, jedenfalls so viel, dass er weiterstapfen konnte, in Richtung auf Panchito und eine Rast in der billigen Cantina der Stadt. Die Vorfreude auf Zuflucht endete mit einem dumpfen Grollen, dem eine gewaltige Lawine aus entwurzelten Bäumen, Felsbrocken und Schnee folgte, die ihn vom Pferd riss wie ein Zündholz in einem Wasserfall. Er rannte, überschlug sich, rollte Hals über Kopf am Rand der brodelnden Masse entlang, bis er in einer tiefen Verwehung landete. Halb bewusstlos lag er mit gespreizten Armen und Beinen auf dem Rücken und wartete auf einen zweiten Ausbruch oder die letzten Nachwehen, je nachdem, was zuerst kommen würde. Er war nicht ungeübt darin, sich der anderen Seite zu stellen, der jornada del muerto, wie man den Tod südlich der Grenze nannte. Es hatte andere Zeiten gegeben: Als er sich in einem Schneesturm verirrt hatte und beinahe erfroren war, mehr als einmal in einer Saloon-Schießerei...


Rudolph Wurlitzer, geboren 1937 in Cincinnati, Ohio. Fünf Romane in knapp 40 Jahren (u.a. "Nog" (1969), "Slow Fade" (1984)) und mehrere Filmdrehbücher, u.a. für Sam Peckinpah ("Pat Garrett jagt Billy the Kid" (1973)), Alex Cox, Volker Schlöndorff und Bernardo Bertolucci, haben seinen Ruf als Kultautor begründet. "Zebulon" ist sein jüngster Roman, er erschien 2008 unter dem Titel "The Drop Edge of Yonder". Wurlitzer lebt in New York und Nova Scotia.



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