Wood Zero Option
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-641-06907-0
Verlag: Goldmann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Thriller
E-Book, Deutsch, Band 2, 512 Seiten
Reihe: Victor
ISBN: 978-3-641-06907-0
Verlag: Goldmann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Fast jeder Mensch kann morden. Aber nur wenige schaffen es, unentdeckt davonzukommen. Und das nicht nur einmal, sondern immer wieder. Victor, ein so eiskalter wir brillanter Auftragskiller, ist ein Meister darin. Früher arbeitete er auf eigene Rechnung, doch mittlerweile steht er im Dienst der CIA. Nun soll er dabei helfen, die zwei größten internationalen Waffenhändler auszuschalten, um unzählige Leben zu retten. Doch dieser Auftrag erfordert mehr als Kaltblütigkeit und eine ruhige Hand. Victor muss mit höchster Raffinesse vorgehen, um sein Ziel zu erreichen - und um seinen Einsatz zu überleben.
Tom Wood, der eigentlich Tom Hinshelwood heißt, ist freischaffender Bildeditor und Drehbuchautor. Er wurde in Staffordshire, England, geboren und lebt mittlerweile in London. Sein Debütroman »Codename Tesseract« sowie auch die nachfolgenden Thriller um den brillanten Profikiller Victor wurden von Kritik wie Lesern begeistert gefeiert.
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Kapitel 2
Victor sah die Leiche aus seinem Blickfeld verschwinden und nahm das Auge vom Zielfernrohr, während das Schussgeräusch langsam verhallte. Der lang gestreckte Schalldämpfer seines Gewehrs hatte zwar den Mündungsknall unterdrückt, aber gegen den mächtigen Überschallknall, mit dem das Geschoss die Schallgrenze durchbrochen hatte, ließ sich nichts machen. Jeder, der etwas davon verstand, wusste jetzt, dass irgendwo ein Schuss abgefeuert worden war, aber ohne das dazugehörige Mündungsfeuer war er praktisch nicht zu orten. Hätte er Unterschallmunition verwendet, dann hätte er so gut wie gar kein Geräusch verursacht, aber in Bukarest war es windig, und auf eine Entfernung von fünfhundertfünfzig Metern hätten langsamere Projektile ein zu großes Risiko bedeutet.
Das Fenster des Hotelzimmers hatte sich für seine Zwecke nicht weit genug öffnen lassen, darum hatte Victor den ganzen Fensterflügel abmontiert. Es war kalt im Zimmer, aber der Luftzug ließ die penetrant riechenden Pulverdämpfe schnell abziehen. Wenn er den Gewehrlauf zum Fenster hinausgestreckt hätte, hätte es zwar weniger Gestank hinterlassen, aber er wäre sehr viel leichter zu entdecken gewesen. So etwas machten nur Amateure.
Schnell, aber ohne Hast schraubte Victor den Schalldämpfer vom Lauf und nahm das Gewehr auseinander. Die einzelnen Teile legte er in die dafür vorgesehenen Schaumstoffmulden eines ledernen Aktenkoffers. Das Ganze dauerte keine fünfzehn Sekunden. Mit einem Taschentuch hob er die heiße Patronenhülse vom Boden auf und steckte sie in eine Tasche. Anschließend schob er den Sessel, den er benutzt hatte, vom Fenster zurück an seinen ursprünglichen Platz. Mit dem Fuß beseitigte er die Druckstellen der Sesselbeine aus dem Teppich vor dem Fenster.
Er setzte den Fensterflügel wieder ein und glättete mit einem kleinen Stück Schmirgelpapier die Schraubenköpfe. Dann blickte er sich um, suchte nach irgendwelchen Anzeichen für seine Anwesenheit. Es war ein modernes Hotelzimmer, ordentlich und sehr sauber. Neutrale Farben. Jede Menge Edelstahl und leichtes Holz. Völlig unpersönlich, aber nicht abstoßend. Er sah nichts, weswegen er sich Gedanken machen müsste. Das Bett hatte er genauso wenig benutzt wie die Toilette, er hatte nicht einmal den Wasserhahn angefasst. So schwer es gewesen war, der Anziehungskraft der luxuriösen, außerordentlich fein gewebten Bettwäsche zu widerstehen, aber das Zimmer war ein Arbeitsplatz, mehr nicht, und es wäre ein sinnloses Risiko gewesen, den gebotenen Komfort in Anspruch zu nehmen. Es war schlicht und einfach nicht Victors Stil, dort zu schlafen, wo er einen Auftrag auszuführen hatte.
Erleichtert, dass er keine Spuren hinterlassen hatte, die ihn irgendwie mit dem Zimmer in Verbindung bringen konnten, legte Victor den Aktenkoffer in einen größeren Koffer, klappte ihn zu und verließ den Raum. Sein Herzschlag lag etwa zwei Schläge pro Minute über dem Ruhepuls. Wegen Fingerabdrücken brauchte er sich keine Gedanken zu machen. Er hatte seine Hände mit einer durchsichtigen Silikonlösung bestrichen, sodass sie keinerlei Fettspuren hinterlassen konnten.
Um nicht von der Überwachungskamera neben dem Fahrstuhl erfasst zu werden, nahm er die Treppe ins Erdgeschoss und durchquerte das Foyer, ohne auf das dort herrschende Durcheinander zu achten. Den Kopf hielt er leicht gesenkt, damit die Kameras nur seine Stirn und seine Haare zu sehen bekamen.
In der Nähe des Hoteleingangs redete ein großer, breitschultriger Mann, bekleidet mit einer Jeans und einer beigefarbenen Wildlederjacke, aufgeregt auf einen älteren Mann von ähnlicher Statur ein. Beide sahen osteuropäisch, slawisch aus – Russen oder womöglich auch Ukrainer. Der Ältere sah aus wie Ende vierzig und trug einen schönen schwarzen Nadelstreifenanzug, der sich perfekt an seinen großen, muskulösen Körper schmiegte. Sein kurz geschnittenes schwarzes Haar wurde an den Schläfen schon etwas grau, und er war glatt rasiert. Er hatte Victor seine linke Körperseite zugewandt, sodass das gezackte Narbengewebe am unteren Ende seines Ohrs deutlich zu erkennen war. Das Ohrläppchen fehlte.
Die beiden Slawen wurden von vier weiteren Männern umringt. Allesamt blasse Osteuropäer, allesamt in schwarzen Anzügen, allesamt muskulös, wenn auch nicht übertrieben, allesamt mit dem Auftreten ehemaliger Elitesoldaten und hervorragend ausgebildeter Bodyguards. Sie formten einen taktischen Schutzschirm um den Mann in der Wildlederjacke und den älteren im Nadelstreifenanzug. Jeder blickte in eine andere Richtung, sodass ihre Gesichtsfelder sich überschnitten. Sie waren aufmerksam, gewissenhaft, die Greifhand in Hüftnähe, jederzeit bereit, ihr Gehalt zu rechtfertigen.
Als Victor sich dem Tresen näherte, hörte er, wie der Mann in der Wildlederjacke auf Russisch erklärte, warum der Mann im Nadelstreifenanzug – der VIP – im Foyer warten musste. Victor tat, als würde er kein Wort verstehen, und stellte sich so an den Empfangstresen, dass das Objektiv der nächstgelegenen Überwachungskamera auf seinen Hinterkopf gerichtet war.
Der Mann an der Rezeption machte einen nervösen Eindruck und starrte die slawischen Männer an, ohne Victor zu bemerken, so lange, bis dieser ihm eine Hand vor die Augen hielt.
»Bitte entschuldigen Sie, Sir«, sagte er auf Englisch mit rumänischem Akzent. »Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Ich würde gerne auschecken.«
Victor nannte ihm seinen Namen und die Zimmernummer, gab seine Schlüsselkarte ab und wartete, während der Portier all die Dinge erledigte, die es zu erledigen gab. Dabei lauschte er auf jedes Wort, das zwischen dem Chef-Leibwächter und seinem VIP gesprochen wurde.
Als er die Rechnung kontrollierte und die Papiere unterschrieb, näherten sich feste Schritte in seinem Rücken. Normalerweise ließ Victor es nicht zu, dass jemand von hinten auf ihn zukam, aber zum einen schränkte die Überwachungskamera seine Bewegungsfreiheit ein, und zum anderen konnte er sich jetzt, während des Auscheckens, nicht gut umdrehen, ohne Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Und die Leibwächter machten nicht den Eindruck, als ob sie sich solche verräterischen Bewegungen entgehen lassen würden.
Darum blieb Victor regungslos stehen, während er seine Unterschrift an den unteren Rand des Formulars setzte, und empfing, als der Leibwächter an den Tresen trat und dem Mann an der Rezeption ein paar Anweisungen zubellte, den erwarteten Stoß gegen die Schulter. Victor duckte sich nicht weg und setzte dem Stoß keinen Widerstand entgegen – auch das nur, um seine Tarnung als x-beliebiger Hotelgast aufrechtzuerhalten –, aber der Bodyguard brachte wohl gut über hundert ausgesprochen nützliche Kilogramm auf die Waage. Victor stolperte. Wahrscheinlich fand er sein Gleichgewicht schneller wieder als ein normaler überraschter Geschäftsmann, aber nur deshalb, weil er sonst unweigerlich auf dem Fußboden gelandet wäre.
Bevor er die erwartete aufgebrachte – aber nicht zu aufgebrachte – Bemerkung loswerden konnte, hörte er den Mann im Nadelstreifenanzug rufen: »Nikolai.«
Der Kerl mit der Wildlederjacke drehte sich um und blickte seinen Boss an. Victor ebenfalls.
Der VIP stürmte auf seinen Chef-Leibwächter zu, während die anderen vier Bodyguards sich nach Kräften bemühten, ihn auch weiterhin nach allen Seiten abzusichern, jeweils fünf Schritte entfernt, jede Ecke des Foyers von mindestens einem Augenpaar abgedeckt.
»Nikolai, du respektloser Ochse«, sagte der Mann im Nadelstreifenanzug beim Näherkommen. »Du entschuldigst dich auf der Stelle bei dem Herrn.«
Er deutete auf Victor, der den bäuerlichen ukrainischen Akzent sofort erkannt hatte.
Der Leibwächter namens Nikolai blickte Victor an und sagte in tonlosem Englisch: »Entschuldigung.«
»Ist schon in Ordnung«, erwiderte Victor.
Der Ukrainer im Nadelstreifenanzug wandte sich ihm zu. »Bitte verzeihen Sie mir. Mein Freund muss erst noch zivilisierte Manieren lernen. Mehr Affe als Mensch. Ich hoffe, Sie sind nicht verletzt.«
»Alles in Ordnung.«
Victor trat einen Schritt zurück, um die Begegnung mit dem Mann, dem er gerade eben das Leben gerettet hatte, so schnell wie möglich zu beenden. Mit jeder Sekunde wurde das Risiko seiner Entdeckung größer. Der Ukrainer musterte Victor mit einer Intensität, die er nur selten erlebte, einer gewissen Vertrautheit, ungeachtet der Tatsache, dass Victor ihm nie zuvor begegnet war. Er wusste nicht genau, warum, aber irgendwie hatte er dabei ein ungutes Gefühl. Er musste sich richtig zusammenreißen, um sich nichts anmerken zu lassen.
»Oh, nein«, sagte der Ukrainer, als sein Blick nach unten wanderte. »Ihr Anzug.«
Victor sah ebenfalls hin und entdeckte den kleinen Riss in seinem rechten Jackettärmel. Er musste sich an der Ecke des Tresens verfangen haben, als er ins Stolpern geraten war.
»Das ist schon in Ordnung«, sagte Victor. »Kann man nähen.«
»Nein, der Anzug ist ruiniert.« Der Ukrainer wandte sich an Nikolai und sagte auf Russisch: »Du dämliches Arschloch, siehst du, was du angerichtet hast?« Und dann wieder zu Victor: »Es tut mir wirklich aufrichtig leid. Das ist ein sehr schöner Anzug. Man sieht, dass Sie ein Mann sind, der auf sein Äußeres achtet, genau wie ich. Ich würde Ihnen ja Geld geben, damit Sie sich einen Ersatz besorgen können, aber ich habe überhaupt kein Bargeld bei mir, und wer trägt in der heutigen Zeit noch ein Scheckbuch mit sich herum?«
»Das ist nicht nötig, wirklich nicht«, sagte Victor. Vermutlich hätte er weniger...